Freitag:
Der Freitag startet grau in grau und der Wetterbericht berichtet, dass aufgrund von Störungen im wettertechnischen Betriebsablauf an diesem Wochenende Sonne und Regen leider in umgekehrter Wetterreihung einlaufen. Also erst Regen und dann morgen Sonne. »Thank you for travelling with European Summer, we apologize for any inconvenience this weather change might cause to you.« Aber eigentlich ist das ja auch nicht schlimm, denn wir haben für Oslo ein Regen- und ein Sonnenprogramm. Hoffen wir mal, dass die morgige Sonne nicht ganz in Vergessenheit gerät.
Auf dem Museumsprogramm stehen das Wikinger-Museum und das Fram-Museum. Auf der Museumsinsel gibt es zwar noch zwei weitere Museen, aber zwei reichen uns und die Entscheidung fällt auch ganz einfach auf Wikinger und Fram. So bleibt noch genügend Zeit für ein langes Willkommensfrühstück, bevor wir loszuckeln.
Bevor es uns in die Aker Brygge Marina verschlagen hat, haben wir versucht, an der Museumsinsel einen Liegplatz zu bekommen. Im Hafenführer ist auch detailliert beschrieben, wo man festmachen soll, um dann im Hafenbüro einen Liegeplatz zugewiesen zu bekommen. Allerdings weiß in dem vermeintlichen Hafenbüro niemand etwas mit uns anzufangen und wir gucken nur in mehrere ungläubig staunende Augenpaare, als wir unseren Wunsch nach einem Liegeplatz vortragen. Als wir etwas irritiert das „Was-auch-immer-für-ein-Büro“ wieder verlassen, kommt ein schicker Norweger mit trendiger Yuppie-Frisur hinter uns hergelaufen und nimmt sich unserer an. Erstens gibt es genau hier nun mal leider keinen Liegeplatz, aber dort drüben könnten wir mal fragen, müssten aber sooooo herum hinfahren, aber da dies hier eine Peninsula ist, ist es echt weit in die Innenstadt und da wäre daaaaa hinten um diese Ecke, hinter der Color Line, eine viel bessere Marina, die auch einige Gastliegeplätze hat.
So sind wir dann in der Aker Brygge Marina gelandet, in der für den stolzen Preis von 518 NOK, also rund 55€, sogar die Duschen inklusive sind, die aber sonst, außer der Gewissheit, im trendigstens Hafen Oslos zu liegen, nicht wirklich viel bietet. Später erfahren wir von einem deutschen Segler, dass es wohl wirklich nicht so einfach ist, hier in Oslo einen Gastliegeplatz zu bekommen, er hat mindestens 4 Yachthäfen angesteuert, weil er eben nicht über 500 NOK zahlen wollte, aber keine einzige Marina hatte auch nur ein einziges Plätzchen für ihn frei. So liegen wir nun megaexklusiv mitten in der Stadt direkt vor Tjuvholmen. Tjuvholmen ist der mit Abstand hippste Stadtteil Oslos, ein mit unzähligen Exclusiv-Appartements, Bars und Restaurants um- und ausgebautes ehemaliges Hafen- und Werftgelände. Hier tobt das pralle Leben fast rund um die Uhr und wir liegen mit unserer dicken Fahrtensegel-Erna mitten zwischen fetten Motoryachten und heißen Segelschnitten. So zentral zu liegen hat aber auch seinen Vorteil, auch wenn der Schicki-Micki-Trubel in kaum einem größeren Gegensatz zu den verträumten Ankerbuchten Norwegens stehen kann, man ist schnell in der Stadt, am Bahnhof und kann auch mal kurz bei Harald V. vorbeischauen.
So fahren wir heute mit dem Museumsinsel-Bootsshuttle nun genau dorthin zurück, wo gestern das Wort Gastliegeplatz ein Fremdwort war. Als erstes gehen wir ins Wikinger-Museum. Es ist nicht groß, aber wirklich toll gemacht. Geahnt haben wir es ja schon, aber die Wikinger waren wohl doch recht harte Burschen und verstanden eine Menge von Seefahrt. Und wenn die mal nicht im Handumdrehen einen Gastliegeplatz bekommen haben, dann haben sie kurzer Hand dafür gesorgt, dass es dort überhaupt gar keine Liegeplätze mehr gibt und den Rest haben sie mitgenommen, inklusive der Frauen der leider plötzlich verstorbenen Männer.
Da wir ja nun auch schon unsere Erfahrungen mit schlechtem Segelwetter sammeln konnten, erscheint es uns völlig unfassbar, wie man in diesen Booten ganz Europa bereisen konnte und auch noch über Island mal eben in Grönland und Nordamerika vorbeigeschaut hat. Ein unglaubliche seemännische und vor allem auch navigatorische Leistung.
