Nun ankern wir schon zum fünften Mal vor der Isla de la Graciosa. Langweilig wird’s nicht, der Ankerplatz vor dem Playa Francesa ist einer der schönsten auf den Kanaren. Und einer der ruhigsten, dass sollte man dabei auch nicht unterschlagen, denn das Ankern auf den Kanaren ist nichts für Leute, denen es manchmal schon in einer Marina zu schaukelig wird. Auf den Ankerplätzen der Kanaren muss man teilweise schon einiges wegstecken und wenn man das weiß, kann man auch vor der Isla de la Graciosa gleich mal einige Tage länger bleiben.
Die Isla de la Graciosa hat nicht viel zu bieten, was große Touristenströme anlocken könnte. Die Masse sind Tagestouristen, die mal für einen Ausflug rüberkommen. Die Inselhauptstadt Caleta del Sebo ist die einzige Ortschaft auf der Insel, wenn man mal von der Ferienhaussiedlung Pedro Barba im Norden absieht.
Caleta del Sebo hat sich zwar in den letzten Jahren ziemlich rausgeputzt, steht aber zu den Bettenburgen der anderen kanarischen Inseln in einem Gegensatz wie Fedderwardersiel zu Hamburg. Bettenburgen gibt es nicht, alle Ferienbungalows sind eingeschossig und Zweigeschossiges gibt es nur um den Hafen herum. Innerorts wie auch außerorts geht man zu Fuß und wenn es etwas weiter über die unbefestigten Pisten gehen soll, sind e-Mountain-Bikes eine gute Alternative, aber Landrover eigentlich unabdingbar. Die Landschaft steht einer echten Wüste in kaum etwas nach, doch die alten Vulkankegelreste bilden einen farbigen und faszinierenden Blickfang.
In Caleta del Seb gibt es zwei Supermärkte, die einen zwar arm machen, aber vor dem Verhungern bewahren, wenn man mal länger bleibt. Downtown entlang der »Promenade« gibt es natürlich einige Bars und Restaurants.
Doch zwei Nebenstraßen weiter finden sich noch weitere, deutlich ruhigere Tapas-Bars. Die Tagestouristen haben nur eine Stunde in ihrem Ausflugsprogramm zur Isla del la Graciosa, um die Hauptstadt der Insel zu erkunden. Dann geht es mit einem Spaß-Katamaran für 2 1/2 Stunden in die Ankerbucht vor dem Playa Francesa, wo all die Segler auch schon liegen. Ein tägliches und ewiges Spektakel, aber nach 2 1/2 Stunden ist das ja alles schon wieder vorbei.
Nur vor dem Playa Francesa darf man ankern, der Rest ist Naturschutzgebiet. Und eigentlich darf man dort auch nur mit »la permisión« ankern, aber als die eMail-Adresse noch funktionierte, haben wir auch schon keine Antwort erhalten 🧐 und nun bekommt man seine eMail postwendend zurück, weil die eMail-Adresse, die auf der WebPage steht, offensichtlich unbekannt verzogen ist 😂. Doch nun ja, so groß ist der Andrang der Segler nun auch wieder nicht, für die allermeisten ist die Isla Graciosa eh nur ein Zwischenstopp auf dem Weg auf die »richtigen Kanaren«.
Doch uns gefällt diese Ankerbucht und weil sie eine der ruhigsten Buchten auf den Kanaren ist, bleiben wir auch gleich mal eine Woche. Gleich nebenan liegt der Montaña Amarilla mit seiner markant gelben Seite und hinter dem weißen Sandstrand des Playa Francesa sieht man im Norden zwei weitere alte Vulkankegel, wobei die Flanke des einen wie ein frisch geharkter Zen-Garten aussieht.
Bei unserem ersten Besuch dachten wir erst, dass diese Muster künstlich angelegt worden sein mussten, aber es ist alles Natur. Eine wunderbare und absolut karge Natur. Das Wasser ist glasklar, türkis und vor allem warm. Jeden Tag trocknen wir uns nach einem Schwimmerchen in der Sonne. Doch in diesem Jahr ist die Sonne nicht ganz so großzügig wie bei unseren letzten Besuchen. Oft ist es diesig und feucht und im Handumdrehen bilden sich Wolken über den Inseln. Machmal so dicht, dass sie von Lanzarote herunterrutschen und als Seenebel auf dem Atlantik landen.
Doch wenn sich im Süden die bräunlich schimmernden Vulkankegel Lanzarotes ganz allmählich und pastellartig abgestuft in einer dunstigen Farblosigkeit verlieren, dann kann man es zu einem Sundowner kaum schöner treffen.
Und eigentlich könnten das alle hier auch ziemlich unbeschwert genießen, wenn nicht einige wenige nur bei sich wären. Etwas Abstand sorgt ja nicht nur für etwas mehr Sicherheit beim Ankern, sondern respektiert ja durchaus auch die Privatsphäre der anderen.
