Tromper Wiek (Rügen) -> Klintholm (DK) Start: 11:00 Ende: 19:40 Wind: WSW 18 – 23 (30) kn Distanz: 50,2 sm Gesamtdistanz: 188,1 sm
Der Morgen begrüßt uns mit strahlendem Sonnenschein, aber der Wind ist recht kühl. Irgendwie passen die beiden nicht so recht zusammen, deswegen vertagt sich unser Morgenschwimmerchen wie von selbst auf später. Schon vor dem Frühstück habe ich mir das Wetter geholt. Nicht, weil wir heute die 5 sm nach Lohme segeln wollen, um uns morgen den Königsstuhl anzusehen, sondern um mal die verbleibende Woche zu planen. Unser Wochenplan mit dem Königsstuhl und dem Rasenden Roland von Lauterbach aus passen irgendwie auch nicht mit den Wetteraussichten zusammen. Spätestens am Freitag müssen wir im Süden oder Norden von Hiddensee auf der Lauer liegen, um nach einem günstigen Wetterfenster Ausschau zu halten. Mit einem freundlichen Ost könnten wir wieder über Nacht fahren, aber nach Ost oder bloß etwas Freundlichem sieht es momentan so gar nicht aus. Also werden es wenigstens zwei große Schläge gegenan, um zurück nach Heiligenhafen zu kommen. Nun sind ja die Vorhersagen von mehr als 3 Tagen so eine Sache, aber alle sind sich einig, dass wir den Mittwoch und Donnerstag echten Starkwind bekommen, der erst zum Freitag etwas abnehmen soll. Ab Freitag könnten wir dann also unsere 90 sm Rückfahrt antreten, aber eben stramm gegenan, denn der Wind mit dem wir zurück wollen, kommt natürlich direkt von dort, wo wir hin müssen. So wird es auch nicht bei den 90 sm bleiben, denn die Kreuz spendiert uns bestimmt noch mal die Hälfte an Seemeilen dazu. Und das alles in dem alten Schwell der vorherigen Starkwindtage, keine guten Aussichten. Muss das wirklich sein? Astrid und ich überlegen hin und her, aber irgendwie kommt nichts Besseres dabei raus, wenn wir das nehmen, was wir heute wissen.
Der Entscheidungstag ist heute. Machen wir den Königsstuhl morgen und fahren mit dem Roland bei Starkwind am Mittwoch, dann können wir uns am Donnerstag via Strahlsund zu einem Absprunghafen pirschen, der wahrscheinlich eher Kloster heißt, als Barhöft, weil die südliche Ausfahrt aus den Boddengewässern bei strammen West eher schlecht ist und wir im Norden mehr Seeraum haben. Das prickelt aber alles nicht wirklich, deswegen beschließen wir, gleich jetzt unsere Rügentour abzubrechen und mit dem „SW -> W 4 – 5, strichweise 6, Gewitterböen“ schon heute direkt nach Møn in Dänemark zu gehen.
Nach einem magenfreundlichen, leichten Frühstück geht es los. Schon am Kap Arkona wird es recht ruppig. Das fiese Wellen- und Winddurcheinander nimmt erst wieder halbwegs geordnete Formen an, als wir uns deutlich vom Kap entfernt haben.
Die Striche der strichweisen 6 sind erstaunlich dick, werden aber auf 3/4 der Strecke mal kurz von den versprochenen Gewitterböen abgelöst. Dabei haben wir wirklich viel Glück, denn die Gewitter ziehen südlich und nördlich durch und hauen uns nur die Ränder ihrer Böenkragen um die Ohren.
Es dauert etwas, bis wir die richtige Segelabstimmung für den Wind, die Welle und den Kurs gefunden haben. Danach rennt die PINCOYA mit rund 6 kn hart am Wind in Richtung Nordwest. Der Autopilot macht seine Sache prima, die Wellen kommen schräg von vorn und sind, wenn sie sich irgendwie gegenseitig überlaufen, doch erstaunlich hoch, aber wir kassieren auf der ganzen Strecke unter Autopilot nur eine Handvoll wirklich harter Schläge.
