… und nun schnell ab zum Doc!


Fårösund -> Visby Start: 8:30 Ende: 16:10 Wind: W-SW 12 kn Distanz: 39,7 sm Gesamtdistanz: 728,7 sm

„von Fårösund -> nach Visby“

„von Fårösund -> nach Visby“

Astrid geht es heute Morgen nicht besser. In Fårösund gibt es von der Gotlands Kommun ein Röda Korset-Cafe (Rotes Kreuz) zur lokalen medizinischen Versorgung. Im ICA-Supermarket soll es sogar eine Apoteket geben. Leider ist das Röda Korset-Cafe nicht mehr besetzt und die Supermarkt-Apotheke entpuppt sich als ein dreiteiliger Küchenoberschrank mit einem Programm von Halsschmerztabletten bis Nigorette und Aspirin bis Thermacare ?. Antibiotika bekommen wir dort nicht, was wir uns auch schon fast gedacht hatten. Wäre ja auch zu einfach gewesen.

Aber die nette Kassiererin sagt uns, dass es in Slite (och nö, nicht schon wieder Slite ?) ein Health Center gibt und auch eine Pharmacy, die sicher alles vorrätig hat. Sie sucht uns auch noch gleich einen Bus raus, denn eine Autovermietung gibt es leider auch nicht in Fårösund, was aufgrund der Größe von Fårösund auch wirklich nicht weiter verwunderlich ist.

Die Busreise nach Slite dauert wohl eine Ewigkeit und man sollte dem Busfahrer hier in Fårösund gleich sagen, dass man nach Slite möchte, denn der muss dann den Anschluss irgendwie im „Nowhere“ mit seinem Busfahrerkollegen nach Slite arrangieren ?. Das hört sich alles recht kompliziert an und wir wissen nicht, ob das nun der richtige Weg ist. Mit dem Schiff sind es nach Slite 20 sm (3-4 Std). Nach Visby wären es 35 sm (6-7 Std). Der Wind für Slite ist „na ja“, aber für Visby maximal schlecht. Trotzdem entscheiden wird uns für Visby. Dann brummen wir eben mal brutal gegenan. Selbst wenn wir spät dran sind, dort gibt es ein Krankenhaus, dass immer geöffnet hat und das auch genügend Antibiotika haben sollte.

„Und dann geht's schnell los, ein letztes Mal sehen wir die Fähre ablegen.“

„Und dann geht's schnell los, ein letztes Mal sehen wir die Fähre ablegen.“

Also Visby. Um 8:30 starten wir. Astrid schont sich, also ich bin so halb einhand unterwegs. Astrids Vater hat uns schon mal das richtige Medikament und die Dosierung durchgegeben. Vielleicht gibt es ja in Visby einen netten Apotheker, den wir beschnacken können, uns das Zeug so zu geben, ohne Arzt und ohne Krankenhaus und nur aufgrund väterlicher, ärztlicher Fernberatung per Telefon aus Spanien ?.

„Der Fårösund verabschiedet uns trüb und grau in grau.“

„Der Fårösund verabschiedet uns trüb und grau in grau.“

„Krankentransport vor Lickershamn, inzwischen ist wenigstens die Sonne rausgekommen.“

„Krankentransport vor Lickershamn, inzwischen ist wenigstens die Sonne rausgekommen.“

Gegen 12:00 liegt Lickershamn quer ab. Zwar nicht genau dort, aber auf dem Törn dorthin und schon etwas weiter westlich in den schwedischen Schären hat 2003 alles zwischen Astrid und mir begonnen. Es war auf unserem ersten gemeinsamen Törn, auf dem uns eigentlich noch 2 weitere Mitsegler begleiten sollten. Die haben dann aber beide abgesagt und tragen somit auch eine gewisse Verantwortung für das, was dann passierte. Lickershamn hat für uns insofern eine etwas besondere Bedeutung, weil wir hier für 3 Tage eingeweht waren und hinter der Hafenmole längsseits liegend über 24 Stunden dauergeduscht wurden. Ein Brecher nach dem anderen kam über die Mole und wir hatten keine Idee, was wir noch irgendwie anders machen könnten, als uns unter Deck zu verstecken und die Kuchenbude mit Schrubber und Bootshaken abzustützen, denn solche Wasserfluten war die Kuchenbude nicht gewohnt, sie hatte bisher nur Regen abbekommen. Als der Sturm dann nachgelassen hatte und wir die Aldebaran, das Vereinsschiff der SKHA, mit der wir damals immer unterwegs waren, wieder von dem ganzen Seetang befreit hatten, den die überkommende See achtlos bei uns hatte liegen gelassen, machten wir noch eine lange Wanderung an der Steilküsten entlang. Der ganze Küstenabschnitt hier ist Naturschutzgebiet und genau hier stehen auch mit die höchsten Raukar von ganz Gotland.

