Tobago II und die Englishman’s Bay


Irgendwie fühlt sich unser Tobago-Aufenthalt bisher etwas unbefriedigend an. Dass es mal mit den Formalitäten etwas beschwerlich läuft oder auch das Wetter nicht ganz so zu den Wünschen passt, kennen wir ja. Das prickelt dann zwar nicht so richtig, ist aber ok, weil es so eben auch mal sein kann.

„Vorhersage und Wirklichkeit 🥴 👎“

„Vorhersage und Wirklichkeit 🥴 👎“

Doch da hallt wohl auch noch etwas Barbados nach, das unsere Erwartungen in großen Teilen ja gar nicht erfüllt hat. So etwas legt die Messlatte für das nächste Ziel dann automatisch etwas höher. Das ist zwar ungerecht, aber wohl nur allzu menschlich. Schließlich wünscht man sich ja, dass seine Erwartungen auch erfüllt werden. Und wie lange sprießen unsere Erwartungen nun schon? 2024 war ja wirklich ein Jahr, in dem es jede Menge Dünger für das Wachstum unserer Erwartungen gab. Da hat sich einiges auf die Karibik fokussiert.

So muss nach einer Woche vor Charlotteville irgendetwas passieren. Doch das ist auf Tobago gar nicht so einfach. Denn selbst, wenn man mal all die administrativen Einschränkungen vollkommen außer Acht lässt, ist es gar nicht so einfach, auf Tobago mal locker ums Eck zu segeln. Ständig bläst es nicht zu knapp irgendwie um Ost und der Guiana-Strom setzt munter mit bis zu 3,5 kn um das nordöstliche Ende Tobagos. Schaut man in die Seekarte, findet man dort all diese hässlichen Symbole, die speziell in Irland und Schottland für viel Freude bei Seglern sorgen. Lustige Overfalls, Eddis und all den anderen Schweinkram, der nicht zum Kaffeesegeln passt. D.h., es geht meist nur gut in die eine Richtung, aber nicht mehr ganz so elegant zurück. Manchmal sind auch beide Richtungen eher schwierig, aber dafür gibt es ja den Wunsch, dass etwas passieren muss, der die Tatsachen dann viel schöner erscheinen lässt, als sie am Ende dann sind.

So beschließen wir, in die Englishman’s Bay zu segeln. Eigentlich wollte der Schiffsjunge gerne auf die Südostseite Tobagos nach Speyside, doch so weit reicht dann doch gerade noch der seglerische Sachverstand, um lieber die Englishman’s Bay als Ziel zu wählen.


Englishman’s Bay, Tobago

„Auf geht's in die Englishman's Bay“

„Auf geht's in die Englishman's Bay“

Es sind hübsche 9 Segelmeilen bis in die Englishman’s Bay. Wind und Strom sind mit uns. So könnte es eigentlich immer sein. Auf dem Weg dorthin können wir einen Blick in die Bloody Bay und die Parlatuvier Bay werfen. Beides ausgewiesene Ankerbuchten. In der einen liegt der Holländer und in der anderen der Ire. Beide waren mit uns auch auf dem BBQ. Schon mit dem Fernglas sehen wir, dass beide wie irre rollen. Gemütlich sieht das nicht aus. Nur gut, dass das in der Englishman’s Bay sicher nicht so sein wird 🥳👍.

„Die Sisters ...“

„Die Sisters …“

„Die Englishman's Bay voraus ...“

„Die Englishman's Bay voraus …“

„Tobagos Küste“

„Tobagos Küste“

„Unser Dinghy folgt uns mal schneller und mal langsamer“

„Unser Dinghy folgt uns mal schneller und mal langsamer“

„Einfahrt zur Englishman's Bay“

„Einfahrt zur Englishman's Bay“

Die Englishman’s Bay soll die schönste und ruhigste Ankerbucht im nordöstlichen Tobago sein, wenn man mal von der Man-of-War-Bay vor Charlotteville absieht. Und schön ist sie wirklich, denn malerisch säumen Palmen den hellen Sandstrand, an dem sich eindrucksvoll und weiß schäumend die Wellen brechen.

