Erweiterte Startvorbereitungen


Es fühlt sich gut an, an der Startlinie zu stehen. 2019 war Bremerhaven schon einmal unser Startpunkt und Im-Jaich liegen wir dafür ideal. Ob wir nun von hier aus nach links abbiegen oder geradeaus erst einmal nach Norden fahren, haben wir noch nicht entschieden, denn dass hängt schlicht vom Wetter ab. Auf irgendeine Quälerei gegenan, nur um einen Plan zu verfolgen, haben wir keine Lust. Nach den letzten Monaten wollen wir nur noch »easy sailing«, von allem anderen hatten wir dieses Jahr schon genug.

„Im-Jaich“

„Im-Jaich“


Doch als wir Mitte Juni wieder Im-Jaich ankommen, haben wir zwar richtig viel geschafft, aber segelklar sind wir noch lange nicht. Aus unserer Dauerbaustelle muss nun erst einmal wieder ein Segelschiff werden. Zudem haben wir im letzten Dezember die PINCOYA ausgeräumt. Nicht nur, weil eh alles nass oder wenigstens klamm war, sondern auch, weil wir für die anstehenden Bastelarbeiten Platz brauchten und sich über die Jahre auch zu viel Zeugs angesammelt hatte, das wir dann doch nicht wirklich gebraucht haben. Nun gilt es, die Spreu vom Weizen zu trennen und zu entscheiden, was wieder mit soll und was doch eher zuhause bleiben kann.


Zunächst widmen wir uns aber erst einmal den echten Segelvorbereitungen. Mit Segeln würde die PINCOYA wenigstens schon mal wieder wie ein richtiges Segelschiff aussehen, das bereit zum ablegen ist. Das macht für uns bei all den Vorbereitungen zwar noch keinen wirklichen Unterschied, aber schon mal ein gutes Gefühl. 😇
Als erstes spannen wir die Vor- und Achterstagen. Zum Kranen mussten wir das Genuastag ja am Bugspriet abnehmen. Wir nehmen diesmal das Genuastag so dicht, wie es irgend geht. So steht der Mast endlich mal wieder so, wie er eigentlich stehen muss. Das Kutterstag können wir ja nun mit dem neuen Spanner unabhängig und zum Genuastag passend nachspannen.

„Wir spannen nun oben ...“

„Wir spannen nun oben …“

„Mastaussichten Im-Jaich“

„Mastaussichten Im-Jaich“

Danach kommen die Achterstagen. Das sind zwar immer noch die Stahlstagen ohne Umlenkung aus Martinique, das macht aber erst einmal nichts. Die werden wir später noch gegen neue Dyneema-Stagen austauschen und dann auch wieder über den Geräteträger umlenken. Hauptsache, die beiden Vorstagen stehen schon mal richtig, da können wir über das unschöne Problem mit dem Bimini und den Achterstagen auch noch einmal einige Wochen hinwegsehen. Es ist schon wirklich ärgerlich, wieviele Probleme man am Ende damit hat, wenn man sich nur einmal nicht richtig kümmert. So einen Fehler werden wir sicher nicht noch einmal machen. Doch nun ist dieses Ärgernis hoffentlich ein für alle Male beseitigt.


So langsam normalisiert sich unser Alltag und auf der PINCOYA fühlen sich die Alltage schon fast wieder wie echte Fahrtensegleralltage an, obwohl vom Segeln ja noch keine Rede sein kann. Aber der Baustellenalltag verschwindet Stück für Stück und wir fahren runter 🤨 – nun ja, wenigstens etwas 😂 – und verschwenden endlich auch mal wieder die ein oder andere Stunde einfach nur so mit Nichtstun. Es ist mit nichts zu ersetzen, einfach nur im Cockpit zu sitzen und es gut sein zu lassen. Unsere Entspannung merkt der aufmerksame Leser auch daran, dass wir so langsam mit den Blogs aufholen und endlich auch mal wieder etwas »gegenwartsnäher« bloggen.

„Abendstimmung Neuer Hafen“

„Abendstimmung Neuer Hafen“

Die großen Dinge sind getan. Nun folgen nur noch die vielen kleinen Dinge, mit denen die großen Dinge dann ja doch immer noch richtig abgeschlossen werden möchten. Doch so langsam wird’s was und vor allem wird es wieder richtig wohnlich auf der PINCOYA. Das tut gut!

