IJmuiden -> Dunkerque


IJmuiden (NL) -> Dunkerque (F) (A)
Distanz: 120,0 sm Gesamtdistanz 2024: 480,2 sm

„von IJmuiden (NL) -> nach Dunkerque (F)“

„von IJmuiden (NL) -> nach Dunkerque (F)“

Für den Dienstag tut sich das nächste Wetterfenster auf. Mit etwas Glück soll der Wind gegen 12:00 auf WNW drehen. Hält sich der Wind an die Verabredung, könnten wir mit ihm über Nacht bis auf Höhe von Ostende in Belgien kommen. Danach wird es dann zäh, doch wenn die Tide zum Schluss halbwegs passt, könnten wir auch noch die letzten 25 sm bis Dunkerque schaffen. Vorausgesetzt die Tide läuft mit, sonst »parken« wir irgendwo an der belgischen Küste.


Am Dienstag bricht dann eine ganze Armada gen Süden auf. Wir starten im Mittelfeld. Es ist schwierig entspannt zu bleiben, wenn überall um einen herum zum Aufbruch geblasen wird. Als wir starten, ist es erst kurz vor 11:00. Nun ja, wenn der Wind noch nicht wirklich gedreht hat, dann freuen wir uns halt über das ablaufende Wasser, das wir so noch etwas länger mit uns haben. Als wir vor der Einfahrt nach Süden abbiegen, können wir unseren Kurs zwar noch nicht ganz halten, aber das sollte schon noch was werden.

„Auf nach Süden!!!“

„Auf nach Süden!!!“

Nach einiger Zeit dreht der Wind dann tatsächlich etwas deutlicher auf NW und frischt auf 14 bis 18 kn auf. Nun läuft’s und als die Tide kentert, machen wir immer noch rund 5 kn über Grund.

Vor Rotterdam ist unglaublich was los. Kurz nach unserer Anmeldung bei Maas Entrance werden wir aufgefordert etwas zu warten. Das ist leichter gesagt als getan, denn nun bläst es gerade so schön mit 19 kn aus Nordwest. Wir nehmen die Genua weg, was allerdings auch nicht gerade zu einer Vollbremsung führt. Aber eins ist sicher, ohne AIS wäre die Capitana über Bord gesprungen. Mal hinten herum, dann noch schnell die Flucht nach vorn. Immer wieder scheint es echt eng zu werden. Man fragt sich unwillkürlich, wie und wo man in Rotterdam all diese Schiffe abfertigt. Ein nahezu unendlicher Strom von Frachtern läuft hier ständig aus und ein. Manchmal sind die Cluster so dicht, dass man als Segler keine Idee hat, wie man da heile durchkommen soll. Glücklicherweise sind wir schon nachmittags dort und so ist es ja noch hell.

„Rotterdam ist für die Capitana Schlotterdam! 😂“

„Rotterdam ist für die Capitana Schlotterdam! 😂“

Nach Rotterdam geht es erst einmal entspannt weiter. Doch schon bald recken sich die ersten Windräder der Monster-Windparks, die die Holländer und Belgier hier in die Nordsee gepflanzt haben, über die Kimm. Und auf deren Höhe wird dann auch die Sache mit dem Fahrwasser bzw. den Fahrwassern etwas kniffeliger. Ausgedehnte Sände tun sich ab der niederländisch-belgischen Grenze auf. Überall leuchtet und blinkt irgendwas und es ist selbst auf der elektronischen Seekarte nicht ganz so einfach, ein Durchkommen zu finden.