„Wir stampfen uns gegenan in Richtung Visby, zum Schluß muss ich zickezacke fahren, die Wellen laufen direkt von vorn ein.“

„Wir stampfen uns gegenan in Richtung Visby, zum Schluß muss ich zickezacke fahren, die Wellen laufen direkt von vorn ein.“

Lickershamn war eigentlich auch so ein festes Erinnerungsziel für gewesen, aber nun lassen wir Lickershamn einfach links liegen und stampfen uns gegen die immer ungünstiger anlaufenden Wellen noch 15 sm weiter nach Visby.

„Visby sehen, rein, fest und los….“

„Visby sehen, rein, fest und los….“

Um 16:10 sind wir in Visby fest. Da kaum Yachten im Hafen sind und die meisten eh schon längsseits an den Schwimmstegen liegen, machen wir das auch mal schnell einfach so. Und dann geht eine dreieinhalbstündige Odyssee los, um endlich gegen 19:30 eine Dreitagespackung Antibiotika triumphierend in der Hand zu halten. Wie das Gesundheitssystem in Schweden organisiert ist und wo sich die niedergelassenen Ärzte verstecken, haben wir nicht rausfinden können. Aber es muss ja irgendwie funktionieren, denn die Schweden sehen ja ganz gesund und nicht so kränkelnd mitgenommen aus. Irgendwo soll es HealthCenter, aber auch Ärzte geben. Und es gibt diese ominöse 1177-Nummer, die alle Probleme lösen können soll, deren WebPage zig-sprachig ist (außer deutsch), die aber nicht über ein deutsches Handy erreicht werden kann, egal welche Vorwahlen man wählt. Was sich am Ende hinter der 1177 verbirgt, können wir nicht wirklich herausfinden, aber es scheint so eine Art erweiterter Familienservice zu sein, der neben einer medizinischen Beratung auch über westliche Werte informiert. Das einzige, was wir in realitas finden, ist eine Apotheke. Die dürfen uns aber so etwas wie Amoxycillin nicht verkaufen, weil so etwas auch in Schweden verschreibungspflichtig ist. Also brauchen wir einen Arzt, die sind aber nicht auffindbar. Die über das Internet recherchierten Ärzte und HealthCenter sind schlicht nicht (mehr) an den Adressen zu finden, die wir im Internet finden. Und jeder verweist uns immer wieder auf die 1177, die alles können soll, nur aber nicht erreicht werden kann. Inzwischen kann Astrid auch nicht mehr richtig laufen und es ist schon 17:30. Also Krankenhaus, egal, dort schlagen wir jetzt ein. Die normale Rezeption hat auch schon geschlossen und die gerade schließende Krankenhausapothekerin rät uns ganz nach hinten in die Notaufnahme zu gehen.
Dort sind wir so etwas wie der bunte Hund und man bemüht sich sehr liebevoll und fürsorglich um uns. Am Ende hat Astrid eine lebenslange schwedische Sozialversicherungsnummer, und eine nette Englisch sprechende Ärztin untersucht sie und stellt schließlich das rettende Rezept aus. Allerdings muss sie dies für eine bestimmte Apotheke tun und wir müssen genau dorthin und dürfen das Antibiotika nicht irgendwo anders holen. Und das ist NICHT die Krankenhausapotheke, was wenigstens uns recht logisch erschienen wäre, aber eben nicht dem schwedischen Gesundheitssystem entspricht. Es ist eine Apotheke in einem ICA-Supermarkt Store vor den Toren der Stadt. Gott sei Dank ist Visby nun nicht so groß und der Navi zeigt uns lächerliche 4 km an. Also geht Astrid zurück auf die PINCOYA und ich latsche 1,5 Stunden zum Mega-Store und wieder zurück. Das hat aber am Ende auch etwas Gutes, denn nun wissen wir, das Visby nur innerhalb der Stadtmauern beeindruckend schön ist und man den Teil hinter den Mauern getrost weglassen kann. Und gegen 19:30 gibt’s dann wenigstens für mich schon wieder eines dieser absolut weltbesten und phantastisch schmeckenden Dosenbiere, während Astrid ihre erste Penicillin-Pille mit leckerem Wasser herunterspült.

in Visby
57° 38′ 16,5″ N, 18° 17′ 13,3″ E


2016.08_1_Estland_31.08.kml