„Die Verkleidung und die Schmuckstufe“

„Die Verkleidung und die Schmuckstufe“

Nach den letzten kleinen Anpassungen bauen wir die »Schmuckstufe« zur Schlauchverkleidung des neuen Zulaufs für den Wassermacher ein und in der Achterkoje tauschen wir noch schnell einen Teil des Himmels aus. Bespannungsstoff dafür hatten wir noch, doch diesmal kommt eine 4er Siebdruckplatte zum Einsatz, die sollte die zwangsläufige Feuchtigkeit auf einem Schiff wesentlich besser aushalten.

„Ein neuer Himmel entsteht im Keller.“

„Ein neuer Himmel entsteht im Keller.“

Dem moosig grünen Teakdeck rücken wir mit Boracol zu Leibe, es wird Zeit, wieder in den Süden zu kommen. Die ständige Nässe im Norden hat unser Teakdeck innerhalb von wenigen Monaten in ein grünes Moorgärtlein verwandelt. Wenigstens wachsen noch keine Bartflechten von den Salingen, wenn das soweit ist, ziehen sicher auch bald einige Trolle bei uns ein.

Doch obwohl vieles wie geschmiert läuft, so richtig glatt mag es an der einen oder anderen Stelle dann doch nicht gehen.

„Die Seewasserpumpe und ihr Problem“

„Die Seewasserpumpe und ihr Problem“

Beim Austausch der Seewasserpumpe des Motors sehen wir, dass die Mitnehmernut auf der Welle der Pumpe ziemlich ausgeschlagen ist. Entsprechend vermackelt sieht leider auch der Mitnehmerflansch auf der Nockenwelle aus. Ein Blick ins Werkstatthandbuch unseres alten Volvo Pentas lässt allerdings den großen Schrecken schnell etwas kleiner werden. Der Mitnehmerflansch auf der Nockenwelle ist als Verschleißteil recht leicht austauschbar. Mit dem Motor-Spezi aus Stralsund können wir die Ersatzteilfrage schnell klären. Doch am Motor geht es so erst einmal solange nicht weiter, bis die Ersatzteile in Bremerhaven sind.

Also gehen wir an unser Sorgenkind, den Außenborder. Obwohl er mit seinem neuen Vergaser auf der Werft spontan noch recht gut lief, verweigert er nun hartnäckig jeglichen Dienst. Nun ja, wer kann ihm das verdenken? Immerhin ist er seit drei Jahren eigentlich schon in Rente und in diesem Frühjahr konnte er schon seinen 72sten Geburtstag feiern. Ja, Außenborderlebensjahre rechnet man nämlich wie Hundelebensjahre in Menschenjahre um, also mit der Formel ln(Lebensalter des Außenborders)*16+31. So einfach ist das und deswegen hat Honda ja auch seit Jahren auf diese banalen Motorstundenzähler verzichtet, da sich jeder so die Lebenserwartung seines Außenborders selbst im Handumdrehen ausrechnen kann. Seit 13 Jahren tut unser kleiner Honda nun schon seinen Dienst bei uns und wurde sogar auch noch zweimal getunkt.

„Der Außenborder und das Problem des Schiffsjungen.“

„Der Außenborder und das Problem des Schiffsjungen.“

Trotz all dieser Widrigkeiten konnten wir ihn bisher immer wieder zum Laufen bringen, aber jetzt will er einfach nicht mehr. Mehrfach zerlegen wir ihn am Heckkorb so weit, wie es eben dort möglich ist. Selbst den neuen Vergaser zerlegen wir, um zu schauen, ob dort nicht irgendeine Düse verstopft ist. Aber alles bleibt ohne Erfolg.

Dabei kommt uns unser Fehler, mit einem altersschwachen Gummiboot in die Karibik zu segeln, wieder in Sinn. Selbst wenn wir unseren alten Außenborder noch einmal zum Laufen bringen oder tatsächlich zur Reparatur geben, er ist und bleibt ein alter Motor, der seine besten Zeiten definitiv hinter sich hat. Also entschließen wir uns spontan, noch in Deutschland einen neuen kleinen Honda zu kaufen. Denn preiswerter als in Deutschland werden wir ihn nirgends auf der vor uns liegenden Route mehr bekommen. Soviel haben wir ja wenigstens aus unseren Gummiboot-Kauferfahrungen im letzten Jahr nun doch gelernt.


Mit den Gardinen hat die Capitana vollkommen überraschend die Nähleidenschaft gepackt. Die Nähmaschine, um die sie bisher immer einen großen Bogen gemacht hat, muss nun auch mit.

„Meine neue Nähkönigin ...“

„Meine neue Nähkönigin …“

Sitzkissen für’s Cockpit entstehen und DHL liefert tapfer neuen Stoff und das Innenleben für Sitzpolster und Kissen. Bettlaken, die früher am Stück aufgezogen wurden, werden nun »in Form« genäht. Diverse neue Kissen entstehen für den Salon und die alten landen im Müllcontainer.

