Porto Santo I


Unser »Da«sein vor Porto Santo

„Porto Santo Harbour“

„Porto Santo Harbour“

Vor Porto Santo sind wir erst einmal »da«. Wir sind angekommen und alles, was nun noch kommt, hat Zeit und kann ganz in Ruhe kommen. Unser Hauptziel, die Wärme zu erreichen und den nasskalten Norden hinter uns zu lassen, haben wir für dieses Jahr erreicht. Nun ist es egal, wann und wohin wir weitersegeln, denn auch an unser »Da«sein müssen wir uns erst einmal gewöhnen.

Ende Oktober werden wir in jedem Fall noch einmal für einige Wochen nach Hause fliegen. Sicherlich werden wir von den Kanaren fliegen, weil dort die Auswahl preiswerter Flüge einfach größer ist. Von wo wir dann fliegen und wo wir die PINCOYA lassen, wissen wir noch nicht. Und das »Danach« entscheidet sich ohnehin erst dann. Es ist schon schön, einfach nur mal »da« zu sein.


Insgesamt ist vor Porto Santo (noch) nicht wirklich viel los. Neuankömmlinge wie uns gibt es wegen der Wetterlage nur wenige, dennoch ziehen einige weiter. Das Ankerfeld leert sich und wenn im Hafen ein Platz frei wird, dann findet sich immer schnell ein Nachrücker von draußen. Von dem großen Schwung der ARC-Segler ist noch nichts zu sehen, doch die kommen ganz sicher noch. Spätestens auf den Kanaren.

„Da liegen wir...“

„Da liegen wir…“

Nach den Starkwindtagen, die ja bis Madeira heruntergereicht haben, ist es auf dem Ankerplatz durchaus etwas schaukelig. Doch ehrlich gesagt, nehmen wir das gar nicht so wahr und wundern uns nur, dass die anderen so schaukeln 😂. Nach unserem wilden Ritt erscheint wohl einfach alles ruhiger. Im Grunde genommen haben wir einen prima Ankerplatz erwischt, dennoch würden wir gerne noch etwa 50m weiter vor gehen, um etwas näher an der Mole zu sein und auch um bei Starkwind etwas mehr Kette stecken zu können. Aktuell liegt hinter uns ein kleiner Katamaran, das passt zwar so, doch mit mehr Kette, würden wir ihm zu sehr auf die Pelle rücken. Mal sehen, wann die Ankerer vor uns aufbrechen und wir aufrücken können.

„Nicht wirklich viel los, nur wenige ankern davor.“

„Nicht wirklich viel los, nur wenige ankern davor.“


Die Prozedur des Einklarierens ist sowohl beim GNR als auch im Port Office wieder einmal total einfach und freundlich. Wo wird man schon vom Grenzschutz mit Handschlag begrüßt 🤝. Da könnten sich die Offiziellen so manch einer Nation ruhig mal ein Scheibchen abschneiden. Als wir nach dem Namen unseres letzten Hafen gefragt werden und »A Proba do Caramiñal« sagen, schiebt uns der GNR-Officer die Tastatur seines Rechners hin und sagt: “Please, could you write it?” Dann googelt er A Proba do Caramiñal in Maps und sagt: “Ah, in Galicia, a nice place!” Soviel Zeit muss sein und es fällt uns schwer, uns diese Szene in Deutschland vorzustellen. Nachdem wir dann im Port Office bejaht haben, dass wir schon einmal hier waren, wird in aller Ruhe der Stapel der Anmeldeformulare mit »P« durchsucht. Eine klassische Papierbuchhaltung braucht eben seine Zeit. Die portugiesische Gelassenheit tut gut. Es ist höchste Zeit, mal ein großes Stück unseres deutschen Schnell-Schnell dagegen einzutauschen.

„Ankerplatzstimmung am Abend“

„Ankerplatzstimmung am Abend“

Aber das wird schon, denn spätestens an der Kasse von Pingo Doce ist es mit dem deutschen Schnell-Schnell eh zu Ende. Bemerkt ein Kunde erst an der Kasse, dass er irgendetwas vergessen hat, ist es überhaupt kein Problem, noch einmal zurückzugehen, um es zu holen. Selbstverständlich wartet die Schlange, ohne zu murren. Und ein Schwätzchen mit der Kassiererin ist allmal wichtiger, als seinen Einkauf in die Tüten zu stopfen und mit dem nächsten Kunden weiterzumachen. An der SB-Kasse wird uns geholfen, weil wir weder das Brot, die Brötchen, noch das Obst auf dem Kassenbildschirm finden können. Natürlich bekommen wir dann den Full-Service bis zum Bezahlvorgang und ein nächster Kunde wartet mit seiner Frage geduldig, bis die Dame uns geholfen und sich versichert hat, dass alles ok ist, und uns natürlich einen wunderbaren Urlaub auf der Insel gewünscht hat.