„Das ist schon mal ordentlich karibisch!“

„Das ist schon mal ordentlich karibisch!“

Ein tolles Bild und wir überlegen schaukelnd, wie und wo wir denn mit dem Dinghy an dem Strand anlanden könnten. Natürlich schafft es der Schwell um den kleinen Felsvorsprung auch in die Englishman’s Bay ganz locker. Einen ruhigen Ankerplatz bekommt man hier nur an außergewöhnlich ruhigen Tagen. Und die muss es wohl tatsächlich ab und zu mal geben, wenn man den Rezensionen in Noforeignland glaubt.

Im Angesicht der Brandung ist sofort klar, dass wir unseren Landungsversuch ohne Außenborder unternehmen werden. Nur paddelnd, denn die alt bewährte Raftingtechnik verspricht noch die größten Erfolgsaussichten und hat das geringste Schadenspotential. Schließlich wollen wir den neuen Honda ja nicht gleich schon wieder tunken. Also verstauen wir alles in unseren wasserdichten Rucksäcken und binden sie auch noch gleich am Gummiboot fest. Sollten wir in der Brandung einen Salto drehen, haben wir alles zusammen und müssen nicht auch noch die Reste einzeln aus den Wellen fischen. Auch wir können nämlich durchaus dazulernen 👍. Und natürlich paddeln wir in Badeklamotten, und T-Shirt und Hose kommen in die wasserdichten Rucksäcke.


Also los. Es geht problemlos bis kurz vor den Strand. Nur die letzten 15 m sind entscheidend. Nun erst mal die Räder am Gummiboot runter. Dann warten wir ab. Auf einer günstigen Welle, der nun eigentlich kein Brecher mehr folgen sollte, geben wir Gas. Mit etwas Erfahrung kann man das sehen, wir brauchen aber immer noch eine Portion Glück dazu, weil unsere Erfahrung uns manchmal doch noch anschwindelt. Fünf, sechs, sieben harte Paddelschläge, es scheint zu passen, gleich sind wir da. Etwas voreilig springt die Capitana siegessicher aus dem Gummiboot und verschwindet bis zum Kinn im Wasser. Upps, das war wohl doch etwas vorschnell. Noch zwei Paddelschläge während die Capitana schiebt. Der Schiffsjunge bekommt nur eine nasse Badehose und in der auslaufenden Welle ziehen wir unser Gummiboot auf den Rädern den Strand hoch. Natürlich nicht unbeobachtet, wir haben ein aufmerksames Publikum, gut zwanzig touristische Bleichgesichter sind dankbar für die Abwechslung. Und ja, das war schon mal spitze und der Capitana war eh schon den ganzen Tag etwas zu warm.

„Angelandet 🙂 👍“

„Angelandet 🙂 👍“


Der Strand ist toll, die ganze Bucht hat etwas Katalogkaribisches. Und mitten in der Bucht schaukelt die PINCOYA. Wir sind die einzigen Segler, aber vor einigen Tagen soll schon mal einer hier gewesen sein.

„Sieht ruhig aus, gelle?“

„Sieht ruhig aus, gelle?“

„Der Strand ist in der Tat der karibische Oberhammer.“

„Der Strand ist in der Tat der karibische Oberhammer.“

Für uns ist heute nur Strandtag, aber morgen wollen wir eine kleine Wanderung nach Norden zu den Wasserfällen an der Parlatuvier Bay machen. Es ist schön, unter den Palmen am Strand zu sitzen. Wir laufen einmal hin und zurück, so richtig groß ist die Bucht ja nicht. Kurz bevor das kleine Restaurant schließt, kaufen wir uns noch schnell zwei Bier. Damit setzen wir uns an den Strand und beobachten die Wellen.

„Es wurden bisher mehr Menschen von Kokosnüssen erschlagen als von Haien gefressen. Also Vorsicht!“

„Es wurden bisher mehr Menschen von Kokosnüssen erschlagen als von Haien gefressen. Also Vorsicht!“

Der Rückweg ist ja noch offen. Schweigend entwickelt die Capitana eine Rückwegstrategie, die offensichtlich auf einer statistischen Auswertung der Brecher basiert. Und genau in dem Moment, als sie sagt: »Wir müssen genau hier starten!« bricht sich genau dort eine besonders hohe Welle und schafft es fast bis zu unseren Füßen. Nun gut, es gibt sicher bessere und schlechter Stellen, um mit einem Gummiboot wieder in See zu stechen, aber es gibt eben auch bessere und schlechtere Momente 😂. Der Mix macht es und etwas Glück darf auch ruhig dabei sein.

