Søby -> Bagenkop Start: 11:45 Ende: 15:50 Distanz: 23,5 sm
Offensichtlich sind die Wetterfrösche zur Zeit in einer Art Findungs- und Experimentierphase. Die Trefferquote ihrer Prognosen liegt weit unter der Trefferquote einer reinen Zufallsserie. Insofern muss man ihnen zu Gute halten, dass sie sich wenigstens Gedanken gemacht haben, wenn auch nicht die richtigen. Die ganze Nacht krachten und knallten die Wellen der vermeintlich windlosen See unter unser Heck. Gegen 1:30 finde ich endlich meine Ohropax und kann etwas Schlaf finden. Wieso in drei Teufels Namen hackt eigentlich es immer wie blöde oder es ist bleiernde Flaute. Dazwischen scheint es nichts mehr zu geben.
Wir lassen uns Zeit und überlegen uns ein Ablegemanöver, das uns nicht so verzweifelt aussehen läßt, wie den Schweden in der Box gegenüber. Noch im Hafen setzen wir das Groß. Mehr brauchen wir bei rund 20 kn Wind auf dem bevorstehenden Vorwindkurs nicht. Bis zur Ansteuerung der Fahrrinne hinter Ærø steuert der Autopilot, danach steuert Lin.
Celine macht das inzwischen richtig cool und wir überholen sogar einige Mitstreiter, als wir doch noch etwas Genua ziehen. Vor Marstal briest es ordentlich auf. Noch sind wir in der Abdeckung, aber die teilweise 25 kn auf dem Windmesser versprechen eine flotte und schaukelige Überfahrt.
Der Wind hält, was er versprochen hat und wir binden rasch noch das erste Reff ins Groß. Je mehr wir uns Langeland und damit Bagenkop nähern, desto höher bauen sich die Wellen auf und laufen kreuz und quer. Vor Bagenkop gleicht mein Segelbergemanöver einem Bullenritt. Oben auf dem Decksalon steht man schon recht hoch und ungünstig. So muss ich mehrmals den Baum samt Segel ganz fest in den Arm nehmen, um nicht abgeschüttelt zu werden.
In Bagenkop sind alle Boxen schon seit Stunden belegt. Deswegen gehen wir ins Päckchen. Wir liegen als zweite und schnell gesellt sich noch ein dritter Päckchenlieger dazu. Die innenliegende Crew will aber heute noch raus. Den ganzen Samstag haben sie schon auf Wetterbesserung gewartet, aber es ist immer nur schlechter geworden. Sie müssen aber los und nach Kiel segeln, weil sie Sonntag nach Hause bis nach Heidelberg fahren müssen. Wie gut haben wir es doch mit Hannover, auch wenn uns diese Strecke schon manchmal in dem Wahnsinn treibt.
Wir beschließen die Heidelberger nach alter Helgoländer Päckchenaufklapptechnik in die unruhige Nacht zu entlassen. Theoretisch ist allen Beteiligten klar, wie das wohl gehen sollte, nur der Heidelberger Halberg Rassy Skipper hat noch weniger Ahnung von unserem Manöver, was das Vertrauen in unser Manöver beim ihm nicht erhöht. Die Kunde von einem besonderen Hafenmanöver spricht sich in einem Yachthafen schneller herum, als eine bevorstehende Evakuierung wegen eines Tsumamis. So stehen kurz darauf alle Crews in ihren Cockpits oder auf den Stegen und der Mohle. Unzählige wettergegrebte Seglerhände stecken hilfsbereit in ebensovielen Hosentaschen und warten nur auf das Komando zum Anpacken. Die Stimmung liegt irgendwo zwischen Fitzcarraldo und nordischen Wikinger Spielen.
Ich starte mal vorsichtshalber den Motor. Es bläst nun unablässig mit 25 bis 27 kn. Das sind immerhin volle 6 Bft.
Langsam lasse ich das Päckchen mit unserer langen Heckleinen aufklappen. Die Heidelberger sind bereit, aber skeptisch. Dann geht alles recht schnell, ich werfe unseren Rückwärtsgang rein und ziehe die Heckleinen ein. Die Heidelberger fahren rückwärts raus und 10 kräftige Segler ziehen an der vorbereitend vorn um den Heidelberger gelegten neuen Heckleine unser Heck langsam an die Pier. Einige scheinen erprobte Großseglerveteranen zu sein, die schon mehrmals beladene Viermaster im Orkan durch den Hafen gezogen haben. Es geht alles glatt wie am Schnürchen und nach 10 Minuten ist alles wieder so, wie vorher. Nur das die Heidelberger nicht mehr da sind. Die sehen wir noch wild in der Welle vor Bagenkop auf und ab tanzen. Das sieht nach einen sehr zornigen Bullenritt aus, da hatte ich vorhin wirklich noch einen sehr friedlichen abbekommen. Man gut, das wir hier bleiben können und gleich Abendbrot bekommen.
Während das Abendbrot köchelt nutzt Lin die Zeit die Scheiben zu putzen.