„Unser Badeplatz mit 22 °C Wassertemperatur 👍 😊 🏊‍♀️“

„Unser Badeplatz mit 22 °C Wassertemperatur 👍 😊 🏊‍♀️“

In den nächsten Tagen werden wir uns sicherlich nicht nur einmal noch sagen müssen, »bleib locker, etwas mehr portugiesisch tut gut«, doch hier sind wir schon einmal auf einem guten Weg.


Wiedersehen
Als erstes treffen wir Reinhardt von der 2nd Try 2, denn er ist nach zwei Monaten auf Porto Santo tatsächlich gerade wieder auf dem Sprung. Genau vor zwei Jahren haben wir in Povoa de Varzim nebeneinander gelegen und sozusagen eine Bastelschicksalsgemeinschaft gebildet. Nach einer so langen Zeit gibt es viel zu quatschen.

„Reinhardt, wie immer unvergleichlich 🙂“

„Reinhardt, wie immer unvergleichlich 🙂“


Am Samstag treffen wir uns mit Christina & Peter von der Timshal. Mit den beiden haben wir 2022/23 Weihnachten und Neujahr auf El Hierro gefeiert. Danach kam unsere große Runde über die Karibik und Irland. Nun sind wir endlich wieder im Süden, und Erlebnisse, die erzählt werden müssen, gibt es auf beiden Seiten genug. Zu uns stößt noch Keith von der Harmonii. Auch er ist im OCC, genauso wie Christina & Peter. So wird aus unserem Wiedersehenstreffen spontan ein kleines, inoffizielles OCC-Meeting. Und mit einer selbstgebastelten 70 wird daraus sogar noch schnell das »Absolute unofficial and spontaneous OCC 70th Anniversary Meeting of Porto Santo«.

„Unser OCC-Meeting ...“

„Unser OCC-Meeting …“


Entspannung und Refit
Doch zu viel Entspannung macht den Schiffsjungen ja dann doch nervös. Bei Licht betrachtet ist ja auch noch genug Zeit, das Ding mit der Gelassenheit etwas später noch einmal richtig zu verinnerlichen 😇. So beschließen wir, – nun ja, also ehrlich gesagt, doch nur der Schiffsjunge ganz allein, – mal unsere Idee zum Refit des Teakdecks auszuprobieren. Zu meiner Entschuldigung muss ich sagen, dass inzwischen schon Sonntag ist und wir uns seit Donnerstag schon total erfolgreich entspannt haben. Unter diesen Umständen kann es schon passieren, dass man vor lauter Entspannung auch mal an etwas anderes denkt als an Entspannung. Denn das Holz sieht wirklich schlimm aus und es hätte etwas Fürsorge wirklich bitter nötig. Es schreit förmlich nach Aufmerksamkeit, sobald der Blick auch nur in seine Nähe kommt. Die Sache duldet wirklich keinen Aufschub mehr, selbst wenn man einer Tiefenentspannung grundsätzlich freudig entgegensieht.

„Marina Porto Santo“

„Marina Porto Santo“

Eine Win-Win-Situation für den Schiffsjungen, anders kann man es nicht sagen, auch wenn die Capitana die Augen verdreht und versucht anzumerken, dass wir ja nun »da« sind und mal einfach nichts tun könnten. Doch so ein »Da«sein braucht eben auch ein gesundes Mittelmaß, denn eine zu abrupte Entspannung kann ja durchaus auch zu neuen Verspannungen führen. Außerdem … vor Monaten hätte diese Erkenntnis noch überhaupt nicht geholfen, denn die Idee, wie wir das Refit wenigstens halbwegs erfolgversprechend angehen könnten, ist uns erst vor Kurzem gekommen. Also wenn nicht jetzt, wann dann?

