riding the wind

Tærø (A) -> Femø (A) Start: 12:15 Ende: 18:10 Distanz: 28,0 sm Gesamtdistanz: 107,0 sm

„von Tærø -> nach Femø“

„von Tærø -> nach Femø“

Bevor der Tag richtig begonnen hat, sind unsere Ankerkollegen schon am Aufbrechen. Gegen 10:00 sind wir allein. Ankerlieger brechen allerdings schon deutlich später auf, als die von der Liegeplatzsorge getriebenen Hafenlieger. In der Regel geht in einem Hafen der Ablegealarm so gegen 6:00 los, wenn die ersten Gehetzten aufbrechen, um in ihrem Zielhafen gerade noch rechtzeitig gegen 13:00 einen neuen Liegeplatz zu ergattern. Die Unruhe springt dann wie ein Lauffeuer von Schiff zu Schiff, bis auch die letzten Aufbruchwilligen um 10:00 den Hafen verlassen haben. Nun schlägt die Stunde der Geduldigen und es werden erst einmal die besten Plätze unter den Zurückgebliebenen aufgeteilt. Aber Eile ist geboten, denn kurz darauf kommen auch schon wieder die ersten Neuankömmlinge. Kurz vor der Hafeneinfahrt werden noch die letzten Gegner auf der Liegeplatzjagd mit Vollgas überholt, damit sich kein anderer den vermeindlich letzten Platz schnappt. So ist eigentlich ein normaler Segeltag spätestens um 15:00 gelaufen, wenn es da nicht immer wieder einige Störenfriede geben würde, die rumtrödeln. Zugegeben, wir sind morgens nicht die Schnellsten, aber wir können irgendwie nicht schneller. Beim Ankern ist das ja nicht so schlimm, aber im Hafen müssen wir darauf achten, dass wir nicht schon wieder von den Neuankömmlingen zugeparkt werden, bevor wir überhaupt mit Frühstück fertig sind.

Heute bin ich allerdings schon sehr früh auf. Das Rippchen macht Zicken, ich weiß nicht mehr, wie ich liegen soll. Sitzen geht aber ganz gut, also setze ich mich schon vor Sonnenaufgang in den Salon und sortiere unsere Bilder am PC. Nach einer Weile wird es im Nordosten langsam heller und nun hat das Rippchen auch mal sein Gutes. Ich bekomme exklusiv und ganz für mich allein einen der tollsten Sonnenaufgänge geschenkt, während Astrid und Lin in ihren Kojen schnarchen.

„Die unendliche Ruhe eines Sonnenaufgangs.“

„Die unendliche Ruhe eines Sonnenaufgangs.“

Sundowner sind ja schon toll und wir genießen jeden auf Neue und machen ein ums andere Mal immer wieder die absolut besten und noch nie dagewesenen Sundowner-Photos und nerven per Chat und Blog alle Daheimgebliebenen. Sundowner strahlen am Ende eines Tages schon sehr viel Gelassenheit aus, aber ein Sunriser stellt mit seiner unendlichen Ruhe in der Frühe einfach alles in den Schatten.

Dann brechen auch wir auf. Nachdem wir uns aus den Flachs wieder herausgefummelt haben, geht es gemächlich zurück in Richtung Vordingborg, also nach Westen. Der Wind treibt zur Zeit ein Ost-West-Spielchen mit uns und da wir ja nicht gegenan segeln wollen, fällt Præstø eben aus und Femø wird unser neues Ziel. Der dänische Wetterdienst hat für 2 Tage einen kräftigen Ost angekündigt. Zur Zeit fehlt dem Ost zwar noch etwas die Kraft, aber das wird wohl schon noch werden.

„Wir zuckeln im nördlichen Fahrwasser den Grønsund nach Westen herunter.“

„Wir zuckeln im nördlichen Fahrwasser den Grønsund nach Westen herunter.“

So zuckeln wir durch das nördliche Fahrwasser in Richtung Westen und da wir keine Lust auf Klappbrücke haben, queren wir wieder die Flachs, um ins südliche Fahrwasser zu kommen. Dort sind die Brücken hoch genug, um einfach darunter durchzufahren.
Wir segeln nur mit Genua vor dem Wind. Das ist nicht schnell, aber gemütlich. Als wir dann so im Cockpit sitzen, durchfährt uns plötzlich ein Gedanke: “Wie bekloppt können wir nur sein?” Vorn liegt der Parasailor und zuckt schon, um endlich hochgezogen zu werden und wir dümpeln hier vor der Genua herum!”
Also zack! Genua weg, alle Schoten für den Parasailor angeschlagen, Vorschiffsluke auf und den Burschen hochgezogen. Nach 15 Minuten steht der Parasailor und zieht uns mit 6 kn durch’s Wasser. Es ist ideales Parasailor-Wetter und unser Kurs ist sozusagen der Parasailor-Idealkurs direkt aus der Werbebroschüre.

