03.09.
Schon während der kurzen Fahrt von Västervik hinter die von Astrid handverlesene Schäre reißt der Morgendunst auf und die Sonne bescheint das atemberaubende Panorama der ostschwedischen Schären. Es ist wirklich der Oberhammer und so atemberaubend schön, dass man gar nicht mehr weg will.
Wie wäre es eigentlich, wenn …. wir nächstes Jahr genau hier unseren Urlaub machen? In einem Schwupp hin und dann 3 Wochen rauf und runter durch die Schären? Mal sehen, aber eigentlich haben wir das 2018 auch schon auf der großen Runde vor. In jedem Fall sind wir nicht zum letzten Mal hier, das ist sicher.
Kurz nachdem um 8:30 unser Anker in 7 m Tiefe in den lehmigen Modder der Bucht gebissen hat, umhüllt uns im Handumdrehen eine Ruhe, die unbeschreiblich ist. Was für ein Gegensatz zu Visby! Unseren Ohren ist das zu viel, die beginnen sofort Brummgeräusche zu machen, um sich zu vergewissern, dass es noch so etwas wie Schallwellen auf dieser Welt gibt.
Selbst der Fischreiher auf dem flachen Felsen am Ende der kleinen Bucht scheint sein Füße besonders leise und vorsichtig aufzusetzen, um bloß jetzt nicht auch noch das kleinste Geräusch zu machen. Schleichende Fischreiher, nackte Felsen, glitzernde Sonne auf dem türkisen Wasser, lila Heidekraut, hellgrünes Moos, Kieferngrün, ein Haus in schwedischen Rot, ein kleines Angelbötchen und ein weißer Leuchtturm vor blauem Himmel. Kann ein schwedisches Büllerbü-Gefühl perfekter bestätigt werden? So sitzen wir lange einfach nur so im Cockpit der PINCOYA, bis der kleine Hunger kommt.
Zum Frühstück backen wir uns die neuen Aufbackbrötchen auf, von denen wir noch schnell 4 Packungen in Fårösund gekauft haben, und decken uns den Frühstückstisch richtig festlich, mit allem, was der Kühlschrank noch so hergibt. Gestern Abend haben wir wohl doch etwas viel Knoblauch an die Nudelsoße getan, das riecht hier immer noch so, also wir lüften wir noch mal schnell vor unserem süßen Frühstück. Als sich Astrid etwas Nutella auf die frischen Brötchen schmieren will, rümpft sie die Nase und sagt: „Du, die sind irgendwie komisch. Wie lange haben die denn noch gehabt?“ Erdbeermarmelade mit Knoblauchgeschmack ist schon sehr speziell. War da noch was am Messer? ? Langsam dämmert es auch mir und plötzlich fällt mir wieder ein, dass die Aufbackbrötchenpackung in einem hellen Lila gehalten war?. Ich hole mir eine der restlichen 3 Packungen, und noch bevor ich überhaupt eine der restlichen 3 Packungen in die Hand genommen habe, grinst mir schon dick und fett die Aufschrift „med vitlök“ entgegen?.
Na super! So ein geschmackvolles Frühstück bekommt man nicht alle Tage. Astrid und ich teilen uns die zwei letzten Scheiben des „neutralen, estnischen Malzbrotes“, die sich schon etwas trocken in Richtung Himmel wellen und eigentlich bei Gelegenheit nur noch verfüttert werden sollten. Nun verfüttern wir die Scheiben aber an uns selbst und genießen unser echtes Bullerbü-Frühstück. Als Alternative hätten wir noch eine Packung original Gotland-Knäke. Dieses Knäcke hat allerdings sehr wenig mit herkömmlich bekannten Knäcke zu tun und darf nur nach vorheriger Rücksprache mit der Krankenkasse verzehrt werden, alle Zähne müssen zwingend mit Keramikkronen überkront worden sein. Natürliche Zähne sind diesem Knäcke nicht gewachsen und bei einigen Zahnzusatzversicherungen ist Gotland-Knäcke im Kleingedruckten ausgeschlossen.
