Start nach Bornholm


Freitag früh brechen wir zuhause mit zwei dicken Reisetaschen auf. Die eine Reisetasche ist viel schwerer als geplant, denn wir haben vor zwei Tagen vergessen, die Papierseekarten aus Henry auszuladen und gleich auf die PINCOYA zu schleppen. So sind die schweren Dinger mit uns einmal hoch- und auch gleich wieder zurückgefahren. Eigentlich wollten wir jetzt nur noch mit zwei IKEA-Taschen fahren, aber nun müssen wir doch meine alte Segel-Tasche mit den Rollen reaktivieren, anders geht das gar nicht.

„Aufbruch zuhause und los geht's mit den Zug.“

„Aufbruch zuhause und los geht's mit den Zug.“

Um 8:00 übernimmt Lin Henry und bringt uns zur S-Bahn. Um 10:30 empfangen uns Leonard und Luiz in Hamburg, um uns nach Heiligenhafen zu bringen. Und um 14:00 brechen Leo und Luiz wieder auf und wir stehen sozusagen am Start. Zurück nach Heiligenhafen werden wir nur kommen, wenn uns das Wetter im Herbst hier einen Zwischenstopp nahelegt. Ein komisches Gefühl, gut 25 Jahre war Heiligenhafen bzw. Ortmühle für mich und dann auch für Astrid der Segelstützpunkt schlechthin.

„Leonard und Luiz sammeln uns ein. Einen Mittagsnack gibt es für Leo bei Toplicht und für uns einige Fallschirmraketen?.“

„Leonard und Luiz sammeln uns ein. Einen Mittagsnack gibt es für Leo bei Toplicht und für uns einige Fallschirmraketen?.“

Mit Wiebke von De grote SIRI fahren wir noch schnell etwas Grünzeug, einige Kühlschranksachen und etwas Fleisch einkaufen. Der restliche Freitag vergeht in Abfahrtsvorbereitungen. Ab morgen Mittag soll der Wind für rund 24 Stunden auf Südwest drehen, bevor er wieder zurück auf Ost dreht. Das wollen wir nutzen. Die Vorhersage von Predictwind läßt das Windfeld nach Nordost ziehen. Mit etwas Glück können wir uns da einklinken, um bis Bornholm zu kommen. Rügen streichen wir aus unserer Planung, dort wäre zu früh wieder Flaute und außerdem würde uns der kommende Ost dort wieder ganz ungünstig festnageln. Ab Bornholm haben wir auch bei Ost die besseren Chancen. Also auf nach Bornholm.

Heiligenhafen / Ortmühle -> Rønne (Bornholm) Start: 11:30 (14.04) Ende: 14:50 (15.04) Wind: S -> SW 5 -> 18 kn Distanz: 140,6 sm Gesamtdistanz: 150,8 sm

„von HHafen / Ortmühle -> nach Bornholm“

„von HHafen / Ortmühle -> nach Bornholm“

Absolut pünktlich zum Ablegen schläft der Wind ein und ein äußerst großzügiger und ergiebiger Landregen setzt ein. In Sekunden triefen wir wie die begossenen Pudel. Egal, nun ist Schluss mit den Verzögerungen, es gibt Momente, wo es sein muss und nun ist eben so ein Moment. Wir legen ab und beginnen unsere Zeit.
Hätte der Regen nur etwas gewartet, wären wir einfach unter Deck gegangen und der Autopilot hätte uns schön durch den Regen gesteuert. Aber so ein Ab- oder Anlegeregen ist maximal blöd. Zudem ist der Wind fast weg, also motoren wir unter der Fehmarnsundbrücke durch bis zur östlichen Ansteuerung. Es schüttet wie aus Eimern und das Regenradar zeigt einen dunkelblauen Regenplocken, der sich wohl extra nur für uns genau über Heiligenhafen und Fehmarn freudig dreht und uns auch noch etwas nach Osten begleiten möchte.

„Abschiedsregen.“

„Abschiedsregen.“

„Grau in grau lassen wir die Yachtwerft hinter uns.“

„Grau in grau lassen wir die Yachtwerft hinter uns.“

Kurz vor dem Ablegen hatte ich schon daran gedacht, aber nun klappen wir doch schnell unsere Rainimi aus. Eigentlich ist es ja ein Bimini, aber zu einen Sonneneinsatz ist es noch nie gekommen ?. Über den Winter haben wir uns noch ein Fenster für den Spalt zwischen Sprayhood und Rainimi nähen lassen. Das ist genial! Jetzt ähnelt unser Rainimi den Kuchenbuden aus Norwegen, fehlt nur noch eine Rückwand mit Fenster am Heck. Die Norweger schneidern ihre Kuchenbuden wohl nicht ohne Grund ganz anders als die Deutschen. Dort segelt man oft und lange mit Kuchenbude. Wer will schon immer so nass werden?

„Nass und kalt und … zugegeben etwas ungemütlich.“

„Nass und kalt und … zugegeben etwas ungemütlich.“

An der östlichen Ansteuerung können wir Segel setzen, der Wind ist zurück. Jetzt Kurs Ost, wir gehen südlich der Kadetrinne und dann nördlich von Rügen nach Bornholm. So der Plan. Der Autopilot steuert, die neue Heizung bullert und wir legen uns erst einmal trocken. Abwechselnd schlafen wir etwas, wir werden ja die Nacht durchfahren. Es ist jetzt schon lausig kalt, aber unter Deck geht es. Irgendwo in der Lübecker Bucht verläßt uns der Regen. Der Wind hat sich bei rund 12 bis 15 kn eingependelt, nur in der Nacht wird er nochmal etwas zunehmen und uns mit fast 20 kn zügig an Rügen vorbeischieben.

