La Gomera, Canaries (E) -> Ziel: Barbados (Carib)
bisher: 413,7 sm – to go: 2.412,8 sm – Gesamtdistanz 2024/25: 471,2 sm
Tag 1, Freitag 27.12.
Um 13:00 rattert unsere Ankerkette. Es geht los. Vor uns liegen 2.800 sm. Das sind gute 23 Tage Atlantik, wenn wir einen Schnitt von 5 sm segeln. Wir sind merkwürdig unaufgeregt.
Das Wetter ist traumhaft, nur haben wir kaum Wind. Das ganze Drucksystem ist erst dabei sich zu drehen und in der Abdeckung von La Gomera gibt es sowieso schon mal gar keinen Wind.
So brummen wir erst einmal im Süden um La Gomera herum, um in der Düse zwischen La Gomera und El Hierro den ersten Nordost zu erwischen. Das klappt auch recht gut und schon bald segeln wir, nicht schnell, aber immerhin.
Da wir noch etwas Netz haben, sehen wir in Vesselfinder, dass mit uns etwa 20 Yachten in Richtung Süden aufgebrochen sind. Doch das Feld ist riesig auseinander gezogen. Auf unserem AIS sehen wir keinen einzigen und daran wird sich auch bis zum Ende dieses Blogs nichts ändern.
Kurz vor Sonnenuntergang segeln wir ganz leise durch eine große Gruppe wohl schlafender Pilotwale. Nur einige schwimmen etwas aktiver herum, der Rest scheint sich auszuruhen. Ganz langsam und ruhig schwimmen sie dahin, kommen für Minuten an die Wasseroberfläche, blasen und tauchen ebenso langsam wieder ab. Es mögen 15 oder 20 sein.
Kurz nach Sonnenuntergang verlässt uns die kanarische Düse. Nun wird es zäh, der Wind reicht kaum, um zu segeln. Doch Motoren ist auch keine Alternative, wenn noch 2.760 sm vor einem liegen. Klar kann man argumentieren, dass man ja unter Motor nur aus dem Schwachwindgebiet fahren will, doch wie oft wird dieses Argument in den nächsten 23 Tagen noch passen? Abgesehen davon sind wir zum Segeln aufgebrochen und mit 7 bis 8 kn Wind segelt es eben auch noch. Nicht schnell, aber wir segeln. Etwas nervig sind die schlagenden Segel, denn die Wellen passen nicht zu dem wenigen Wind. Und so geht es etwas lärmend durch die erste Nacht.
Um 23:59 loggen wir schon mal 53,3 sm. 2.749,9 sm to go.
Tag 2, Samstag 28.12.
Gleich morgens setzen wir den Parasailor. Wirklich auffrischen soll es erst zum späteren Nachmittag. In dem schwachen Wind gelingt es uns nur mäßig, den Parasailor mal ruhig und vernünftig zum Stehen zu bringen. Unsere dicke Erna rollt mächtig in den Wellen, die so immer noch nicht zu dem Wind passen. Immer wieder schleudert es den Parasailor aus dem Takt. Bei knapp 10 kn Wind können wir ihn nicht so flach trimmen, dass er das Geschlacker besser wegsteckt. Nur langsam schwingt sich das Ganze ein und das auch nur, weil der Wind auf 10 bis 12 Knoten zunimmt. Der Atlantik südlich der Kanaren ist noch ziemlich wirr und durcheinander. Entspannt ist das alles noch nicht. Doch das wird sich hoffentlich noch ändern, wenn wir wirklich weiter draußen sind.
Dennoch geht unser zweiter Tag ziemlich unaufgeregt vorüber. Um 15:00 nehmen wir den Parasailor wieder runter. Der Wind legt peu á peu zu. 14 kn mit steigender Tendenz. Angekündigt sind 16 bis 18 Knoten, da können wir auch prima nur mit Groß vor dem Wind segeln. Das Groß ist auf kräftigen Vorwindkursen tatsächlich unsere Lieblingsbeseglung. Schon ab 15 Knoten fährt unsere dicke Erna damit vor dem Wind recht ordentlich und vor allem absolut ruhig, problemlos und unaufgeregt. Und wenn es mehr wird, können wir prima herunterreffen, ohne viel Vortrieb zu verlieren. Andere segeln auf solchen Kursen eigentlich nur mit Genua. Doch durch das ständige Rollen, das so ein Vorwindkurs ja zwangsläufig mit sich bringt, schlackert wenigstens unsere Genua auf diesen Kursen ständig herum. Alle paar Minuten knallt sie dann mit voller Wucht in die Schoten und jeder Ruck zittert sich durch das ganze Schiff. Wenigstens für uns ist das eine vollkommen ungeeignete Besegelung für Langschläge, denn irgendwann müssen wir ja auch mal schlafen. Ganz abgesehen von der Nerverei. Und wir haben auch schlicht etwas Angst um unsere Genua. So etwas hält kein Segeltuch auf Dauer aus und unsere Genua muss noch etwas halten.
