Heiligenhafen -> Heiligenhafen Start: 01.05.2015 14:20 Ende: 03.05.2015 13:55 Distanz: 35,0 sm Gesamtdistanz: 35,0 sm
Pünktlich zum Tag der Arbeit ist die ganze Plackerei der kalten Wintermonate vergessen. Mit “sweet sixteen Degrees” und etwas Sonnenschein im Haar klopft die blutjunge Segelsaison zaghaft an und verspricht die beste Segelsaison aller Zeiten zu werden. Unendlich dankbar schnappt sich unser Glaube dieses Versprechen und lässt vor unseren Augen eine skandinavische Karibik mit türkisem Wasser und sonnengebleichten schwedischen Granitschären erscheinen, auf denen einige Elche in hitzeflimmernder Luft stehen.
Jetzt einfach nur losfahren und am besten nicht so schnell zurückkommen.
Überall herrscht Aufbruchsstimmung und jeder Sonnenstrahl befeuert diese Stimmung noch etwas mehr. Der erste Mai ist für deutsche Segler ein magisches Datum. Ein ungeschriebenes Gesetz zerrt auch die unambitionierstesten Segler aus der warmen Stube auf den Steg. Die Werft hat Hochkonjunktur und auf unzähligen Schiffen werden die Masten abgespannt und die Segel angeschlagen. Auf fast jedem zweiten Schiff läuft der Diesel im Langzeitfrühjahrstestbetrieb und das beständige Plätschern des Kühlwassers führt speziell bei Seemännern zu großer Zufriedenheit. Für jeden echten Mann an Bord sind laufende Schiffsmotoren ja ohnehin ein großer Quell unablässiger Freude, aber jetzt, gerade jetzt, zu Beginn einer neuen Segelsaison, scheint dies alles noch einwenig schöner zu sein.
Man trifft sich auf den Stegen, dem Weg zur Dusche oder beim Ausräumen der Autos, aus denen immer neue Dinge für die neue Saison hervorgezaubert werden. Peter beeindruckt uns mit seinem neuen mobilen Angel-Fishfinder-Ankerplatzuntersuch-Echolot inkl. Smartphone App.
Sofort wird das Wunderding im Hafenbecken ausprobiert. Wir sind beeindruckt, auch wenn wir weit und breit keinen Fisch entdecken können. Der bojeartige Schwimmer sendet via WLAN ein schönes Tiefenprofil auf’s Handy. Nur Kerstin ist etwas entsetzt. Sie bekommt einen Schock, als sie das aufgeknäulte Tüddelütütü der Angelschnur an Peters Mobil-Echolot-Angel sieht. Kerstin ist die Einzige von uns, die vom Angeln und der zugehörigen Hardware etwas versteht. Ganz im Gegensatz zu uns Hobby-Anglern und Mobil-Echolotern. So wird Peter erst einmal in das saubere Aufrollen von Angelschnüren eingewiesen, mit diesem Knäul wäre er geteert und gefedern aus jedem deutschen Angelerverein gejagt worden.
Dann geht es los. Alles ist fertig. Wir starten zu unserem ersten Probeschlag.
Vor der Haustür fahren wir noch schnell ein paar Kringel, um den Kompass des Autopiloten zu kalibrieren, dann werden die Segel gesetzt und wir segeln einwenig herum. Aus der Pantry ruft der Mohnkuchen nach etwas mehr Aufmerksamkeit. Den haben wir extra gekauft, um uns das erste Probeankern zu versüßen. Der Anker fällt vor Heiligenhafen neben dem alten Deviationsdalben. Die neue Ankerwinde macht ihren Job super, all die Arbeit hat sich wirklich gelohnt. Jetzt muss sie uns nur noch so lange treu dienen, wie die alte Lewmar.
Und weil es vor Anker so schön ist, bleiben wir einfach über Nacht.
Am nächsten Morgen fahren wir nur kurz auf unseren Liegeplatz, um doch noch etwas einzukaufen. Ich wollte das ja eigentlich schon gestern machen, am ersten Mai, aber der erste Mai ist inzwischen in den Urlaubsgebieten der Ostsee mindestens ebenso heilig, wie der Karfreitag, deswegen hatte der Famila-Markt gestern auch schon wieder geschlossen.
Danach drehen wir eine wunderschöne Segelrunde und treffen uns mit Ute und Peter im Großenbroder Binnensee.