„Kurz hinter den Brücken haben wir es auch gemerkt, es ist Parasailor-Wetter!“

„Kurz hinter den Brücken haben wir es auch gemerkt, es ist Parasailor-Wetter!“

Langsam nimmt nun auch der Wind zu. Bei runden 15 Knoten aus Ost fährt unsere dicke Erna 7,5 kn nach West. Wenn sich das nicht sehen lassen kann. Die Bugwelle rauscht um uns herum und die PINCOYA wiegt sich sanft hin und her. Eine traumhafte Rauschefahrt. Als der Wind später beständig mit 5 Beaufort weht, fühlen wir skeptisch immer mal wieder an den Schoten. Da ist schon ein recht ordentlicher Zug drauf, aber der Parasailor ist so gutmütig wie bei 3 Beaufort, deswegen rauschen wir einfach weiter.
Nur kurz haben wir dann doch eine Schrecksekunde, denn wir kennen ja die Zicken von Spis und Blistern. Als wir nicht richtig aufpassen und uns eine Welle von achtern ungünstig herumschiebt und wir nicht schnell genug gegensteuern, schwuppst der Parasailor herum und klappt ein. Die PINCOYA legt sich etwas auf die Seite, dreht aber ihren Hintern wieder in Richtung Wind. Ohne Alarm entfaltet sich der Parasailor wieder und es geht weiter, als ob nichts gewesen wäre. Kein Sonnenschuss, keine Patenthalse, kein krachendes Entfalten des Spis. So rauschen wir einfach weiter nach Femø. Das macht uns etwas mutiger und wir probieren bei diesem Wind mal den Autopiloten aus. Und was soll ich sagen, der steuert viel besser und ganz ohne Aufmerksamkeitsaussetzer so wie ich.

„Das Segeln unter Parasailor macht einfach nur Spass.“

„Das Segeln unter Parasailor macht einfach nur Spass.“

Eigentlich viel zu schnell sind wir schon an der nördlichen Untiefe von Femø. Noch etwas geradeaus und dann bergen wir den Parasailor. Das geht mit dem Bergeschlauch und der riesig wirkenden Tülle auch bei viel Wind völlig problemlos.

Unser Anker fällt nördlich von Femø-Havn. Nicht ideal, weil der Wind etwas auf Südost gedreht hat, aber noch allemal ok. Lin und ich machen mit dem Gummiboot eine kleine Versorgungsfahrt zum Hafenkiosk und kriegen nach 3 Tagen mal wieder Land unter die Füße. Der Hafen ist gerappelt voll, gut dass wir hier vor Anker liegen können und uns diesen Stress im Hafen nicht antun müssen.

„Überfüllter Hafen und Fender-Variationen, wenn die Kinder älter geworden sind.“

„Überfüllter Hafen und Fender-Variationen, wenn die Kinder älter geworden sind.“

Und dann kommen wieder diese Sonnenuntergänge! 😉
Zu spät für ein verstecktes Photo bemerken wir eine Gruppe von Parallelsonnenuntergangsguckern. Am Ufer haben sich 8 mit Klappstühlen bewaffnete Senioren eingefunden und in einer Reihe niedergelassen, um sich auch den Sonnenuntergang anzusehen. Sicherlich ist das passende Sundowner-Getränk auch dabei. So sitzen wir im Cockpit und die Senioren in Reihe am Strand, vereint im Sonnenuntergangfieber. Kurz nachdem die Sonne hinter dem Horizont verschwunden ist, werden auch die Klappstühle wieder eingeklappt und die Senioren verschwinden im Uferwäldchen.