„Die riesigen Windparks bei Nacht.“

„Die riesigen Windparks bei Nacht.“

Gegen Mitternacht kommen wir erst einmal bei Zeebrugge vorbei. Der Schiffsverkehr hier ist zwar nicht mit dem vor Rotterdam zu vergleichen, aber es ist dunkel und die Fahrwasser vor Zeebrugge sind enger und bilden irgendwie ein ziemliches Durcheinander. Wenigstens für uns, die wir hier nicht ständig durchfahren, denn die ganze Sache ist schon etwas unübersichtlich. Auch hier werden wir aufgefordert etwas zu entschleunigen, das gelingt diesmal besser, denn der Wind hat ohnehin stark nachgelassen. Insgesamt haben wir Glück, denn der Tross der Südwestfahrenden hat sich zweigeteilt. Wir gehen mit einigen anderen weiter innen lang, die andere Truppe, alles deutlich größere und schnellere Yachten, nimmt mehr oder weniger das Hauptfahrwasser. Das allerdings beschert ihnen die ganze Aufmerksamkeit von Traffic Control Zeebrügge und den Piloten vor Ort, die gerade sieben Frachter gleichzeitig abfertigen. Drei Pilotenboote holen ihre Kollegen von auslaufenden Schiffen ab und setzen sie gleich wieder auf die neu einfahrenden Frachter ab. Die Segler im Hauptfahrwasser müssen nahezu einen Fullstopp einlegen und schwupps liegen wir Kleinen erst einmal wieder vorn 😇.


Hinter Zeebrugge wird es dann zäh. Der Strom kentert und der Wind nimmt auf knapp 10 kn ab. Wir schleichen nur noch so dahin, aber immerhin geht es ja noch in die richtige Richtung. Zu früh wollen wir ohnehin nicht in Dunkerque ankommen, denn dort werden wir wohl einige Tage warten müssen. Da muss man nicht noch eine weitere Hafengebühr provozieren, indem man ohne Not noch schnell in der Nacht ankommt.

So lassen wir es so laufen, wie es eben läuft, und machen erst einmal Wasser. Das funktioniert übrigens vollkommen problemlos, seitdem wir das Seewasser über das neue Seeventil ansaugen. Selbst in voller Fahrt und bei schlechterem Wetter werden nun keine Luftbläschen mehr mit angesaugt.

„Es dämmert wieder.“

„Es dämmert wieder.“

In aller Ruhe suchen wir uns auf der Seekarte eine etwas direktere Route durch die Sände, ruhen uns aus und schlafen abwechselnd etwas. Als wir ins Fahrwasser vor der Küste nach Dunkerque einschwenken, verlässt uns der Wind ganz. Nullkommanull ist ganz schön wenig, zumal die Tide auch noch aufläuft.

„Die Niederlande gehen, Frankreich kommt und Belgien haben wir mal im Dunkeln übersprungen.“

„Die Niederlande gehen, Frankreich kommt und Belgien haben wir mal im Dunkeln übersprungen.“

„Dunkerque voraus ...“

„Dunkerque voraus …“

Kurz vor der Hafeneinfahrt nach Dunkerque beschließen wir, einfach erst einmal östlich direkt vor dem Strand vor Anker zu gehen. Es ist ruhig, nur der Strom strömt so vor sich. Vor Anker ist uns das egal, auch wenn es 1,5 kn sind.

Einen Gutenmorgenkaffee nehmen wir noch, um zu sehen, ob wir hier nun auch gut liegen und ob alles hält. Hinter uns verlässt eine unendliche Karawane von Seglern Dunkerque. Auch von Osten kommen unzählige Segler auf, die wohl in Belgien einen Zwischenstopp eingelegt haben. Es ist absolut windstill. Wir denken kurz darüber nach, ob es Sinn macht, doch noch weiter zu fahren. Aber wir haben keine Lust, einfach nur unter Motor stumpf nach Westen zu brummen. Denn von Westen soll es ja auch schon bald auffrischen.
Also gehen wir schlafen, der Rest kann warten.


Vor Anker vor Dunkerque
Gegen 12:00 wachen wir durch unser Windrad auf. Es dreht sich wieder, der Westwind scheint uns nun erreicht zu haben. Doch als wir nachsehen, ist es ein Nord mit einem kleinen Hauch von Ost in seiner Richtung. Hmm … irgendwie blöd und irgendwie unerwartet. Und die unendliche Prozession von Seglern, die in beiden Richtungen an uns vorbeizieht, beginnt schon etwas, an unserer Entscheidung, hier nun vor Anker abzuwarten, zu nagen. Zwar fahren fast alle unter Motor und nur wenige versuchen es ab Mittag noch einmal mit dem Nordwind. Doch das ist nur ein schwacher Trost.