Ein Schlag kostet uns die Dreifarbenlaterne im Masttop! Plunsch und weg ist sie. Ja, richtig gelesen, im Masttop. Nicht, dass die Welle über den Mast geht, das wäre doch etwas viel für die Ostsee, aber der Schlag lässt den Mast so erzittern, dass der Wind sich die Dreifarbenlaterne schnappen kann. Als mir vor 2 Tagen bei der Reparatur des Ankerlichtes die Dichtung zur 3 Farbenlaterne zerbröselt entgegen fiel, hab ich die einfach so wieder zusammengesteckt. Mit Tape wäre das natürlich wieder alles ordentlich dicht gewesen, aber ist das wirklich ein Grund, gleich ganz abzuhauen? Egal, dies scheint ohnehin ein Törn der Ausfälle und Defekte zu sein, denn unsere Batterien schwächeln doch immer wieder deutlich und viel zu früh.
Stunde um Stunde geht’s nun gegenan. Magenfreundlich ist anders! Lin hält sich tapfer. Die letzten 2 Tage vor Anker, an denen uns der einlaufende Schwell immer mal wieder ordentlich rollen ließ, haben aber unsere Seebeine wachsen lassen. Ohne diese „Vorbereitung“ würde es uns jetzt, vor allem Lin, doch viel schlechter gehen. Aber insgesamt läuft alles bestens, die PINCOYA stapft und stampft sich Welle für Welle durch die ruppige Ostsee in Richtung Møn.
Mit der GoPro versuche ich spektakuläre Brecher zu filmen, die uns ordentlich nass machen. Schließlich wollen wir zuhause ja auch mal etwas Eindruck machen. Aber mit diesen blöden Brechern ist es immer dasselbe, kaum läuft die GoPro oder ist die Kamera schußbereit, ist nichts mehr von Ihnen zu sehen. So filme ich gigabyte-weise eine völlig unspektakuläre See.
Das harte Gegenansegeln ist physisch und psychisch anstrengend. Nicht nur, dass man ständig irgendwelche Ausgleichsbewegungen macht, und jeden auch noch so überraschenden Lupfer oder Schlag parieren muss, was ja sowieso gar nicht gelingt, wenn man unter Deck ist und nicht sieht, was kommt. Und nicht nur, dass man ständig am Wetter hin und her denkt und sich immer wieder fragt, ob diese Wolke, dieses Gewitter oder jene Front vielleicht doch noch irgendwelche besonderen Überraschungen bereit hält. Ich empfinde solche ruppigen Trips auch schlicht als zermürbend. Eine ganz eigene Art von Anstrengung, die im Kopf steckt. Das ist etwas anderes als Seekrankheit, körperliche Anstrengung oder konzentrierte Anspannung. Vielleicht ist es einfach der Gesamtumstand, dass niemals Ruhe ist. Ich denke, dass der Umgang damit am Ende viel schwieriger ist als alles andere. Deswegen habe ich sehr viel Respekt vor der Leistung von Wilfried Erdmann auf seiner Tour gegenan. Sicherlich lernt man mit der Zeit auch den Umgang damit, denn anders würden solche Touren unter so unfreundlichen Bedingungen ja auch gar nicht funktionieren.
Als der kleine Hunger kommt, kramen wir das Knäckebrot heraus. Ein Hoch auf die Schweden, die das Knäckebrot erfunden haben. Bestimmt speziell für ihre Seefahrer, damit die bei Scheißwetter auch noch etwas zum Essen hatten. Knäckebrot und heißer Tee sind unsere Grundnahrungsmittel, wenn es mal wieder ruppig wird. Und heute ist definitiv wieder so ein Knäckebrottag! Übrigens haben die Dänen oder waren es sogar auch die Schweden, zum Knäckebrot noch den Tubenfisch erfunden. Tubenfisch kann man bei fast jeder Wetterlage und noch so heftigen See immer noch mehr oder weniger unfallfrei auf’s Knäckebrot drücken und damit ein 5-Sterne-verdächtiges Schwerwetteressen zaubern.
Nördlich von Møn macht dann ein nächstes Gewitter unseren Plan, hinter Møn nach Nyord zu gehen, zunichte. Der Wind dreht ungünstig auf fast WNW. Also doch Klintholm, ehrlich gesagt ist es jetzt auch mal genug.
Nun nur noch schnell festmachen….
unerwartet in Klintholm
54° 57′ 17,1“ N, 12° 27′ 44,7″ E