Dann kommt der Rückweg, morgen muss das Ganze ja noch einmal klappen. Drei vier Wellen lassen wir auslaufen. Dann ziehen wir das Gummiboot beherzt auf eine große ablaufende Welle und los geht die Fahrt. Umentscheiden geht nicht mehr, der Point of no return sitzt bei solchen Manövern quasi mit im Gummiboot. In der ablaufenden Welle wirbelt Sand auf und wir springen mit Schwung ins Gummiboot. Ganz langsam erhebt sich vor uns schon die nächste Welle. Och, nö, das hätte jetzt nun wirklich nicht sein müssen. Mit harten, langgezogenen Paddelschlägen nehmen wir Fahrt auf, die Räder sind allerdings noch unten, sonst würden wir sicher in Gleitfahrt kommen. So entkommen wir nur knapp der neuen Welle, die sich kurz hinter uns bricht, während sich vor uns schon die nächste bereit macht. Also weiter paddeln. So nehmen wir auch den zweiten Berg. Geschafft! Nun schnell die Räder hoch, um Fahrt aufzunehmen. Das Rauschen der brechenden Wellen hinter uns übertönt das Raunen unserer Zuschauer am Strand. Oder war das jetzt nur Einbildung? 😂

Zurück auf der PINCOYA gibt es auf diese Heldentat erst einmal einen Rumpunch, gleich morgen machen wir das noch einmal.

„Die Farben des Sundowners passen zum Rumpunch. Perfekt!“

„Die Farben des Sundowners passen zum Rumpunch. Perfekt!“


Nicht ganz ungestört zu den Wasserfällen der Parlatuvier Bay
Auch am nächsten Tag gelingt uns wieder ein recht elegantes Landungsmanöver. Doch etwas Nervenkitzel ist immer dabei. Wie langweilig ist da ein normales Dinghy Dock 🙃.

„Auf zu den Wasserfällen der Parlatuvier Bay.“

„Auf zu den Wasserfällen der Parlatuvier Bay.“

Da es keine wirklichen Wanderwege auf Tobago gibt, geht es entlang der North Side Road in Richtung Parlatuvier Bay. Doch selbst von der Landstraße aus ist das üppige Grün des Regenwaldes überwältigend. Besonders krass ist der Bambus, der wirklich alles in den Schatten stellt, was wir bisher an Bambus gesehen haben.

„Bambus gigantus!“

„Bambus gigantus!“

Er wächst in riesigen Büscheln, wobei »Büschel« nun wirklich etwas untertrieben klingt, denn so’n Büschel nimmt nicht selten eine Grundfläche von 5 x 5m ein. Einzelne Bambusrohre sind dicker als die Arme des Schiffsjungen und ragen bis zu 10m in die Höhe. Das sind schier unglaubliche Ausmaße. Im Wind bewegen sich die Bambusrohre und schlagen klackend aneinander.

