Die Nacht als aus Estland erst einmal Gotland wurde


südlich Skillinge (Schweden) -> Vändburg (Gotland) Start: 20:20 (18.08.) Ende: 17:00 (20.08) Wind: NNW-N 23 – 5 kn; 20.08. WSW – S 12 – 3 kn Distanz: 172,0 sm Gesamtdistanz: 318,5 sm

„von südlich Skillinge (Südschweden) -> nach Vändburg (Gotland)“

„von südlich Skillinge (Südschweden) -> nach Vändburg (Gotland)“

In der Abdeckung der Küste ist es zwar recht ruhig, aber wir rollen hin und her, was das Zeug hält. Ein ums andere Mal drohen die Tassen und Teller vom Tisch zu fliegen. Auf der Herfahrt mussten schon zwei Nudelschüsseln dran glauben. Obwohl die Pantry auf der Lee-Seite lag, hat es die beiden tiefen Teller aus dem Schapp gehoben und im hohen Bogen über die Spüle fliegen lassen.

Kurz vor acht geht es weiter. Bis hierher waren es erst 146,5 sm und noch weitere 300 sm warten auf uns, wenn wir Saaremaa wahr werden lassen wollen. Unser erstes Etmal von 127,6 sm war teilweise ungemütlich, aber von der Distanz her vielversprechend. Damit können wir zufrieden sein. Also Anker auf und los.

Da der Wind etwas nachgelassen hat, reffen wir aus und huuiii geht die flotte Fahrt auch schon wieder los. Auch die Welle ist moderater geworden und wir laufen gut am Wind. Aber von einer Drehung auf West hält der Wind immer noch nichts, dafür dreht er lieber mal wieder etwas auf. In den dicken schwarzen Wolken stecken noch ordentliche Böen, so dass wir doch schon nach 30 Minuten wieder einreffen. Gott sei Dank bekommen wir nur den Wind ab und nicht auch noch den Regen. Den verteilen die Wolken schön brav um uns herum und wir bleiben trocken. Das ist ja auch mal was!

„Juuuucheeeee! Endlich Geburtstag! Und das noch mit echter Vollmondromantik!“

„Juuuucheeeee! Endlich Geburtstag! Und das noch mit echter Vollmondromantik!“

Astrid Geburtstag ist ja bisher nicht ganz so „geburtstagig“ gelaufen, wie man sich Geburtstage eigentlich so vorstellt. Uns bleiben nun aber noch 3 Stunden, um noch schnell richtig Geburtstag zu machen. Der Geburtstagskuchenappetit hat sich zwar noch nicht wieder ganz zu seiner alten Größe entfaltet, aber das macht nichts. Die Schwachwindgeburtstagskerze wird kurzerhand von einem Windlicht unter der Sprayhood ersetzt und die Rose findet guten Halt in der Thermoskanne. Wenn das kein verspäteter Geburtstag ist, denn immerhin hatte ja Astrid auch schon 2 wunderbare Geburtstagssommernachtsegelstunden ? gleich am Beginn ihres Geburtstags! Nur die übrigen 20 Stunden in der Mitte ihres Geburtstages waren eben nicht ganz so.

Insgesamt läuft es nun aber ordentlich und wir finden zu unserer Routine zurück. Die dreistündigen Wachwechsel sind hart, uns stecken eben noch diese 20 übrigen Geburtstagsstunden in den Knochen, die ja nicht ganz so routiniert und erholsam waren. Gott sei Dank ist hier nicht so viel los wie “umme Ecke” und man kann einfach mal so geradeaus fahren, ohne immer wieder auf irgendetwas achten zu müssen. Ich ertappe mich dabei, dass ich bei meiner Wache einnicke. Also setze ich mich aus dem Windschatten des Decksalons in den Wind. Hilft aber auch nichts, auch dort kann man noch ganz gut einnicken. Also hole ich unsere Eieruhr aus der Pantry und mache es wie die Einhandsegler. Eieruhr auf 15 Minuten, dann bimmelt’s, dann Ausschau halten und dann das Spielchen von vorn. So rette ich mich über meine Wache, während Astrid seelig schlummert. Als ich nach unserem Wachwechsel in der Koje liege, höre ich noch einmal die Eieruhr, bevor ich wie ein Stein schlafe. Astrid geht es offensichtlich nicht anders, die Eieruhr bestimmt unsere Wachen.

„Der nächste Tag beginnt ruhig und windlos.“

„Der nächste Tag beginnt ruhig und windlos.“

Gegen 2:00 schläft der Wind ein, um noch einmal kurz zwischen 3:00 und 4:00 zurückzukehren. Dann ist Schluss und wir müssen motoren. „Müssen“ deswegen, weil wir irgendwie doch vorankommen wollen und auch weil der alte Schwell mit dem Einschlafen des Windes sich noch lange nicht zur Ruhe gelegt hat. Ohne etwas Fahrt im Schiff wären das Schlagen der Segel und das Rollen in der See zu unangenehm.

