Dieses Mal ist es wirklich kälter als draußen


Tagsüber Dauerfrost und nachts noch etwas weniger. Unter dem Kran, der uns in nur 6 Wochen wieder ins Wasser setzen soll, ist Eis.

„Eisiges Vergnügen, es wäre schon schön, wenn es bis zum Krantermin noch etwas wärmer würde.“

„Eisiges Vergnügen, es wäre schon schön, wenn es bis zum Krantermin noch etwas wärmer würde.“

Die Halle versucht, es dem Draußen nachzumachen, schafft es aber Gott sei Dank dann doch nicht ganz. Das kuschelige eine °C, das etwas verloren durch die Halle irrt und seines gleichen sucht, bleibt allein und dämpft dadurch unsere Arbeitswut. Die Edelstahlplatten des Geräteträgers lassen sich nur mit Arbeitshandschuhen anfassen. Metall anfassen ist wie Eisspray benutzen. Selbst die Aluleiter zieht in Millisekunden die Wärme aus den Fingern. Der Betonboden versucht es an den Füßen. Es ist klapperkalt und unser Kreislauf hat noch nicht auf Eskimo-Betrieb umgeschaltet, so hat der Winter leichtes Spiel mit uns. Erst Samstag und Sonntag wird’s erträglicher. Erstaunlicherweise gewöhnt man sich doch recht schnell an Temperaturen um den Gefrierpunkt.

„Draußen Minusgrade und drinnen auch nicht viel besser.“

„Draußen Minusgrade und drinnen auch nicht viel besser.“

„Immerhin steht das renovierte Windrad wieder. Rechts die Bastelecke unten und die neue Tröte.“

„Immerhin steht das renovierte Windrad wieder. Rechts die Bastelecke unten und die neue Tröte.“

An unserem ersten Arbeitswochenende Ende Januar war es noch ganz angenehm, aber dieses Wochenende ist es wirklich erbärmlich. Samstag klopft Jörg an den Rumpf der PINCOYA. Ihn treiben Hydraulikprobleme bei diesem Wetter auf sein Schiff. Als er einen Blick in die PINCOYA wirft, entfährt es ihm: „Sach ma, entkernt ihr euren Kahn eigentlich jedes Jahr?“ Ich schau mich um. So ganz unrecht hat er nicht, der aktuelle Zustand hat sich irgendwo zwischen Bombenattentat, Rohstofftrennung, Vandalismus und Plünderung eingependelt.

„Der Durchlass für die Logge ist fertig, nun nur noch der Einbau. Auch vom Kielschaden ist nichts mehr zu sehen. Und innen Chaos wie immer.“

„Der Durchlass für die Logge ist fertig, nun nur noch der Einbau. Auch vom Kielschaden ist nichts mehr zu sehen. Und innen Chaos wie immer.“

Wir wissen auch nicht, wie das immer so kommt. Aber es ist jedes Jahr immer wieder dasselbe. Eigentlich haben wir ja nichts mehr groß zu machen und die Liste für diesen Winter ist eigentlich gar nicht der Rede wert, aber dann kommt es eben doch wieder anders und all unsere schönen Pläne laufen wieder total aus dem Ruder.
Dieses Jahr standen eigentlich nur Logge, Windmesser, die Displays dazu und Tröte auf dem Plan. Dazu einige kleine Optimierungen am Rigg und auch das Klackern vom Autopiloten sollte endlich mal grundsätzlich beseitigt werden.

„Die neuen Geräte im Cockpit, technisch funktioniert es sofort, aber die Verkleidung innen passt gar nicht mehr.“

„Die neuen Geräte im Cockpit, technisch funktioniert es sofort, aber die Verkleidung innen passt gar nicht mehr.“

