nördlich Gedser -> HHafen/Ortmühle Start: 10:30 Ende: 18:00 Wind: ENE 12 – 25 kn Distanz: 38,0 sm Gesamtdistanz: 112,4 sm
Wenn es an den letzten Tag eines langen Wochenendes geht, dann trödeln wir immer noch etwas mehr herum als sonst. Das ist zwar nur ein kläglicher Versuch, das festzuhalten, was eh zerrinnt, aber trotzdem irgendwie unabwendbar.
Der Ostnordost verspricht eine schaukelige Überfahrt vor dem Wind. Mal sehen, ob unsere Mägen für so einen Kurs schon seefest genug sind. Alle Welt glaubt ja, dass wir so seefest sind wie Kaptain Blaubär, aber es dauert immer eine Weile, bis unsere Seebeine wieder gewachsen sind. Und war die Pause zu lang, dann schrumpfen sie auch wieder und müssen erst durch intensive Schaukelei wieder mühsam zum Wachsen angeregt werden. So schaukeln wir bei einem zunächst schwächlichen Ost erst einmal los.
Das Segelleben ist schon irgendwie bekloppt, entweder kommt der Wind genau von dort, wo man gerade hin will, oder genau von hinten. Wieso kann er nicht einfach mal ganz ohne Zicken irgendwie aus 60 bis 165 Grad kommen? Das sind immerhin beidseitig 105 brandneue Windwinkel bester Machart. Zusammen sind das beidseitig sogar 210 Grad, die im Überfluss der Windrose zur Verfügung stehen. Aber nein, der Wind sucht sich immer irgendetwas aus der ungeliebten Restekiste der übergebliebenen, besonders häßlichen Windwinkel aus.
Es passt also alles irgendwie nicht. Um für den Schlag nach Fehmarn wenigstens einen ganz flachen achterlichen Windwinkel zu bekommen, beschließen wir diagonal durch den Windpark zu fahren, um dann einige Grad anluven zu können. Die Fahrt durch den Windpark ist beeindruckend, bringt aber am Ende nichts, weil der Wind uns durchschaut und seine Richtung etwas ändert, um dann wieder genau von hinten, also aus 180 Grad zu kommen.
Also Butterfly mit Bullenstander für’s Groß. Hinter dem Windpark und vor dem Fahrwasser des Kiel-Ostsee-Wegs nimmt der Wind zu, was auch fast zeitgleich höhere Wellen mit sich bringt. Eigentlich läuft es gut. Die PINCOYA geht vor dem Wind mit Butterfly gute 7 kn. Da unser Windanzeiger wieder funktioniert, rechne ich mal kurz. 18 + 7 macht 25. Upps, das ist ja mit dem Wind schon ganz schön üppig geworden. Aber die PINCOYA rennt in Richtung Fehmarn und ich genieße den Moment.
Unbemerkt hat sich Astrid in der Zwischenzeit am Notebook zu schaffen gemacht und MaxSea gestartet. MaxSea läuft leider nur auf dem Notebook unter Windows, aber wir halten es für den Fall einer echten Hardcore-Navigation immer bereit und aktuell. Jetzt erst bemerke ich Astrids Blick und die Zornesblitze, die aus ihren Augen schießen, und die sie meiner Navigationslethargie entgegen schleudert. Meine simple Frage: “Na, passt’s?” erstickt jämmerlich im Kugelhagel aktueller AIS-Informationen. Es gibt kein Entrinnen mehr, das ist sicher! Als ich versuche, Astrid noch einen letzten Kuss zu geben, fange ich mir beinahe auch noch eine ein. Unseren letzten Moment hatte ich mir anders vorgestellt. Schnell flüstere ich noch: “Es war schön mit Dir! Ich liebe Dich!” aber die Worte verhallen ungehört, weil Astrid schon längst wieder neue Hiobs-Botschaft am Notebook sammelt und sich diese am iPad vom iSailor bestätigen läßt. “Wie kannst du da so ruhig bleiben? Es passt nicht! Es kann nicht passen! Es wird niemals passen! Wir krachen da einfach so rein! Nur noch 35m!”
Die Sache ist wirklich etwas vertrackt. Fünf Frachter mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten in der Kadett-Rinne und wir mit 7kn und Butterfly mittendrin. Das AIS ist schon ein Segen und die Darstellung in MaxSea ist einfach nur genial! Damit lavieren wir uns durch. Wir fahren etwas steuerbord und dann etwas backbord und behalten die ganze Geschichte im Auge. Auch die Frachter gehen mal das ein oder andere Grad zur Seite und so entspannt sich langsam die Situation. Nur unser Hintermann wird angefunkt, aber wir rutschen so durch und finden unversehens ein neues, schon verspielt geglaubtes altes Seglerleben wieder.
Ich weiß ja, dass mit Astrid in der Nähe von Seeschiffahrtsstrassen nicht gut Kirschen essen ist. Und ich denke ernstlich darüber nach, wie wir auf unseren geplanten Touren den Ärmelkanal irgendwie vermeiden können, um einer echten Ehekriese gleich von vorn herein den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Kurz nach dem Kiel-Ostsee-Weg bekomme ich meine alte Astrid zurück und das Notebook wird zugeklappt. So sausen wir spektakulär schaukelnd zurück bis Heiligenhafen. Unter der Brücke haben wir Strom mit und donnern mit fast 9 kn zwischen den Brückenpfeilern durch. Ein toller Segeltag mit einer unvorhergesehenen Wiedergeburt geht viel zu schnell zu Ende.
Als wir uns hinter der Brücke umdrehen, sehen wir den Rückreisewahnsinn. Wenn das hier schon so ist, dann gibt es bei Lübeck und vor Hamburg 20km-Staus. Also beschließen wir erst einmal ein verspätetes Mittagsschläfchen zu machen und erst spät abends aufzubrechen.
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in Heiligenhafen / Ortmühle in unserer Heimatbox
54° 22′ 20,4″ N, 11° 00′ 15,7″ E