Dort ankern wir im Päckchen. Und weil Ute und Peter noch kein Photo ihrer Ruby Tuesday von oben haben, klettere ich mit 2 Kameras in unseren Mast.
Es ist der letzte Abend für uns gemeinsam, denn in der nächsten Woche werden die beiden in Richtung Nordkap starten. Ute und Peter machen schon genau das, was bisher nur in unseren Köpfen herumspukt. Ganz sehnsüchtig verfolgen wir ihre Reisen und saugen all die Erfahrungen auf, die auf uns noch warten. Als wir so zusammen sitzen und quatschen, bemerken wir, dass die aufmerksame Wasserschutzpolizei aus Heiligenhafen auf uns aufmerksam geworden ist. Ja, wir ankern zwar ganz hinten im Großenbroder Binnensee, noch hinter dem Wasserskigebiet, aber die deutsche Kollisionsverhütungsvorschrift reicht auch bis in diesen Winkel, um die Sicherheit der Schiffahrt zu sichern. Und diese Vorschrift besagt, dass man ein Ankerlicht zu setzen hat, sobald sich die Sonne hinter dem Horizont verdrückt hat. Nicht wie bei den Fliegern, denen für die Beleuchtung ein „Sonnenuntergang plus 30“ spendiert wurde, sondern sofort, denn in der Schiffahrt herrscht Ordnung. Da ist es auch völlig egal, dass man in den nordischen Breiten nach Sonnenuntergang noch das komplette Zeitmagazin inkl. der Kontaktanzeigen lesen kann, ohne sich abzuhetzen. Gesetz ist schließlich Gesetz und das heißt: Sonne weg, dann Licht an. Natürlich sind Peter und ich schuldbewusst und schalten das Ankerlicht unverzüglich an. Wir haben einfach das klammheimliche Verschwinden der Sonne verpennt und uns verquascht. Unser Fehler. Was nun aber als Belehrung seitens des Wasserschutzpolizisten erfolgt, ist schon recht individuell. Wir werden belehrt, dass er es bei einer einfachen, mündlichen Verwarnung belassen könnte. Also frei nach dem Motto: „Moin, ihr habt das Ankerlicht noch nicht an! Klar, ist noch nicht wirklich dunkel, aber macht mal an, ist so Vorschrift. Schöne Saison noch! Tschüß!“ Aber das geht nicht. Dann erklärt uns der Hüter des deutschen Rechts, dass er diese mündliche Verwarnung auch mit einem Bußgeld von 15€ garnieren könnte. …. aber das geht auch nicht! Und dann erklärt er uns, dass er gegen uns ein förmliches Verfahren einleiten muss, weil seine vorgesetzte Dienststelle Zahlen für die Statistik braucht. Ute, Peter, Astrid, Celine und ich schauen uns etwas ungläubig an, aber der Wasserschutzpolizist meint es ernst und erklärt uns den logischen Höhepunkt des deutschen Rechts gleich noch weitere zwei Mal. Doch der gesetzliche Kern dieser Logik bleibt wenigstens uns weiterhin verborgen.
Kaum zurück in Hannover, finden wir schon am Montag den 04.05. den Anhörungsbogen zu dem „förmlichen Verfahren“ in der Post. Wir haben entsprechend Stellung genommen, harren aber noch immer der Dinge, die nun aus unserem Rechtsstaat über uns hereinzubrechen drohen.
Am nächsten Morgen verabschieden wir Ute und Peter. Über unsere Blogs werden wir weiter von einander hören, aber die beiden werden sich in Ecken herumtreiben, wo wir mit unserem Jahresurlaub nicht hinkommen können. Bon voyage!
Lin steuert uns die gesamte Strecke zurück nach Ortmühle. Es ist etwas ruppig geworden, denn der Wind hat aufgefrischt. Kurz vor Heiligenhafen liegen wir Kopf an Kopf mit einer Hanse gleicher Größe. Astrid und ich zuppeln an unseren Segeln und Lin steuert einen saubern Anwindkurs ohne Schnitzer. An Ende sehen wir den Skipper der Hanse verheult an der Schulter seiner Frau. Geht doch!
wieder zurück in Heiligenhafen / Ortmühle
54° 22′ 20,4″ N, 11° 00′ 15,7″ E