Als wir dann aus dem Wikinger-Museum kommen, begrüßt uns auch gleich echter Wikinger-Regen. So retten wir uns schnell ins Fram-Museum und verbringen dort den Rest des Freitags. Über dem Museum steht »The best museum of Norway«. Das klingt etwas dick aufgetragen, aber das Fram-Museum ist wirklich spitze. Nicht nur, dass die Fram selbst dort steht und auch besichtigt werden kann, auch die Gjøa, mit der Amundsen als Erster die Nordwestpassage durchfuhr, steht dort, wird aber gerade noch restauriert.
Es ist absolut faszinierend, was Amundsen und auch seine Mannschaften in Sachen Polarforschung geleistet haben. So ist es kein Problem, einen ganzen verregneten Freitagnachmittag im Fram-Museum zu verbringen.
Abgerundet wir die ganze Ausstellung mit einer Dokumentation der globalen Erwärmung. Das wäre vielleicht mal ein guter Input für Herrn Trump und seine Mannen, da könnten die Herren lernen, dass es vielleicht doch Dinge gibt, die man nicht mehr »dealen« kann. Aber das ist vielleicht dann doch zu viel verlangt, denn dann müsste man ja auch so etwas wie die Darwinistische Evolutionstheorie anerkennen und am Ende ist ja dann vielleicht die Erde doch keine Scheibe, in deren Zentrum der Trump-Tower steht, und um die sich die Sonne dreht.
Freitagabend kriegen wir dann kurz noch einen Schrecken, aber es brennt doch kein Boot im Hafen und nun löst sich auch das Kunsträtsel des schwimmenden Europalettenstabels direkt vor der Marina auf. Es ist gar keine Kunst, sondern eine norwegische Variante des Sonnenwendfeuers. Der Stapel wir kurzerhand etwas weiter in die Einfahrt gezogen, angezündet und zack hat man schon ein prächtiges Sonnenwendfeuer direkt in Oslo. So einfach kann das sein.
Samstag:
Am Samstag machen wir noch einen Spaziergang durch Tjuvholmen, schauen bei Harald V. vorbei, der ist aber gerade mit seinem Tesla zum Einkaufen gefahren und so können wir nur das Schloss und die verwaiste Tesla-Ladestation betrachten. Dann erklimmen wir die Festung, die sehr weitläufig ist und eher einem befestigten Dorf mit harten Festungskern gleicht.
Danach machen wir uns aufbruchsfertig. Mit Hilfe unseres norwegischen Nachbarn können wir uns auch ganz elegant aus unserer hintersten Liegeplatzecke befreien, denn inzwischen – es ist Samstag – ist die Marina proppenvoll, denn alles was gesehen werden will oder auch nur mal kurz shoppen oder etwas essen will, macht hier zwangsläufig irgendwie und irgendwo fest.
Als wir dann tatsächlich den Ausgang aus dem Gewirr der Marina gefunden haben, sehe ich, dass es zwei gegenläufige Sightseeing-Bewegungen im Osloer Hafen gibt. Eine mit und eine gegen den Uhrzeigersinn. Wie gesagt, es ist Samstag, man will sehen und gesehen werden und die Norweger sind nicht besonders kompliziert. Also fährt man mit seinem Boot, egal in welcher Größe, vom Schlauchboot bis zum Monsterschoben ist alles dabei, einfach mal in schleichigster Schleichfahrt im Hafenbecken im Kreis. Zwischendrin braust mal eine Fähre, ein Ausflugsdampfer, die Polizei oder ein SAR-Boot durch. Auch die Stena Line macht zwischendrin mal fest. Alles kein Problem, man weicht sich irgendwie schon aus, wobei die Stena Line schon eine gewisse Priorität besitzt. Auch die Osloer Jugend, die hier eher Motorboote mit Monstermuckebrülllautsprechern als aufgepimpte Autos fährt, ist dabei. Das Ganze wird am diesem Samstag noch von der herannahenden Mittsommernachtsparty am Hafen überbeschallt, denn dort wird seit unserer Ankunft in schöner Regelmäßigkeit ein gewissenhafter Soundcheck in immer kürzeren Abständen durchgeführt.
Nach gut 40 Minuten Hafenrundfahrt lösen wir uns aus dem Sightseeingstrudel und nehmen Kurs Heimat, denn in 14 Tagen müssen wir zurück in HHafen sein.
im Sightseeingstrudel vor der Aker Brygge Marina im Osloer Hafen
59° 54′ 25,4“ N, 10° 43′ 32,7″ E