Irgendwann hat sich auch Malte in der Karawane tiefenentspannter Ibicencos bis zum Zebrastreifen vorgearbeitet und unser Miniurlaub kann beginnen. Malte haben wir das letzte Mal in Deutschland gesehen, aber er und sein 20 Jahre alter Honda CRV passen hier definitiv besser hin. Das passt so alles irgendwie besser zusammen. Sein Honda ist ohnehin von der deutschen Autokultur ungefähr soweit entfernt, wie ein Big Mac von veganer Bio-Rohkost. Und Malte selbst geht inzwischen ohnehin problemlos als Ibicenco durch.
So lösen wir uns aus der Schlange und scheppern erst einmal zum Hotel, kommen an und klauben langsam ein paar wenige Brocken Spanisch aus unserer Erinnerung wieder zusammen. Malte muss noch kurz mit Leoni, seiner pechschwarzen Labrador-Dame, eine Runde drehen.
Nach einer kurzen Pause geht es in die City.
Seitdem die großen Touristenströme die Insel verlassen haben, haben die Ibicencos ihre Stadt wieder weitgehend für sich allein. Trotzdem ist es proppenvoll und der Black-Friday tut schon am Thursday sein übriges. Autos, Scooter, Fußgänger, alles schiebt sich nach einer unbekannten Choreographie irgendwie durch die schmalen Gassen. Gegenverkehr gibt es nicht, hier gibt es nur ein Puzzle aus Einbahnstrassen. Wie durch Zauberhand löst sich immer wieder auch das verworrenste Chaosknäuel nach einiger Zeit doch wieder auf, um sich wenige Meter weiter neu zu bilden. In zweiter Reihe wird ausgestiegen und beladen. Der Rest zwängt sich irgendwie drumherum. Eines dieser nicht mehr ganz so taufrischen Automodelle bleibt mit Warnblinke liegen und der Fahrer schreitet bei geöffneter Motorhaube erst einmal zur Reparatur. Links und rechts vom Havaristen schiebt sich all das weiter durch, was dort eben irgendwie durchpasst. Und alles passt irgendwie, selbst die Transporter der Lieferanten, die kurz darauf selbst anhalten, um in aller Ruhe aus- oder einzuladen. Kein Hupen, kein Geschrei, keine Hektik, alles bleibt in chaotisch-gleichmütiger Tiefenentspannung irgendwie im Fluss, auch wenn der Fluss mal nicht fließt.
Schier endlose Reihen von Scootern stehen dicht an dicht geparkt am Bordstein. Unwillkürlich muss ich an den Domino Day denken und ganz kurz, wirklich nur für einen Bruchteil einer klitzekleinen Sekunde, keimt in mir der Wunsch auf, dem ersten Scooter mal einen kleinen Schubs zu geben.
Dann haben wir einen Parkplatz. Parkplätze werden hier sozusagen direkt übergeben. Geht jemand zu seinem Auto, macht er Zeichen für die Suchenden und wenn man Glück hat, ist man gerade in einer Position, dass man sich das seltene Parkplatzglück auch sichern kann. Dann ist alles blockiert, bis der Ausparkende sich herrausgedengelt und man sich selbst hineingedengelt hat. Und sobald sich der winzigste Spalt zur Durchfahrt wieder auftut, fließt der Verkehr weiter. Durch jede auch noch so kleine Lücke fließen die Verkehrsteilnehmer ab, die dort gerade noch so eben durchpassen.
Den Abend verbringen wir in einer Tapas-Bar. Für spanische Verhältnisse sind wir viel zu früh dran. Dafür bekommen wir auch problemlos einen Tisch. Zwei Stunden später ist es brechend voll und alles, was sich vorhin noch durch die Gassen geschoben hat, scheint sich nun ebenso durch die Bar zu schieben.
Die nächsten Tage erkunden wir die Insel. Freitag muss Malte noch etwas arbeiten, also genießen Astrid und ich erst einmal allein die felsige Küste der Bucht von Talamanca und die Sonne. Wir haben ein unverschämtes Glück mit dem Wetter. Es ist ja immerhin schon Ende November und da kann es auch auf Ibiza schon mal recht ungemütlich werden. Für uns scheint aber die Sonne und der Himmel strahlt in einem blaublau, das wir Norddeutschen für ein Wunder aus einer anderen Welt halten.
Nach einem langen Spaziergang an den Salinas im Süde der Insel, ganz in der Nähe des Flughafens, entern wir die letzte, geöffnete Strandbar. Im Sommer ist hier die Hölle los, nun teilen wir und den gesamten Strand und die Bar mit einer Hand voll Spaniern und verspäteten Touristen.
Auch die nächsten Tage bleiben wir an jedem Strand fast allein und ungestört. Schon in Ibiza-Stadt haben viele Bars und Restaurants geschlossen. Außerhalb haben wir Schwierigkeiten, überhaupt etwas zu finden, was noch geöffnet hat. Alles ist verrammelt und vernagelt. Das ändert sich nur noch mal kurz über Weihnachten und Neujahr. Danach fällt Ibiza wieder zurück in seinen touristischen Winterschlaf.
Am Platja es Figueral, oben im Nordosten der Insel, gehe ich baden. Das Wasser ist in etwa so warm, wie in der Ostsee im Hochsommer. Der Spanier, der mich beobachtet, hält mich augenscheinlich für komplett durchgeknallt, schüttelt den Kopf und geht wieder. Nun ja, wie soll man auch einem Ibicenco erklären, das deren Winter unser Sommer ist. Leoni versteht mich und kommt mit, aber nur bis zum Bauch, schwimmen mag sich heute nicht. Na ja, und Astrid hat dummerweise ihren Bikini in Hannover vergessen ?.
So fahren wir herum und genießen die Zeit.
Sonntag schlendern wir durch den Hafen, erklimmen die Burg und trödeln durch die Altstadt, bevor wir in einem Straßencafé alle Viere von uns strecken. Etwas Sonne in einem Straßencafé ist schon der Hammer! Das tut einer durchgefrorenen norddeutschen Seele richtig gut.
Abends kocht Malte für uns ganz exklusiv im marc’s. Das marc’s ist das Restaurant, in dem Malte als Koch arbeitet, und nun stehen wir zusammen in seiner Küche und können mal sehen, wie sein Arbeitsalltag so aussieht. Allerdings ist heute, am Sonntag, geschlossen und so wird die Küche nur für uns ganz allein warm gemacht. Und für Malte ist es ein stressfreies Kochen, denn er muss nur 4 Gäste bekochen und nicht ein rappelvolles Restaurant. Zusammen mit Marc, seinem Chef, lassen wir den Abend im marc’s ausklingen.
Und am Montag geht es dann auch schon wieder zurück ins kalte Hannover. Wir drehen nur noch eine kleine Verabschiedungsrunde, statten Maltes kleiner Bude noch einen kurzen Besuch ab und sehen uns »seinen Strand« an. Dann geht es ab zum Flughafen und via Madrid und Amsterdam wieder nach Hause.