„Sundowner im Uhrzeigersinn.“

„Sundowner im Uhrzeigersinn.“

östlich von Femø vor Anker
54° 58′ 28.6″ N 11° 30′ 15.5“ E

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Femø (A) -> Lundeborg Start: 11:20 Ende: 17:05 Distanz: 32,6 sm Gesamtdistanz: 139,6 sm

„von Femø -> nach Lundeborg“

„von Femø -> nach Lundeborg“

Als wir morgens dann wieder aufbrechen, es soll nach Lundeborg an der Ostküste von Fyn gehen, weht der Wind immer noch kräftig aus Ostsüdost. Also ziehen wir noch am Ankerplatz den Parasailor hoch, lassen ihn aber natürlich als Wurst erst einmal hängen. Dann Anker auf, vor den Wind gedreht, Bergeschlauch hochgezogen und schon geht die Rauschefahrt von gestern weiter. Fantastisch, wenn der Kurs so stimmen würde. Wir müssen shiften! Bei weniger Wind war das bisher kein Problem. Spibaum ausgehakt, rumgeschwenkt auf die andere Seite und eingehakt. Diesmal geht es nicht so einfach. Auf den Schoten ist richtig “Wumm”, kein Kinderkram, vielleicht nicht ganz das “hohe C”, aber bestimmt der “Kammerton A”. Durch seinen Schirm steigt der Parasailor, dass ist auch gut so und eben eine seiner speziellen Eigenschaften. Aber nun will er mit aller Macht hoch, der Moment ist falsch, jetzt soll er ja gar nicht, an das Aushaken des Spibaums mit Niederholer ist kaum zu denken. Jetzt gerade zerrt der Parasailor am Niederholer mit aller Macht. Als ich es auch mit brutaler Kraft versuche, meldet sich mein Rippchen und ich knicke ein. So’n Scheiß, wir eiern mit 5 Beaufort im 80 qm großen Parasailor definitiv in die falsche Richtung. Südlich von Vejrø geht’s nicht so recht durch, dort ist irgendwie alles nur ein großes Durcheinander von Flachs. Lin kommt nach vorne mir zur Hilfe und Astrid hält hinten die Schoten, wie ein römischer Streitwagenfahrer im Colosseum. Ben Hur hätte andächtig den Atem angehalten. Mit Lin zusammen schaffe ich das Shiften des Spibaums in dem Moment, als der Parasailor etwas unachtsam mal nicht so doll an den Schoten zerrt. Geschafft! Eine richtig gute Aktion war das aber nicht, da müssen wir wohl noch mal etwas üben.

„Tag 2 mit Parasailor über den großen Belt“

„Tag 2 mit Parasailor über den großen Belt“

Nun kriegen wir den Kurs nördlich Vejrø gerade so hin. Dann fallen wir etwas ab und bügeln auf Idealkurs über den großen Belt. So schnell haben wir den Großen Belt noch nie gequert! Zu Astrids Erleichterung benimmt sich die Großschiffahrt auch ordentlich und keiner kommt uns zu nahe. Vielleicht eine Auswirkung von Astrids “bösem Blick”, der doch voodoo-mäßig die Großschiffahrt in die Flucht schlägt.
Lin steuert, die Rauschefahrt lässt das Ruder zittern. Hier im Großen Belt laufen von hinten noch größere Wellen auf als im Smålandfahrwasser und lassen uns teilweise ordentlich schwanken. Zweimal schaukelt mich Lin beinahe von der Cockpitbank, wo ich gerade mal etwas eingenickt bin. An ein Nickerchen ist so nicht zu denken. Also rauschen wir flott in den Nordausgang des Langelandsundes hinein, wo die Rauschefahrt dann viel zu schnell zu Ende ist.

„in Lundeborg“

„in Lundeborg“

Die letzten Meilen nach Süd bis Lundeborg fahren wir unter Genua. Im Südwesten sieht es schon ordentlich schwarz aus. Heute Abend soll eine Gewitterfront von Westen kommen und auch der Wind für einige Stunden auf Südwest drehen. Noch bläst es aber ordentlich aus Ost. Genau in dem Moment, als wir die Genua vor Lundeborg wegdrehen, schläft der Wind ein, um Minuten später aus West zu kommen. Das hat gepasst, Lundeborg empfängt uns mit einem heftigen Gewitter und sintflutartigem Regen, aber als das alles nach einer Stunde beginnt, sind wir schon fest und sitzen im Decksalon.

im Hafen Lundeborg
55° 8′ 18.9“ N 10° 47′ 11.6“ E