Ljugarn -> Herrvik Start: 12:45 Ende: 15:30 Wind: SE 3-6 kn Distanz: 11,9 sm Gesamtdistanz: 363,4 sm
Der Hafen von Ljugarn ist klein. Irgendwie sieht er im Hafenhandbuch größer aus. Die maximale Wassertiefe von 2,0 m, die nur vorn an der nördlichen Mole erreicht wird, hätte ein Hinweis sein können.
Aber was soll’s, für uns reichen ja schließlich auch 2,0 m noch dicke. Inzwischen ist uns auch klar, dass es hier im Osten von Gotland dieses Jahr kein Gerangel mehr um Liegeplätze geben wird. Sofern es hier überhaupt jemals zu einem Gerangel kommt. Die Saison ist definitiv vorbei. Auch in Ljugarn sind wir die einzigen Gäste.
Ljugarn ist eine sogenannte Fischerstelle. Davon gibt es auf Gotland noch recht viele und alle stehen unter Denkmalschutz. Die auf Gotland im Küstenbereich lebenden Bauern verlegten früher zur Fischfangsaison kurzerhand ihren Wohnsitz in diese Fischerstellen. Die Fischerstellen waren also nur saisonal und kurz bewohnt. Den ganzen Rest des Jahres waren sie unbewohnt. In der Regel fischten die Bauern nur, um ihren Eigenbedarf zu decken. Mit der Mechanisierung der Landwirtschaft und der Kommerzialisierung der Fischerrei wurden diese Fischerstellen mehr und mehr uninteressant. Aber als einer der ersten Sommerbadeorte auf Gotland machte sich Ljugarn auch nach der Hochzeit der Fischerstellen einen Namen.
Viele der kleinen Häuschen sind liebevoll restauriert und sogar zwei kleine Museumsschuppen haben geöffnet, die mit alten historischen und weniger historischen Dingen vollgestopft sind. Hier sammelt Ljugarn einfach mal alles, was nicht mehr so ganz aktuell ist. Morgens hält sogar ein Touristenbus, dessen wenige Insassen erst uns und dann die Fischerstellenhäuschen begucken.
Das Leben scheint hier stehen geblieben zu sein oder wenigstens mit deutlich verminderter Geschwindigkeit abzugehen. Alles ist irgendwie langsamer, nicht nur die Menschen, auch die Arbeiter, die in großer Gelassenheit die Holzplanken an der Nordmole erneuern. Nun…, beim Erneuern sind sie eigentlich noch nicht so richtig, aber schon beim Herauslösen der alten, morschen Planken, aber das mit dem Erneuern wird sicher bis zur nächsten Saison auch noch zu schaffen sein. Selbst die Touristen scheinen sich etwas ruhiger zu bewegen, als sonst. So manch ein großstädtischer Banker, z.B. aus Frankfurt, würde hier sicherlich innerhalb weniger Stunden wahnsinnig werden und müsste eingeliefert werden.
Und neben den beiden Museumsschuppen hat sogar auch das Toilettenhäuschen geöffnet. Von einem Hafenmeister, wenn es denn hier überhaupt einen gibt, ist allerdings weit und breit nichts zu sehen.
Weil ich nicht so recht schlafen kann, vielleicht ist mir es auch einfach noch alles zu ruhig hier, stehe ich um fünf auf, schreibe Blogs und beantworte Mails. Das ist ein Riesenglück, denn dadurch entgeht mir nicht einer der tollsten Sonnenaufgänge meines Seglerlebens.
Astrid hat leider nichts davon, weil sie noch seelig schlummert und als sie dann aufwacht, regnet es schon wieder seit einer Stunde.
Wir haben keinen Wind und wir haben keine Sonne, aber wir haben ein Problem, mit dem wir auf unserem Törn am allerwenigsten gerechnet haben. Wir haben ein Frischwasserproblem. Nirgends bekommen wir Frischwasser, entweder gibt es gar keins oder es ist schon abgestellt. Vor 6 Tagen haben wir in HHafen vollgetankt. 350 Liter. Nun könnten wir langsam mal wieder etwas gebrauchen. Denn auf Utklippan haben wir dann auch mal am Heck mit unserem Frischwasser geduscht, damit die Esten, denn Estland war da ja noch unser nächstes Ziel, nicht auch noch entsetzt die EU verlassen, wenn wir so stinkend in Kuressaare einlaufen. Deswegen beschließen wir, nun kurz in Herrvik reinzugehen, um dort Wasser zu nehmen, denn in Herrvik soll es an der Werft Wasser geben. Ansonsten steht nichts Gutes über Herrvik im Hafenhandbuch. Also rein, Wasser nehmen und wieder raus.
Als wir dann vor der kleinen Insel Ostergarn nach Herrvik einbiegen, fahren wir an grandiosen Steilküstenfelsformationen vorbei. Das sieht echt toll aus. Etwas südöstlich davon machen wir sogar einen Touristenparkplatz aus. Diese Felsen sind wohl kein Geheimtipp. Das Hafenhandbuch schweigt sich dazu allerdings aus.
Herrvik selbst entpuppt sich als kleiner Fischereihafen mit Werft und einem brandneuen Gästesteg hinter der Nordostmole. Und dort liegt total verlockend auch ein knallgelber Wasserschlauch. Also nichts wie hin!
Inzwischen gibt die Sonne alles, und alles hier sieht so gemütlich aus, dass wir beschließen, einfach hier zu bleiben, obwohl der knallgelbe Wasserschlauch keinen einzigen Tropfen Wasser hergibt. Auch hier ist die Saison zu Ende und Wasser und Strom sind auch hier schon abgestellt.
Egal, die Sonne scheint und die Klippen rufen. Wir packen zwei Dosen Sundowner-Bier ein und machen uns auf den Weg zu den Klippen. Schon auf den ersten Metern bieten sich immer wieder tolle Perspektiven und Aussichten. Es ist unglaublich schön und wir haben unglaublich viel Glück mit dem Wetter. Fast 3 Stunden klettern wir kreuz und quer über die Felsen der Steilküste und umrunden die Huk bis kurz vor den Touriparkplatz am Wackermännerstrand ?.
Das Wasserproblem werden wir dann gleich morgen lösen. Denn im Kleinboothafen, der allerdings viel zu flach für uns ist, gibt es tatsächlich Frischwasser, das läuft und auch die „Geschmacksprobe“ bestanden hat. Gleich morgen werden wir alle Schläuche, die wir haben und finden, miteinander verbinden, um das Frischwasser bis an die Werftslippe zu leiten, wo es gerade noch tief genug für uns ist. Hoffentlich passt das.
in Herrvik
57° 25” 23,2’ N, 18° 55′ 0,1’ E