Die Wetterlage ist nicht wirklich einfach. Die eigentliche Frage ist, wie lange der Nord noch durchhält. Gezeitenströme sind da leichter einzuplanen, die halten sich wenigstens an ihren steten Rhythmus. Nun ahnen wir, dass wir heute noch gut ums Cap Gris-Nez gekommen wären, wenn wir heute morgen nur einfach weiter gefahren wären. Bis zum Cap Gris-Nez sind es aber von hier aus noch etwas mehr als 30 Seemeilen, dieser Zug ist für heute nun also wirklich abgefahren. Hinterher ist man ja immer schlauer. Das Wissen von heute Nachmittag hätte uns heute Morgen sicher gut geholfen.

„Nicht immer riecht Dunkerque wirklich appetitlich. Wir halten erst einmal etwas Abstand.“

„Nicht immer riecht Dunkerque wirklich appetitlich. Wir halten erst einmal etwas Abstand.“

So beschließen wir erst einmal, einfach hier vor Anker zu bleiben. Das Wetter ist ruhig und wir haben nichts auszuhalten. Mal sehen, wann es wohin weitergehen kann.


In unseren Überlegungen schielen wir natürlich auch rüber nach England. Die englische Südküste steht ja immer noch ziemlich weit oben auf unserer Wunschliste. Doch wie wird aus dem Wunschplan mal ein echter Plan? Zwischen England und dem Kontinent liegen kaum 20 sm. Das ist nun wirkliche keine große Hürde. Doch es gibt eine andere Hürde, die man fast schon auf den ersten Blick aus der Seekarte ablesen kann. Bis zur Isle of Wight gibt keine Ankerplätze, die auch nur halbwegs etwas taugen. Rund um die Isle of Wight geht es dann, aber auch weiter westlich sind die Möglichkeiten doch eher dünn gesät. Was bleibt sind Marinas oder Moorings in Flussmündungen.

Und genau hier liegt das Problem. Ein Problem, das wir im letzten Jahr auch schon in der Ostsee kennengelernt haben, als wir nach einem Winterliegeplatz und einer Möglichkeit gesucht haben, aus dem Wasser zu gehen. Die Nachfrage bestimmt den Preis, wobei die Inflation sicherlich auch noch etwas obendrauf gelegt hat. Doch die Preise an der englischen Südküste haben ein Niveau erreicht, das wir uns schlicht nicht mehr leisten können. Bzw. uns auch nicht leisten wollen, da es unsere teuer ersparte Freiheit einschränken würde. Die Freiheit, die wir uns genommen haben, nicht auf die Rente zu warten, bevor wir losgesegelt sind.

Seit 2018 führen wir für jedes Jahr ein Kostenbuch, in dem auch die Kosten für Marinas stehen. Eine gefühlte Preissteigerung ist ja immer sehr trügerisch, aber so können wir einfach mal nachsehen, wie es 2019 war. An der französischen Kanalküste lagen damals die Preise rund 10 bis 15% unter den heutigen Preisen. Nun sind die heutigen Preise mit 2,80 € pro Meter auch kein Schnäppchen, aber die Preissteigerung hält sich noch wirklich im Rahmen. Doch 20 Seemeilen weiter nördlich, auf der anderen Seite des Kanals, egal ob Ramsgate, Dover oder Eastbourne, bewegen sich die Preis zwischen 3,70 £ und 4,50 £ also aktuell zwischen 4,40 € und 5,50 € per Meter, was die Nacht für uns zwischen 52,80 € und 66,00 € kosten lässt. Das finden wir dann schon etwas zu unverschämt, zumal man ja auch immer das Risiko läuft, bei schlechtem Wetter eingeweht zu werden. Dann tut so ein Preis richtig weh.

So sehr wir die Briten und das Land auch mögen, dann lieber noch einmal in den Norden, dort gibt es genügend Ankerplätze und die Preise für Marinas halten sich dort auch noch halbwegs in Grenzen, sofern man nicht unbedingt in den Touristenhochburgen oder Hauptstädten liegen möchte. Am Wetter kann der Unterschied im Übrigen nicht liegen, das ist überall gleich britisch.
Also …, so leid es uns tut … bye bye Britain! 👋


„Dunkerque in der Abendsonne“

„Dunkerque in der Abendsonne“

Am späten Nachmittag ist dann die Selbstsicherheit unserer Entscheidung eindeutig aufgebraucht. Der Nord, der um 12:00, wenn überhaupt nur noch einmal kurz einsetzen sollte, will einfach nicht mehr aufhören. Das ist Mist, denn wir dachten, dass wir taktisch klug geankert haben, doch nun weht es eindeutig zu konstant in die Richtung, in die wir eigentlich unterwegs sein wollten. Die Gezeit läuft zwar immer noch ordentlich gegenan, aber die Dauer und Stärke des Nord lässt uns schon mit unserer Entscheidung hadern.