So brummen wir Stunde um Stunde über die Hanöbukten. Bei Simrishamn haben wir noch einmal Wetter bekommen. Die nächsten Tage wird es wohl definitiv schwachwindig werden. Das Windfeld des Tiefs nördlich von uns ist definitiv weg und wird uns nicht mehr nach Saaremaa bringen können. Das Tief hat schon östlich von uns damit begonnen sich aufzufüllen und ist nicht so weit nach Westen vorangekommen, dass es uns einen schönen West gemacht hätte. So ist es bei dem Nord geblieben, der nun auch noch eingeschlafen ist. Vor etwas mehr als 12 Std hat es uns noch ziemlich gebeutelt und nun brummen wir über die ruhige Hanöbucht dahin, als ob nie etwas gewesen wäre.

„Dieses Motoren ist irgendwie nervtötend langweilig, auf nach Utklippan!“

„Dieses Motoren ist irgendwie nervtötend langweilig, auf nach Utklippan!“

Am Morgen halten Astrid und ich Kriegsrat. Etwas motoren ist ja ok, aber nächtelang motoren ist nervig. Mit etwas Glück gibt es am späten Nachmittag wieder etwas Wind, der irgendwie aus Südwest kommen soll. Vor uns liegt Utklippan. Das war ein festes Ziel für unseren Rückweg. Die Sonne scheint und wir werden von einigen Kegelrobben dabei beobachtet, als wir unseren Kurs ganz leicht auf die westliche Einfahrt von Utklippan ändern. Um 9:30 machen wir in dem kleinen Hafenbecken von Utklippan fest (55° 57,253 N, 15° 42,158 E) und beginnen mit dem gemütlichen Teil unseres Urlaubs.

„Die beiden Inseln sind nur wenige Meter hoch, aber den Leuchtturm guckt schon früh über die Kimm.“

„Die beiden Inseln sind nur wenige Meter hoch, aber den Leuchtturm guckt schon früh über die Kimm.“

Utklippan sind eigentlich nur zwei nackte Felsen am nordöstlichen Ende der Hanöbukten. Norraskär und Södraskär. Auf dem südlichen Felsen stehen ein Leuchtturm und einige Wirtschaftsgebäude. Bis 1972 wohnte hier noch ein Leuchtturmwärter, erst dann wurde der Leuchtturm automatisiert. Trotz des Leuchtfeuers hier draußen, ist dieser Teil der Bucht überseht mit Schiffswracks. Unzählige Tragödien spielten sich hier ab, denn nicht immer ist hier das Wetter so freundlich wie heute. Und wenn man an dieser Stelle zu früh nach Westen oder Norden abbiegt, dann bekommt man die Unnachgiebigkeit des schwedischen Granits zu spüren, der bisher fast alle Zweikämpfe mit Stahl-, Holz- oder auch GFK-Rümpfen für sich entscheiden konnte. Von 1937 – 42 wurden diese Außenschären zu einem kleinen Nothafen für die Berufsschiffahrt ausgebaut. Dazu sprengte man einfach das Hafenbecken aus dem Fels der Norraskär, in dem wir nun liegen.

„Utklippan begrüßt uns nicht nur mit dem Schild, sondern auch mit Sonne!“

„Utklippan begrüßt uns nicht nur mit dem Schild, sondern auch mit Sonne!“

„Klein, fein und eigentümlich. Das Ruderboot liegt gratis bereit, um nach Södraskär zu kommen.“

„Klein, fein und eigentümlich. Das Ruderboot liegt gratis bereit, um nach Södraskär zu kommen.“

Im Sommer ist diese unwirkliche Inselgruppe oft überlaufen, heute liegt hier nur ein weiterer deutscher Segler. Um den Seglern eine Möglichkeit zu geben, aus dem Hafen auf Norraskär zum Leuchtturm auf Södraskär zu kommen, hat die Gemeinde Karlskrona hier 3 Ruderboote zur freien Nutzung “stationiert”. Damit setzen auch wir über.

„Der olympische Einer mit Koordinationsproblemen. Immer wieder rutschen die Skulls raus und wollen abhauen.“

„Der olympische Einer mit Koordinationsproblemen. Immer wieder rutschen die Skulls raus und wollen abhauen.“

Und wenn mann sich nun fragt, wo ich die erstaunlichen Kräfte zu dieser olympia-verdächtigen Überfahrt hergenommen habe…??? Vorher gab es nämlich den Geburtstagskuchen!