„Der Bär verrichtet sein Notdurft nun genau dort, wo vor drei Jahren die Giraffe nur herumgestanden hat. Es muss sich um eine der nicht abschätzbaren Auswirkungen der globalen Erwärmung handeln!“

„Der Bär verrichtet sein Notdurft nun genau dort, wo vor drei Jahren die Giraffe nur herumgestanden hat. Es muss sich um eine der nicht abschätzbaren Auswirkungen der globalen Erwärmung handeln!“

Das Teakdeck der PINCOYA ist 30 Jahre alt und das Teak ist schlicht abgelatscht und verwittert. Die Vergussmasse der Fugen steht inzwischen bis zu 2 mm aus dem Holz hervor und nicht wenige Leisten ähneln eher einer Hohlkehle als einem flachen Stab. An vielen Stellen hat sich die Vergussmasse auch schon gelöst und ist rausgerissen. Teilweise sind die verbliebenen Fugen kaum mehr einen Millimeter tief. Ein absolut trauriger Anblick.

„In der Werft liegt der Schwerpunkt nicht nur auf Refit. 🙂“

„In der Werft liegt der Schwerpunkt nicht nur auf Refit. 🙂“

Nun gibt es im Internet die unterschiedlichsten Herangehensweisen, um genau diese Probleme zu beseitigen. Und der Reigen der Lösungen reicht von »richtig teuer«, über »ganz neu« oder »wahnsinnig arbeitsaufwendig« bis hin zu »ziemlich unpraktikabel«. Was am Ende auch der Grund war, warum wir das Refit bisher noch nicht angegangen sind. Natürlich ist ein Teakdeck generell problematisch, wenn man so wie wir auf Langfahrt geht. Das war uns schon klar, als wir die PINCOYA gekauft haben. Wie unproblematisch und einfach zu pflegen ist dagegen ein Kunststoffdeck? Aber die PINCOYA gab es eben nicht ohne Teakdeck, also war dies einer der Kompromisse, den wir schließen mussten. Sicherlich könnten wir das gesamte Teakdeck auch einfach entfernen, doch was heißt »einfach«? Auch damit würden wir uns gleich einen riesigen Berg neuer Arbeiten einhandeln, denn die Laufflächen des gesamten Decks müssten dann komplett neu aufgebaut werden.

D.h., wir mussten einen Weg finden, wie wir unser angegriffenes Teakdeck so aufarbeiten, dass es noch einmal viele Jahre hält, die Arbeit sich aber auch für uns in einem überschaubaren Rahmen hält. Dazu müssen nicht nur die hochstehenden Fugen abgeschnitten werden (Mozartmesser), sondern auch die Teile der Fugen, aus denen die Fugenmasse schon herausgerissen ist, so vertieft werden, dass sie neu und vor allem dauerhaft halbbar wieder vergossen werden können. Einer unserer unverzeihlichsten Fehler der letzten Jahre war, dass wir die hochstehende Fugenmasse nicht sofort abgeschnitten haben. Damit hätten wir uns heute viel Arbeit erspart und es hätte sich deutlich weniger Fugenmasse herausgelöst.

„Hier Refit I“

„Hier Refit I“

Nun ja, irgendwann ist man ja immer schlauer, nur leider meist erst hinterher … 🥺 Und für das Vertiefen der Fugen, der eigentliche Knackpunkte der Renovierung, haben wir uns überlegt, dass zwei Kantenschnitte mit der Fein Vibrationssäge für saubere und vor allen wieder tiefere Nutkanten sorgen müssten. Eine Vibrationssäge ist speziell mit diesem halbrunden Sägeblatt sehr einfach und vor allem auch gerade zu führen. Natürlich bleibt so ein Mittelteil stehen, weil das Sägeblatt ja wesentlich schmaler als die Nut ist. Und diesen Mittelteil nimmt man dann mit einer passenden Stechbeitel raus bzw. knackt ihn mit einem schmalen Schraubenzieher einfach weg. Für die Vibrationssäge braucht man in jedem Fall einen Tiefenanschlag, denn zu tief darf man ja auch nicht kommen.

„Dort Refit II“

„Dort Refit II“

Und genau das probieren wir nun das erste Mal aus. Und wir haben Glück, denn unser Teakdeck ist von 1995, als die Teakdecks noch richtig dick waren. So funktioniert unser Plan tatsächlich recht gut und einfach und das Resultat kann sich sehen lassen. Auch so ist es zwar viel Arbeit, doch die steht in keinem Vergleich zu anderen Herangehensweisen. Natürlich bekommt man auch durch nachträgliches Schleifen nicht alle verwitterungsbedingten Unebenheiten der letzten 30 Jahren weg, aber das Ergebnis kann sich sehen lassen, ist funktional und vor allem mit einen vertretbaren Aufwand erreichbar.

So arbeiten wir uns vor Porto Santo Stück für Stück voran, es ist noch viel zu tun, aber es wird und es wird gut.

33° 03′ 38,4″ N, 016° 19′ 06,5″ W