„... näht neue Kissen für den Salon. Man achte auf den verdeckten Reißverschluss! 😂👍“

„… näht neue Kissen für den Salon. Man achte auf den verdeckten Reißverschluss! 😂👍“

Und genau an dieser Stelle beginnt nun die logische Konsequenz in Arbeit auszuarten. Denn weder die alten Salonpolster passen zu den neuen Gardinen und Kissen noch der alte Teppich. Zudem sind beide wirklich arg in die Jahre gekommen und verdienen es eigentlich, entsorgt zu werden. Die Geschichte mit den alten Polstern erscheint allerdings komplizierter als die eines neuen Teppichs. Also klappern wir probehalber schon mal einige Teppichregale ab und versuchen den richtigen Kompromiss zwischen Art, Farbe, Material und Preis zu finden. Mit einer ersten Idee und sämtlichen alten Teppichstücken als Muster fahren wir dann nach Hause, denn dort steht immer noch die Sailrite, die wir für die Teppichaktion dringend brauchen.

Der alte Teppich ist umkettelt und als wir die Kanten addieren, kommen wir auf stattliche 34 m. Doch 34 individuelle Kettelmeter kosten mehr als das Doppelte des Teppichs selbst. Also muss eine Selfmade-Lösung her. Und so steht schon mal das Programm für das nächste Wochenende. Nur noch einmal fahren wir mit Henriette nach Hause und wieder zurück zur PINCOYA. Also wann, wenn nicht jetzt?

„Der neue Teppich nimmt Formen an.“

„Der neue Teppich nimmt Formen an.“

Am Freitag holen wir den Teppich und am Samstag schneiden wir all die Stücke zu. Es sind sechs große Stücke und vier Stufenstückchen. Mit den Resten proben wir die Umsäumung der Kanten.

„Zuschneiden, umsäumen, frisieren und fertig. “

„Zuschneiden, umsäumen, frisieren und fertig. “

Ohne Einfassung geht es nicht, die Kanten ribbeln sofort auf. Es dauert etwas, bis wir die richtige Methode und die richtige Einstellung der Sailrite gefunden haben. Zunächst wollten wir alle Kanten mit Gurtband umsäumen, doch schlussendlich nutzen wir die Gurtbandvariante dann nur für den Trittschutz an den Stufenkanten. Den Rest umsäumen wir mit einem mittleren Zickzack-Stich. Doch das dauert und frisst ohne Ende Garn. Erst am Sonntag sind wir mit allen Teppichstücken fertig und bereit, ein letztes Mal zur PINCOYA zu fahren.

„Die großen Stücken sind etwas unhandlich. Unten entstehen Trittschutzkanten mit Gurtband.“

„Die großen Stücken sind etwas unhandlich. Unten entstehen Trittschutzkanten mit Gurtband.“

„Wer hätte gedacht, dass wir uns einmal nähend gegenüber sitzen.“

„Wer hätte gedacht, dass wir uns einmal nähend gegenüber sitzen.“


Mal schnell den Rest zusammenräumen …
… und dann ein letztes Mal los. Besser hätte der Witz nicht sein können! 🥳 😂 🥳 Nachdem nun die Teppichstücken am Sonntag mit einem Nähmarathon fertig geworden sind, wollen wir noch am Montag ein letztes Mal mit Henriette nach Bremerhaven fahren. D.h. aber auch, dass nun ALLES mit muss, was noch auf die PINCOYA soll, denn beim nächsten Mal geht’s per Bahn nach Bremerhaven und Henriette muss zuhause bleiben.

Gleich früh beginnen wir zu räumen und versammeln wieder einmal alles im Wohnzimmer, was mit soll. Gegen 11:00 ist schon mal klar, das wir wohl doch lieber noch einmal mit dem Anhänger hochfahren. Zu den wenigen Kleinigkeiten, die noch fehlen, gesellen sich munter immer mehr Kleinigkeiten, denn per Bahn können wir unmöglich noch eine größere Menge von diesen Kleinigkeiten mitnehmen.

Gegen halb drei überlegt der Schiffsjunge, ob es nicht doch besser wäre, erst einmal einen kleinen Mittagsschlaf zu machen. Die Aussichten auf Erfolg an diesem Montag sind auf Null gesunken. Ein Ende ist immer noch nicht abzusehen, zumal wir das Zusammenräumen notgedrungen mit einem finalen Ausmisten, Trennen und Aufräumen verbinden mussten. Parallel wurschteln wir uns seit Stunden durch die verschiedenen Themenbereiche. Und immer wieder stellt sich die alte Frage, was eigentlich schon an Bord ist und was noch zu Hause sein müsste und wenn ja, wo zum Teufel. In solch einer Situation muss man den ungeschminkten Tatsachen auch mal tapfer ins Auge blicken und etwas Realismus an den Tag legen.