„Noch ist es nur diesig.“

„Noch ist es nur diesig.“

Luft 4° und Wasser 5°. Es gibt angenehmere Voraussetzungen für eine Nachtfahrt. Aber die Windrichtung stimmt und die See bleibt moderat, so dass wir angenehm vorankommen. Die Sicht pendelt sich zwischen verdammt diesig bis leicht nebelig ein. Von der Kadetrinne tuten die Großen. Man dreht sich unwillkürlich um. So ein Tuuut kommt gefühlt immer ganz von nebenan. Gott sei Dank gibt es ja AIS, das ist ein echter Segen. Als vor Rostock die Gedser-Fähren kreuzen, können wir sehen, dass wir ca. 1 bis 1,5 sm Sicht haben. Wobei „Sicht“ so eine Sache ist, irgendwo zwischen 1 und 1,5 sm kann man mit viel gutem Willen ahnen, dass dort etwas kommt. Allerdings nur, wenn’s groß genug ist. Die Tonnen der Kadetrinne sehen wir erst deutlich unter einer Seemeile. Kleine Welt, wie der Friese sagt. Klein, saukalt und nass.

Die Nacht schnappt uns vorm Darßer Ort. Irgendwo zwischen dem Darßer Ort und Hiddensee verschluckt uns dann auch noch der Nebel. Nun geht der Blindflug nicht nur durch die stockfinstere Nacht, sondern auch noch durch pottendicken Nebel. Schöner Sch..ß.! Ein echter Blindflug und ein ungutes Gefühl. Der einzige Trost ist, dass wir wohl die einzigen Freizeitskipper sind, die hier unterwegs sind. Die Berufsschiffahrt muss ja AIS haben, die sehen wir und die sehen uns, denn auch wir senden ja. Und die Nato-Kriegsschiffe, die hier jetzt vermehrt unterwegs sind und teilweise ihr AIS ausschalten, die haben hoffentlich einen ganzen Spähtrupp auf der Brücke, der uns ausmacht, damit ihr Chef uns dann ausweichen kann.

Unsere 3-Farbenlaterne im Top wirft im Nebel einen gespenstischen Lichtkreis um uns herum. Ab und zu sieht man in dem Licht den Wiederschein von sich brechenden Wellen. Dutzende von Nachtfaltern scheinen sich ganz besonders von unserem grünen Toplicht angezogen zu fühlen. Die Burschen sind echt groß und haben geschätzte 4 cm Länge und eine Flügelspannweite von vielleicht 3 cm. Wir fahren durch eine surreale Welt.

„Der Morgen empfängt uns mit Sonne. Die hält aber leider nicht, was sie verspricht.“

„Der Morgen empfängt uns mit Sonne. Die hält aber leider nicht, was sie verspricht.“

Wenn jetzt etwas im Weg ist, das nicht sendet, dann krachen wir da stumpf rein. Ein wirklich blödes Gefühl. Wir glotzen uns die Augen in die neblige Nacht aus dem Kopf und halten uns in etwas großzügigerer Entfernung vom Land. Da beides eher dem guten Glauben und einem besseren Gefühl geschuldet ist, fällt in dieser Nacht die Entscheidung, im nächsten Winter noch einmal zu investieren. Ute und Peter von der Ruby Tuesday haben es uns ja schon immer gesagt, aber nun wird er kommen, der Broadband Radar.

„Nur einige Fischer sind hier unterwegs. Vielleicht auch mehr, aber die sehen wir nicht.“

„Nur einige Fischer sind hier unterwegs. Vielleicht auch mehr, aber die sehen wir nicht.“

Die Nacht entläßt uns hinter Rügen auf den direkten Weg nach Bornholm. Zwischendrin schwächelt der Wind, er schläft aber erst 20 sm vor Bornholm richtig ein. Fast auf die Minute genau und mit exakt den Drehern, wie vorhergesagt. Das ist schon erstaunlich.

„Ein Ensemble in einem freundlich frischen Graugrau. Und ein Suchbild: wo ist der Windpark  ? ?“

„Ein Ensemble in einem freundlich frischen Graugrau. Und ein Suchbild: wo ist der Windpark ? ?“

„In Dänemark ist Lady Astrid querab und der polnische Fischer hat wohl schon lange nichts mehr gefangen - NO-LUCK ?“

„In Dänemark ist Lady Astrid querab und der polnische Fischer hat wohl schon lange nichts mehr gefangen – NO-LUCK ?“

Kurz vor 15:00 machen wir nach 140 sm in Rønne / Nørrekås fest. Bis direkt vor der Einfahrt von Rønne ist es so diesig, dass wir noch nicht einmal die Ansteuerungstonne von Rønne sehen, obwohl wir laut Karte nur knapp 400 m daran vorbeifahren. Beim Einfahren in den Yachthafen reißt es plötzlich auf, der Nebel bleibt auf See zurück und wir nehmen unseren Anleger bei gefühlten 25° in der strahlenden Sonne von Bornholm.

„Suchbild mit Bornholm im Vordergrund“

„Suchbild mit Bornholm im Vordergrund“

„Bornholmer Ankommenssommer.“

„Bornholmer Ankommenssommer.“

auf Bornholm in Rønne
55° 6′ 18,5″ N, 14° 41′ 38,7″ E