Als wir ankommen, ist es recht voll. In den ersten Tagen zählen wir bis zu 22 Segler. Doch solch ein Andrang hängt immer auch sehr stark von dem »Anfahrtswetter« ab und verläuft sich auch schnell wieder. Schon nach 2 Tagen ist die Bucht fast schon wieder »leer«. Nur noch sieben sind geblieben. Doch auch wenn nun hunderte von Metern Platz ist, der Ankermagnetismus zieht Neuankömmlinge unaufhaltsam an die Seite derer, die schon da sind. Es ist wohl ein Naturgesetz, dass Ankern zwangsläufig zu einer Haufenbildung führt, egal, wieviel Platz in einer Bucht ist.
Etwas ärgerlich ist ein deutscher Kojenvercharterer unter polnischer Flagge, der sich auf seiner WebPage größter Erfahrung rühmt und auch Ausbildung anbietet. Beim ersten Mal kuschelt er sich mit seiner 56er auf 20m an uns heran, ist aber wohl vor seinen Gästen zu stolz, einen neuen Versuch zu unternehmen. Nun haben wir bei einer Wassertiefe von rund 10 m gut 35 m Kette gesteckt und extra eine Ankerboje, damit diejenigen, die den Geometrieunterricht in der Schule versäumt haben, trotzdem erahnen können, wo unser Anker nun liegt. Doch selbst dieser Wink mit dem Zaunpfahl verhallt in den Erkenntnistiefen eines echten Profis rückstandslos. Nun ja, damit kann man aber durchaus zwei Tage leben, solange der Wind nicht dreht und es nicht auffrischt. Doch leider kommt er nach dem Wochenende und einem Crew-Wechsel wieder und veranstaltet denselben Blödsinn exakt noch einmal. Inzwischen liegen aber nur noch sechs Boote in der Bucht, und neben uns tut sich über zweihundert Meter eine gähnende Leere auf. Doch er schafft es wieder nicht, wenigstens eine Kettenlänge Abstand zu halten. Es ist schon erstaunlich, wie zufallsgeleitet so manch ein Profi-Skipper durch sein Segelleben stolpert. Aber wenigstens sein Selbstbild passt, denn seine Crew lauscht ergeben seinen Heldentaten.
Noch enger schafft es nur ein Franzose, dessen Anker nicht hält, und kurz nach ihm noch ein Brite. Der Brite bemerkt etwa 5 m neben uns, dass sein Boot wohl wie von Zauberhand vertrieben wird, je mehr Kette er rauslässt und ums Verrecken nicht dort liegen bleib will, wo er doch gerade so zielsicher seinen Anker geworfen hat. Immerhin erkennt er noch weitgehend selbst, dass sein Manöver wohl doch eher semi-optimal ist und versucht es 100m weiter vorn noch einmal. Das ist ja auch schon mal was, echte Profi-Skipper sind mit solch einer Erkenntnisfülle ja meist nicht gesegnet, was wohl daran liegt, dass sie das Mantra eines echten Salzbuckels in sich tragen und ganz fest an sich selbst glauben.
Reinhardt mit seiner 2nd Try 2 liegt etwa 50 m neben uns. Anfangs fanden wir es noch ganz lustig, direkt nebeneinander zu liegen, aber da haben wir die Rechnung ohne die Franzosen gemacht, denn zwei passen da immer noch zwischen. Zusammen, also mit Reinhardt und nicht mit den Franzosen, unternehmen wir zwei Ausflüge in die Hauptstadt und genießen das »vibrant city life« zum Après-Shopping in einer der hinteren Tapas-Bars. Ein willkommenes Topping zu dem Brotkauf in der einzigen Bäckerei der Insel.
Ansonsten vergeht unsere Zeit mit allerlei Planung, kleinen Reparaturen, Anpassungen und natürlich Optimierungen. Immer noch liegt diverser Kleinkram dazu in unserer Ersatzteil-, Anschaffungs- und Umbaukiste und wartet auf seinen Einsatz.
Mit dem Umbau unserer Beleuchtung hinken wir allerdings trotz der immer früher hereinbrechenden Dämmerung etwas hinterher und zu allem Überfluss haben wir auch noch einiges vergessen. Auf dem Rückflug müssen wir einen 20kg Trolley dazubuchen 😳, inzwischen hat sich zuhause schon wieder einiges angesammelt, was mit möchte.
Doch auch mit unserer Planung geht’s voran, auch wenn wir noch nicht konkret entschieden haben, ob es im Dezember nun noch einmal rüber gehen soll oder auch nicht. In jedem Fall werden unsere Pläne konkreter, aber auch ruhiger. Denn wenn ja, werden wir ein bisheriges Planungsjahr auf zwei aufteilen. Wir haben uns verordnet, ruhiger und langsamer zu werden, die letzten 1 1/2 Jahre waren unglaublich, doch so unglaublich muss es nun auch nicht weitergehen.
So verfliegen die Tage vor der Isla Graciosa. Für den 16ten haben wir einen Rückflug von Fuerteventura. Reinhardt fährt am Montag weiter, wir folgen ihm am Dienstag in der Hoffnung auf Parasailor-Wetter. Doch am Montagabend sieht es gar nicht danach aus. Dafür macht uns eine dicke Wolkendecke den Abschied nicht schwer.
Playa Francesa, Isla Graciosa (E)
29° 13′ 06,8″ N, 013° 31′ 48,2″ W