Dagegen sind unsere Vorwindkurse nur mit Groß ebenso einfach wie ruhig. Und wenn es vor dem Wind wieder zu wenig für nur das Groß ist, dann nehmen wir eben den Parasailor hinzu oder auch mal allein. Doch meistens sind wir zu faul, das Groß herunterzunehmen und ziehen es für den Parasailor einfach nur mittschiffs.
Doch nun beginnt es erst einmal nur mit Groß zu laufen und noch ahnen wir nicht, dass dies unsere Standardbeseglung für die nächsten Tage bleiben wird und wir sogar noch einreffen müssen.
Um 17:30 wird es unerwartet unruhig. Wie als Weckruf klatschen einige Brecher seitlich ins uns hinein. Was ist nun los? Am Wind hat sich nichts geändert. Ein Blick in die Seekarte zeigt, dass wir gerade einen Unterwasserberg passieren, der sich gut 2.700 m über dem Meeresboden erhebt, aber immerhin noch 800m unter uns bleibt. Den hatten wir zwar gesehen, aber nicht erwartet, dass er für so viel Unruhe sorgt. Der Wind liegt bei 15 bis 18 kn, in Böen etwas mehr. Die Windwellen haben im Mittel knapp 2 m und die generelle Strömung setzt mit fast einem Knoten nach Süden. Das alles zusammen macht wohl diesen Alarm. 60 sm voraus liegt noch so ein Berg. Diesmal aber ein echter Brocken. Ein unterseeischer Fast-4000der. Die Gipfelkreuze seiner beiden Zinnen stehen nur 150 m unter der Wasseroberfläche. Nach dieser ersten Erfahrung werden wir den Burschen mal großzügig umfahren. Was sicher auch gut ist, denn der Wind nimmt weiter zu.
Um 23:59 loggen wir unser 1. echtes Etmal mit 124,0 sm. 2.632,4 sm to go.
Tag 3, Sonntag 29.12.
Die letzten Stunden der Nacht sind zwar nicht richtig kalt, aber doch schon recht kühl. Immer noch jagen wir mit 6 bis 7 Knoten durch die Nacht. Wenn es eine Welle runtergeht, sehen wir auch mal eine große 8. Dann geht das Rauschen in ein Zischen über und endet in einem dumpfen Grollen der sich brechenden Welle am Rumpf. Seit gestern Abend geht das schon so. Der Wind liegt bei 17 bis 23 kn und unsere dicke Erna rennt. Den Schlenker, den wir um das Unterwassergebirge gemacht haben, sieht man auf unseren Track deutlich.
Ab und an drücken uns große Wellen etwas aus dem Ruder. Die laufen von Luv achterlich ein und zusammen mit einer Bö legt es uns dann ordentlich auf die Seite. Ansonsten läuft’s. Die Windsteuerung steht auf 165°, das sollte uns vor einer Patenthalse bewahren, selbst wenn uns mal eine große Welle ganz blöd herumdrückt.
Mal sehen, was das neue Wetter heute Vormittag sagt. Wenn man dem alten glaubt, geht das noch 48 Stunden so weiter. Vielleicht sollten wir etwas einreffen, doch erst mal sehen, wie es um uns herum so aussieht, wenn die Sonne die ganze Szenerie wieder etwas beleuchtet. So eine stockfinstere Neumondnacht hat ja schon auch etwas Beruhigendes. Man sieht den ganzen Schlamassel um einen herum nicht so. Wenn man tagsüber ständig sieht, wie die großen Wellen anlaufen, dann ist das teilweise schon recht respekteinflößend.
Doch insgesamt lässt sich unsere dicke Erna nicht aus der Ruhe bringen. Dennoch halten wir die Türen geschlossen. Kurz nach uns kam nämlich in La Palma eine Amel rein, die auf dem Weg zu den Kanaren einen Knockdown erlitten hatte. Nun ist so eine Super Marabu kein kleines Schiff und deswegen hat wohl auch niemand wirklich damit gerechnet, weswegen der Niedergang auch nicht geschlossen war. Durch den offenen Niedergang hat die Amel richtig viel Wasser genommen und die Schäden an der Reling und der Verlust des Radardoms sind dagegen eher unschöner Kleinkram. Das hat bei uns dann schon für etwas mehr Vorsicht gesorgt, auch wenn bisher aufgrund unseres Vorwindkurses unser Cockpit absolut trocken geblieben ist. Unsere Türen halten wir trotzdem geschlossen und morgens auch die Luke wegen der Kälte. Es ist wieder einmal ein unendlicher Segen, dass wir nicht draußen im Cockpit sitzen müssen, sondern es uns im Decksalon gemütlich machen können.