Dann kam das Windrad dazu, das ja zwischenzeitlich auf dem besten Weg war, sich vollkommen zu entblättern, um sich von seiner Gehäusebeschichtung zu trennen. Wie ein Schmetterling von seinem Kokon, nur dass unser Windrad hinterher nicht aussah wie ein wunderschöner Schmetterling. Und da wir schon mal wegen des Windrades am Geräteträger alles demontieren mussten, konnten wir ja schließlich auch gleich mal die zwei völlig vergammelten Strahler im Geräteträger wechseln. Auch das ist alles noch nicht wirklich schlimm, aber dieses Jahr passt rein gar nichts auf Anhieb wieder zusammen. Klar hätte man dran denken können, dass man zur Einbautiefe der Strahler auch die Einbautiefe der Leuchtmittel hätte berücksichtigen müssen. Schließlich leuchten perfekt passende V4A-Strahler noch viel viel schöner, wenn man auch LED-Leuchten einsetzen kann. Und natürlich passte die alte, rückseitige Blende nicht über die neuen Geräte, die nun im Cockpit Wind, Logge und Tiefe anzeigen. Die Geräte sind zu breit und die Stecker zu tief. Und natürlich war das Kabel an der Logge so kurz, dass wir den kompletten Backbone des NMEA-Netzwerks anders verlegen mussten. Und natürlich waren alle Durchführungen schon vollgestopft mit Kabeln und Schläuchen, also mussten wir einen neuen Weg suchen, bohren und sägen. Und natürlich ließ sich das neue Kabel für den Windmesser nicht einfach so an den vorhandenen Sorgleinen durch das Kabelrohr im Mast ziehen und musste insgesamt 5 Stunden lang überredet werden. Und natürlich, und das ist das wohl Schlimmste, machte am Ende der Windmesser noch richtig Zicken in unserem NMEA-Netzwerk und ist nun wieder mit uns auf dem Weg zurück nach Hannover, um eingeschickt zu werden. Man hätte es ahnen müssen, als es im letzten Dezember schon mit dem Ausbau der Logge so blöd startete.

„Das Strahlerdrama! Nun mit Distanzring, damit in den Strahlern auch Strahler strahlen können.“

„Das Strahlerdrama! Nun mit Distanzring, damit in den Strahlern auch Strahler strahlen können.“

„Mit Wärme geht es immer besser, manchmal muss aber auch innere Wärme nachgefüllt werden.“

„Mit Wärme geht es immer besser, manchmal muss aber auch innere Wärme nachgefüllt werden.“

Während über meinem Kopf eine tiefschwarze Bastelgewitterwolke schwebt, sucht Astrid die 8 Schrauben für die Lautsprecher. Gestern hatte sie mir extra noch die 4 Schrauben vom Steuerbordlautsprecher abgeknöpft, obwohl die sicher in meiner Hosentasche auf ihrem heutigen Einsatz gewartet hätten. Aber nein, ich musste sie ja rausrücken. Und nun sind alle acht weg. Ich traue mir nicht zu sagen, dass Astrid die Schrauben ja gestern extra aus meiner unsicheren Hosentasche unter ihren persönlichen Schutz gestellt hat. Und die Aussage, dass wir sonst ja jetzt wenigstens noch 4 hätten, verkneife ich mir natürlich auch. Astrids Worte von gestern klingen mir noch in den Ohren, doch es gibt Momente, in denen es total blöd ist, solche Worte einfach nochmal so vor sich hinzumurmeln. Immerhin zucken inzwischen aus Astrids ebenso tiefschwarzer Bastelgewitterwolke schon kleine Blitze. Auf der Rückfahrt gesteht sie mir sogar, dass dies der Moment war, in dem sie gerade überlegt hatte, ob es nicht doch möglich wäre, mir einfach die Schuld am Verschwinden der Schrauben zu geben. Eine starke Behauptung bringt zwar keine Schrauben zurück, erleichtert aber ungemein. Das ist dann aber doch zu dick, also grummelt Astrid weiter vor sich hin, denn neue Schrauben will sie partout nicht nehmen, das ist inzwischen eine Frage der Ehre. Immerhin sieht es nach 30 Minuten vergrummelter Suche schon etwas aufgeräumter aus, die Suche nach Schrauben hat eben auch ihre guten Seiten. Und dass ich Astrid die 8 Lautsprecherschrauben nach einer Stunde nicht klammheimlich in ihre Hosentasche gesteckt habe, werde ich nie beweisen können.

„Der neu Windgeber, dass er nicht will, wie er soll, sieht man ihm so noch nicht an.“

„Der neu Windgeber, dass er nicht will, wie er soll, sieht man ihm so noch nicht an.“

Eigentlich basteln wir ja ganz gerne an unserem Schiff herum, aber wenn jeder einzelne unschuldige Arbeitsschritt einer harmlosen Bastelaktion zu einem Spezialeinsatzkommando mutiert, das einen bereitwillig mit neuen Problemen überhäuft, dann kocht einem auch in einer Null-Grad-Halle irgendwann das Blut.

„Fummelarbeiten und draußen Schnee.“

„Fummelarbeiten und draußen Schnee.“