Die Capitana sucht gerade die Bad- und Badesachen zusammen und stopft angebrochene Flaschen mit Sonnencreme dazu. Geschickt schleiche ich mich hinter ihrem Rücken ins Schlafzimmer, schaffe todmüde vollendete Tatsachen und schlafe sofort ein. Ich falle in einen unruhigen Schlaf und im Traum belade ich unseren kleinen Anhänger mit hunderten von Kisten und Taschen, die die Capitana unermüdlich heranschleppt. Aber der Anhänger wird nicht voller und immer wieder muss ich die Frage der Capitana mit »Ja« beantworten, wenn sie fragt, ob noch etwas passt. Vorsichtig schaue ich um die Ecke und sehe, wie Kisten und Taschen in einem unendlichen Strom aus unserem Wohnzimmerfenster quellen. Ein Ende ist nicht abzusehen, nur die Capitana schleppt wieselflink die nächsten Sachen heran.

Die Erlösung kommt erst mit einem leichten Kaffeeduft und der Frage der Capitana, ob wir nicht lieber doch erst morgen fahren wollen.


Tour final
In unserem Anhänger ist gerade noch so viel Platz, dass wir auf dem Weg nach Bremerhaven unseren neuen Außenborder in Schwanewede abholen können.
Die nächsten drei Tage stehen im Zeichen der Restarbeiten und der Verproviantierung.

„Oben links liegen 85 € auf der Hand, Volvo nimmt's wirklich vom Lebendigen. “

„Oben links liegen 85 € auf der Hand, Volvo nimmt's wirklich vom Lebendigen. “

Die Reparatur des Motors und der Einbau der neuen Seewasserpumpe gehen erstaunlich schnell und problemlos. Selbst das Tauschen des Öl- und Dieselfeinfilters klappt diesmal ohne die ganz große Sauerei.
Nachdem die Arbeiten mit dem größten Potential zu einer formvollendeten Sauerei abgeschlossen sind, legen wir die neuen Teppiche aus.

„Der neue Teppich macht richtig was her!“

„Der neue Teppich macht richtig was her!“

Plötzlich ist die PINCOYA innen wie verwandelt. Das war ein voller Erfolg und macht richtig was her. Jetzt fallen allerdings die alten Polster im Salon noch mehr aus dem Rahmen. So geht das gar nicht! Also recherchieren wir die Möglichkeiten und entschließen uns spontan, die alten Polster mit einem sogenannten »Bündchenstoff« einfach neu zu beziehen. »Bündchenstoff« ist im Prinzip wie eine Fendersocke, nur endlos. Er ist wie ein Schlauch, ist elastisch und es gibt ihn in verschiedenen Weiten, Farben und Strukturen. Das ist mal eine schnelle Lösung. Die eine Seite wird zugenäht, dann werden wir das das Ganze einfach über das alte Polster ziehen und schlagen die andere Seite einfach um. So der Plan! Ein guter Plan!

Noch während wir in Bremerhaven sind, wird der Stoff geliefert. Polstern werden wir dann erst irgendwo vor Anker, aber so ist erst einmal alles dafür an Bord. So haben wir zwar noch keine neuen Polster, was eigentlich bitter nötig wäre, aber es sieht zunächst einmal wieder ordentlich aus. Nun fehlt uns aus dem großen Renovierungsprogramm nur noch die neue Matratze für die Mittelkoje. Aber IKEA gibt es ja überall und das elektrische Brotmesser zum Tranchieren der Matratze ist auch schon an Bord. So kann auch das noch was werden, mal sehen, wo…

„Der Neue kommt, der Alte geht ...“

„Der Neue kommt, der Alte geht …“


Dann verproviantieren wir uns. Mit Auto ist das schon erheblich einfacher. Nur das Grünzeug werden wir am Ende dann noch einmal zu Fuß und frisch besorgen.
Und dann sind wir fertig und abfahrbereit. Zuhause sagen wir nun nur noch einmal allen Tschüß und dann kann es losgehen. Endlich!
Nach 7 1/2 Monaten ist es nun auch wirklich mal wieder Zeit.

Im-Jaich, Neuer Hafen, Bremerhaven
53° 32′ 58,2″ N, 008° 34′ 06,7″ E