Das neue Wetter ist ernüchternd. Das Tief im Westen von uns ist riesig. Es reicht westlich von Cabo Verde weit nach Süden herunter. Das bedeutet für uns zwei Dinge. Erstens werden wir noch länger mit einen Wind um die 20 Knoten plus zu tun haben, der zudem langsam auf Ost dreht. Und zweitens müssen wir möglichst dicht im Westen an Cabo Verde vorbei und noch etwas weiter südlich, um dem Südwind des Tief auf seiner Ostseite und dem Schwachwindgebiet im Übergang zu den östlichen Tradewinds zu entgehen. Je schneller wir sind, desto besser, denn so zögern wir die Ostdrehung des Windes bei uns hinaus. Nur gut, dass wir schon Freitag aufgebrochen sind und nicht erst Samstag, was wir zwischendurch auch schon überlegt hatten. Und der »Vorsprung«, den wir durch La Gomera gewonnen haben, passt nun auch richtig gut.
Den Tag über liegt der Wind knapp unter 20 kn, doch die Ostdrehung erwischt uns schon früher. Um nicht richtig durchgeschleudert zu werden, bleiben wir auf unserem Vorwindkurs. Die Wellen zeigen uns unmissverständlich, dass es richtig ungemütlich wird, wenn wir bei diesem Wind höher rangehen. Dadurch machen wir aber zu viel West, das müssen wir dann ausgleichen, wenn der Wind etwas schwächer geworden ist und vor allem auch die Wellen wieder freundlicher geworden sind. Jetzt zumindest geht es erst einmal nicht viel anders.
Um 20:30, kurz nach Beginn meiner ersten Wache, muss ich Astrid wecken. Der Wind hat zugelegt, man kann es ihm nicht verdenken, das war vorhergesagt. Dennoch hatten wir gehofft, schnell genug zu sein, um vor dem stärkeren Wind wegzukommen. Eigentlich lief es tagsüber auch ziemlich gut, aber es hat eben nicht gereicht. Nun kommt der Wind nicht mehr unter 20 kn und die Wellen machen bei dem Theater auch gleich bereitwillig mit. Wir reffen das Groß ein und so geht es in eine recht unruhige Nacht. Der Wind liegt bei 22 Knoten mit Böen knapp unter 30. Das hätte nun wirklich nicht sein müssen.
Um 23:59 loggen wir unser 2. Etmal mit 157,0 sm. Ein neuer Rekord! 2.492,2 sm to go.
Ein Etmal von 157 sm hatten wir noch nie. Wir haben unseren Rekord aus dem Herbst um eine Seemeile getoppt. 🙂
Tag 4, Montag 30.12.
Auch am Morgen geht es so weiter. Unseren Kurs südwestlich von Cabo Verde stecken wir neu ab. Der fällt nun westlicher aus, als wir es eigentlich vorhatten. Doch es ist eh noch nicht Zeit, um etwas höher an den Wind zu gehen. Das wird erst ab dem Nachmittag möglich sein, dann sollten Wind und Wellen etwas abnehmen.
Und in dem Moment, als ich diese Zeilen schreibe, bricht ein Brecher seitlich gegen die Scheiben des Decksalon und läuft auf der anderen Seite wieder herunten. Die Scheiben haben gehalten! Auch solche Schläge bringen unsere dicke Erna nicht aus der Fassung, doch nun wurde auch mal das Cockpit gespült. Der Wind liegt nun bei 25 Knoten, davon, dass er abnehmen sollte, ist noch nichts zu merken.
Das Schreiben dieses ersten Blogs ist mir wirklich schwergefallen. Obwohl uns beide noch nicht einmal der kleinste Anflug von Seekrankheit erwischt hat, ist es anstrengend, so ruppig bei 6 Beaufort über den Atlantik geschleudert zu werden. Es ist einfach anstrengend, bei 6 bis 7 Knoten Fahrt nicht mal einen Moment Ruhe zu haben. Das schaukelt die Birne definitiv matschig und macht wenig Lust, irgendwie in der Sitzecke verkeilt, am Notebook Blogs zu schreiben. Aber nun ist erst einmal der erste fertig, wenn auch in Teilen vielleicht etwas krude formuliert. Doch mehr gibt mein Kopf gerade nicht her.
Astrid gießt gerade einen Tee auf, was schon eher ein zirkusreifer Balanceakt ist. Und mit dem kochenden Wasser auch nicht ganz ungefährlich.
Unsere Position am 30. Dezember 12:00
23° 59′ 33.293″ N, 022° 54′ 19.187″ W