„Ist schon ganz schön beeindruckend und ziemlich grün hier...“

„Ist schon ganz schön beeindruckend und ziemlich grün hier…“

„Der Tobagoer Regenwald.“

„Der Tobagoer Regenwald.“

„The long walk ...“

„The long walk …“

Der Weg über die Landstraße ist nicht besonders attraktiv, aber ab und zu kommen einige Häuser oder es gibt mal den ein oder anderen Ausblick. Auf halbem Weg brummt Astrids Telefon. Die Immigration! 😳 Am Mittwochvormittag haben wir für Freitag einen Termin verabredet und nun geht das alles schon wieder nicht mehr. Am Samstag würde es wieder gehen, aber nur mit Extra-Money und ob dann auch Customs da ist, ist nicht ganz klar. Ja, und Montag geht dann auch wieder und das sogar ohne Extra-Money. 🙄 Wir sind genervt, erst das dreitägige Theater beim Einchecken und nun geht das schon wieder beim Auschecken los. Doch wir geben nicht gleich klein bei, sondern es entspinnt sich ein Chat-Dialog, der uns auf unserem gesamten Ausflug begleitet. So langsam haben wir die Nase echt voll. Gegen Extra-Money geht fast alles, aber Verabredungen zu normalen Öffnungszeiten scheinen unmöglich zu sein, obwohl man dringend dazu angehalten wird. Abgesehen davon sitzt uns das Wetter im Nacken, die Nacht von Sonntag auf Montag ist für die kommende Woche die letzte Nacht, in der wir noch halbwegs gut nach Grenada kommen. Sonst müssten wir noch eine Woche vor Charlotteville bleiben. Das alles werfen wir in die Waagschale des Chats, ohne das es zunächst wirklich fruchtet.

„Die Parlatuvier Bay“

„Die Parlatuvier Bay“

Die Wasserfälle an der Parlatuvier Bay (Plural!) entpuppen sich als einzelner kleiner Wasserfall. Nicht wirklich spektakulär, aber etwas Bewegung tut uns ja auch gut.

„Die Capitana hat die Wasserfälle entdeckt. Da sind sie!“

„Die Capitana hat die Wasserfälle entdeckt. Da sind sie!“

„Der Wasserfall“

„Der Wasserfall“

„Schiffsjunge oben, Capitana unten, Ein Suchbild.“

„Schiffsjunge oben, Capitana unten, Ein Suchbild.“

„Regenwaldwasserfälle“

„Regenwaldwasserfälle“

„Die Parlatuvier Bay“

„Die Parlatuvier Bay“

Und die Parlatuvier Bay ist in der Tat so klein, wie sie uns schon von See aus erschien. Nach tagelanger Windstille auf dem Atlantik kann man dort sicher auch ankern, aber aktuell erscheint das eher ganz schlecht zu sein. Dennoch ist die Bucht schön und wir machen eine Pause am Strand, bevor wir uns chattend auf den Rückweg machen.

Zwischendurch beginnt es zu schütten, was ja an und für sich nicht wirklich verwunderlich ist. Doch der Regen fällt auf die heiße Straße und lässt uns wie in einer finnischen Dampfsauna nach einem Aufguss zurück zu PINCOYA wandern.
Die Chats mit der Immigration reißen nicht ab und wir beschließen, noch gleich heute Abend zurück nach Charlotteville zu fahren, um dort vielleicht morgen vor Ort einfach Nägel mit Köpfen zu machen. Inzwischen sind wir wirklich etwas angepisst. So locker man auch auf Tobago drauf ist, die Formalitäten rauben einem den letzten Nerv.


… und zurück

„Zurück nach Charlotteville“

„Zurück nach Charlotteville“

Und nun ja, was sollen wir sagen. Auf dem Rückweg nach Charlotteville trifft uns der ganze Blödsinn der Formalitäten auf Tobago. Man muss ja dort auschecken, wo man eingecheckt hat. D.h. wir müssen nun gegen den Wind und gegen den Strom zurück. Und Wind und Strom haben wir nicht zu knapp. Es sind nur 8 Seemeilen, aber wir brauchen mehr als zwei Stunden, um unter Motor wie die Blöden gegenan zu bolzen.

„Nicht angenehm, aber unvermeidbar“

„Nicht angenehm, aber unvermeidbar“

Segeln ist unmöglich, außer man kreuzt unzählige Stunden gegen Wind und Strom auf. Das raubt uns dann den Rest unserer Tobago-Begeisterung und lässt uns auf ein schnelles Ende und bessere Erfahrungen auf Grenada hoffen.

„Der Rückweg im Rückblick“

„Der Rückweg im Rückblick“

Mal sehen, was nun morgen am Freitag passiert, der Chat-Kanal ist nach dem letzten Chat, dass wir zurück nach Charlotteville unterwegs sind, verstummt.

Englishman’s Bay, Tobago
11° 17′ 32,3″ N, 060° 40′ 18,3″ W

Pirate Bay, Charlotteville, Tobago
11° 19′ 38,5″ N, 060° 33′ 04,3″ W