Oft hatten wir ja auch schon Glück, doch auf der Medaille, auf deren einer Seite »Glück« steht, steht halt auf der anderen Seite »Ätsch, Pech gehabt!«. Nun ist es zu spät, um sich umzuentscheiden. Und wenn wir ehrlich sind, war es auch schon gegen Mittag zu spät. Bis 18:30 werden wir noch gequält und erst dann dreht der Wind endlich auf Südwest und tut der Vorhersage mal den Gefallen, dass sie nicht ganz daneben liegt.

Nicht nur einmal haben wir bis dahin unsere Chancen kalkuliert, doch noch ums Eck zu kommen. Im Kopf gelingt es erstaunlich gut, Dinge zu finden, damit man sich nicht eingestehen muss, dass man wirklich mal falsch gelegen hat. Doch nüchtern betrachtet liegen wir vor dem Strand von Dunkerque gar nicht so schlecht, für das was da kommen soll. Energetisch sind wir autark und der Hungertod wird uns auch nicht ereilen. Zudem ergibt sich so nun mal die Gelegenheit, das zu leben, was man sich selbst auf die Fahnen geschrieben und auch anderen immer so gerne angepriesen hat. Sich die Freiheit zu nehmen, einfach mal runterzukommen und abzuwarten. Im Hinterkopf höre ich ein leises Kichern: »Nun mach mal, nicht immer nur große Reden schwingen! Etwas mehr Lockerheit ist gefragt, Herr Schiffsjunge!« Ich fühle mich ertappt … mal sehen.


„Der Plage de Malo-les-Bains von Dunkerque“

„Der Plage de Malo-les-Bains von Dunkerque“

Und wie liegt man nun vor Dunkerque?
Die Antwort ist einfach. It depends!
Solange der Wind unter 10 Knoten bleibt, behält der Strom die Oberhand. Dann ist es auch noch ok, wenn der Wind mal nicht aus Südwest über Süd bis Südost kommt. Etwas Schwell aus Nordwest gibt es immer und wenn die Tide kentert und man gedreht wird, liegt man zwangsläufig für eine kurze Zeit quer zu den Wellen. Ansonsten kommen sie eben von vorn, sehr angenehm, oder von hinten, nicht ganz so schön, je nachdem, wie man im Strom liegt.

Geht der Wind über 10 Knoten, hängt alles vom Kräfteverhältnis Wind-Strom ab. Es kann dann schon einigermaßen ungemütlich werden, besonders wenn der Wind eher auf West dreht. Alles über Nordwest bis Nordost kann man ohnehin vollkommen vergessen, wenn der Wind etwas zulegt. Besonders bei ablaufendem Wasser ist ein stärkerer Westwind schlecht, gleiches gilt natürlich auch umgekehrt. Dann wird das Schiff in dem Kräfteverhältnis von Wind und Strom irgendwie herumgedreht und einige spontane 360er sind auch mal ganz drin. Ansonsten ist der Ankerplatz aber durchaus eine Alternative zur Marina Dunkerque, besonders dann, wenn man bei Regen eh unter Deck sitzt.


Und in diesen Variationen verbringen wir insgesamt vier Tage und Nächte vor Anker vor Dunkerque. Davon war die Zeit von Donnerstag- bis Freitagmittag schon recht ungemütlich. Doch als wir am Freitag früh endgültig die Nase voll hatten, war mehr als die Hälfte ja auch schon geschafft. Uns eins müssen wir auch sagen, im Vergleich zu den schlechtesten Stunden vor Dunkerque haben wir schon auf anderen Ankerplätzen viel viel schlechter gelegen.

Sonntag früh geht’s nun weiter, es soll sich wieder ein Ost einstellen. Und der soll sogar für einige Tage anhalten, was uns ermöglicht, einen ordentlichen Schritt nach Westen vorzukommen.

24. – 27.07.2024 Dunkerque (A)
51° 03′ 36,3″ N, 002° 22′ 27,1″ E