Nach dem Frühstück holen wir erstmal etwas Schlaf nach. Astrid kann aber nicht so recht einschlafen und erzählt mir irgendetwas von der Villa Kunterbunt und Pipi und ihrem Vater, diesem Indianer. Nun bin ich wieder wach. Wie Indianer? Negerkönig war der! Nee, Indianer, eben Langstrumpf Indianer und Vater von Pippi Victualia, Effff… Ich unterbreche Astrid. Der Indianer hieß Lederstrumpf und war noch nicht einmal Indianer, sondern Trapper, und Winnie Puuh, äh Winnetou war der Indianer. Astrid besteht aber auf Indianer und überhaupt wäre Negerkönig ja heute sowieso nicht mehr korrekt.
Ich such nach dem Beipackzettel des Antibiotika, schließlich hat Astrid schon fast alle davon aufgegessen. Gott sei Dank haben wir auch hier Internet und als Lederstrumpf neben Winnetou auftaucht und weit und breit nichts von Pippi und ihrem Vater zu sehen ist, können wir doch noch unseren verfrühten Mittagsschlaf beginnen.
Die Abendstimmung schreit förmlich nach einem tiefen Seufzer und einem schönen Glas Rotwein. So sitzen wir im Cockpit und versuchen so viel wie irgend möglich von dieser Stimmung in uns aufzusaugen, um eine Reserve zu haben, die den ganzen Winter und die vielen noch vor uns liegenden Arbeitswochen hält.
04.09.
Am Sonntag ist dann endlich mal Schluss mit dieser ewigen Ruhe und Entspannung. Das Gummiboot wird klar gemacht und wir machen einen kleinen Offroad-Spaziergang über die Schären. Das ist schon eine ziemliche Kraxelei über moosbewachsene Felsen und durch wilde Waldstückchen mit samtweichem Boden, in den die Schuhe wie in Daunendecken versinken.
Gestern haben hier auch 3 Schiffe direkt an den Schären gelegen. Das haben wir uns bisher so noch nicht getraut, weil uns am Ende die ganze Sache bei der Anfahrt an den Felsen doch immer zu undurchsichtig wurde. Jetzt sind alle weg und wir können mal die Plätze inspizieren, an den die Schweden gelegen haben. Der eine sieht gut und einfach aus und wir beschließen, das jetzt auch mal zu versuchen. Also zurück zur PINCOYA, alles vorbereitet und auf zum Felsen. Um so an den Felsen zu gehen, braucht man einen Heckanker. Als Heckanker haben wir einen Alu-Fortress, der die wenigen Male, zu denen wir ihn gebraucht haben, eigentlich immer gut gehalten. Mit 15m Bleileine und etwas normaler Ankerleine sollte das auch dieses Mal halten. Beim ersten Versuch werfen wir ihn viel zu früh. Also einholen und ein neuer Versuch. Beim Einholen stutze ich, das geht alles viel zu leicht. Ich erinnere mich noch an die Schweden, die mit hochroten Kopf an ihren Ankern zerrten, um sie wieder aus dem Modder zu bekommen. Auch unsere Ankerwinde hatte einiges zu tun, um unseren Buganker wieder freizubekommen. Unser Fortress dagegen springt mir förmlich entgegen. Ich muss ihn nur noch auffangen.
Neuer Versuch. Nun versenken wir unseren Heckanker an der richtige Stelle und ich gehe gelassen zum Bug, springe rüber auf den Felsen und mache die Leinen fest während Astrid leicht rückwärts gibt. Dann holen wir die Heckankertrosse durch und holen und holen und holen, bis der blöde Anker schon fast wieder bei uns an Bord ist. Was ist das für ein Sch…. Die Schweden haben ausnahmslos Bruce- bzw. M-Anker genutzt und mussten sich richtig abmühen, um ihre Anker wiederzubekommen. Und unser Fortress? Nix! Absolut gar nix! Und das mit 15 m Bleileine. Für einen dritten Versuch sind wir zu entnervt. Auf unserem alten Ankerplatz, den wir erst vor einer Stunde verlassen haben, lassen wir wieder unseren Vulcan-Anker fallen. Der gräbt sich sofort ein und die PINCOYA steht. Das Vertrauen in den Fortress ist weg, den werden wir ganz sicher von Bord nehmen und durch unseren alten Bruce-Anker, der bis zum Frühjahr unser Buganker war, ersetzen.
hinter einer Schäre bei Västervik
57° 42′ 45,6″ N, 16° 43′ 51,9″ E