„Und nun endlich auch Geburtstagskuchen. Der Appetit ist zurück.“

„Und nun endlich auch Geburtstagskuchen. Der Appetit ist zurück.“

„Eindrücke zweier fast verlassener Inseln. Früher gab es hier auch Hafentore.“

„Eindrücke zweier fast verlassener Inseln. Früher gab es hier auch Hafentore.“

Utklippan kann man nur direkt von Osten oder von Westen anlaufen. Drumherum liegen unzählige Felsen knapp oberhalb, aber auch knapp unterhalb der Wasseroberfläche. Auf einem der größeren vorgelagerten Felsen hat sich eine ganze Horde von Robben breit gemacht. Man kann sie noch gerade so mit bloßem Auge erkennen, aber zu überhören sind sie nicht. Die machen so einen Radau, dass man sie auf jedem Quadratmeter von Utklippan hören kann.

„Unvorstellbar, in einem Orkan vor einigen Jahren hat es die Südmole der Westeinfahrt etwas in den Hafen versetzt. Die Reparaturarbeiten kann man noch gut sehen.“

„Unvorstellbar, in einem Orkan vor einigen Jahren hat es die Südmole der Westeinfahrt etwas in den Hafen versetzt. Die Reparaturarbeiten kann man noch gut sehen.“

„Hier hat die Eiszeit mit großen "Spülpötten" ihre Spuren hinterlassen.“

„Hier hat die Eiszeit mit großen "Spülpötten" ihre Spuren hinterlassen.“

Am frühen Nachmittag kommt dann tatsächlich etwas Wind auf und wir brechen gegen 15:00 wieder auf. Vorher reparieren wir noch schnell unsere Buglaterne.

„Oh je, arme Ankerlaterne ?.“

„Oh je, arme Ankerlaterne ?.“

Viel ist da nicht mehr zu retten, der Anker hat ganze Arbeit geleistet. Mit einer ordentlichen Portion Pantera, einigem Klebeband und einer neuen Birne können wir sie aber schlußendlich doch überreden, wieder grün-rot zu leuchten.

„… und weiter geht's.“

„… und weiter geht's.“

Bis zum Einbruch der Nacht können wir dann sogar mit Parasailor segeln, aber zum Sonnenuntergang nehmen wir ihn dann doch lieber wieder runter. Unter „Normalbeseglung“ pirschen wir uns noch bis hinter die Südspitze von Öland vor, dann ist Schluss mit segeln und der Motor muss wieder ran.

„Auf dem unteren Bild ist es mal noch die Sonne, sondern der Mond.“

„Auf dem unteren Bild ist es mal noch die Sonne, sondern der Mond.“

An der Südspitze von Öland bekommen wir noch einmal Handy-Empfang und damit auch Wetter. Es soll ruhig bleiben, im Norden sieht es zwar etwas nach Seenebel aus, einige Felder sind im Laufe des Tages schon an Utklippan vorbeigezogen, aber dann ist es so, da werden wir dann auch eine Lösung für finden.
Da das Motoren ganz besonders die Freiwache nervt, fahren wir bei 1500 Umdrehung mit verminderter Drehzahl. Dabei läßt es sich in der Bugkoje noch halbwegs schlafen. Das ist zwar auch nicht besonders schön, geht aber. Irgendwann in dieser Nacht bei einem unserer Wachwechsel beschließen wir, dass aus dem Ziel Saaremaa nun erst einmal Gotland wird. Zum Zeitpunkt dieser Entscheidung liegen noch immer rund 200 sm bis Saaremaa vor uns. Tagsüber werden wir etwas segeln können, weil die Sonne den Windmotor anwerfen wird, aber nachts werden wir motoren müssen, um Saaremaa zu erreichen. Das wollen wir beide nicht. Deswegen verstaut Astrid die Handbücher und Reiseführer von Estland zunächst einmal wieder im Regal und kramt die Handbücher von Gotland hervor.

„Pläne schmieden und Angelglück. Astrid ist allerdings schnell weiter als ich ?“

„Pläne schmieden und Angelglück. Astrid ist allerdings schnell weiter als ich ?“

Ab diesem Zeitpunkt ist Astrid auch bei ihren Wachen nicht mehr langweilig, denn nun gilt es erst einmal einen brandneuen Gotland-Plan zu schmieden! Und ich versuche wieder einmal zu angeln, aber während der Fahrt ist das wohl etwas ungünstig und anhalten wollen wir nicht. Deswegen bleibt der Haken leer und es gibt wieder Spaghetti mit roter Soße ?.

Am Morgen kommt dann wieder ein vorsichtiger Wind auf und schiebt uns langsam an Gotland heran. So gemütlich kann segeln auch sein. Um 17:00 laufen wir im Süden von Gotland in Vändburg ein. Der östliche, früher rein dem Kalkabtransport dienenden Hafen, wurde zu einem einfachen Gasthafen umfunktioniert, seitdem die Sache mit dem Kalk nicht mehr so richtig läuft. Glück für uns, hier liegen wir gut und ruhig und können nun weitere Gotland-Pläne schmieden.

„Nachmittags erreichen wir Vändburg.“

„Nachmittags erreichen wir Vändburg.“

in Vändburg auf Gotland
56° 56” 36,0’ N, 18° 18” 36,4’ E


2016.08_1_Estland_20.08.kml