Klaipeda


Klaipeda, ja Klaipeda. Irgendwie sind wir doch schon erstaunt. An vielen Stellen kann Klaipeda seine sowjetisch-kommunistische Vergangenheit nicht verleugnen. Was ist das für ein Unterschied zu Polen! Polen war zwar zu Zeiten der Sowjetunion auch nicht wirklich unabhängig, aber die Baltischen Staaten hatte sich die Sowjetunion einfach einverleibt und so gab es diese Staaten schlicht nicht mehr als ein staatliches Gebilde. Vielleicht liegt hier der Grund für den Unterschied, der uns in Klaipeda doch etwas überrascht.

„Der Kastellhafen.“

„Der Kastellhafen.“

„Kunstvolle Windspiele, die ehemalige Werft und das Old Mill Hotel.“

„Kunstvolle Windspiele, die ehemalige Werft und das Old Mill Hotel.“

„Der Hafengeist. Kleine Details, die man in der ganzen Stadt finden kann.“

„Der Hafengeist. Kleine Details, die man in der ganzen Stadt finden kann.“

Wir haben ja schon 2013 die polnische Ostseeküste bis Kolobrzeg (Kolberg) besegelt und sind dieses Jahr über Leba und Hel bis nach Danzig gekommen. In Polen und ganz speziell in Danzig haben wir eine Aufbruchstimmung gespürt. An allen Ecken und Enden passiert etwas. Nicht alles, was passiert, ist so groß und intensiv wie in Danzig, aber auch die vielen kleinen und eben privaten Engagements verändern das Land. Das fühlt sich in Klaipeda ganz anders an. Dort stehen zwar moderne Hafenanlagen, aber wenn man durch die Stadt selbst geht, dann gibt es dort zwar durchaus auch Veränderungen, aber vieles, und eben sehr vieles erinnert doch immer noch ganz frappierend an die sowjetische Vergangenheit. Klar, wir haben von Litauen bisher nur Klaipeda gesehen, mit so wenig Eindrücken, darf man ganz bestimmt nicht pauschal urteilen.

„Der Regenfallrohr-Drache, Teil einer Legende zur Entstehung von Klaipeda....“

„Der Regenfallrohr-Drache, Teil einer Legende zur Entstehung von Klaipeda….“

„Oben eines der wohl ältesten erhaltenen Häuser, unten viel Renovierungsbedarf.“

„Oben eines der wohl ältesten erhaltenen Häuser, unten viel Renovierungsbedarf.“

Aber dennoch, der Unterschied zwischen Danzig und Klaipeda kann kaum größer sein. Vielleicht ist es auch nur dieser direkte Gegensatz, der uns so kalt überrascht hat. Zwei Dinge fallen uns dabei besonders auf. Zum einen der Unterschied der Generationen und zum anderen der Unterschied zwischen privatem und, sagen wir mal, öffentlichem und kommunalem Engagement.

„Zeugen einer anderen Zeit.“

„Zeugen einer anderen Zeit.“

Man sieht den älteren Menschen in Klaipeda an, dass sie das sowjetisch-kommunistische System erlebt haben und man sieht ihnen vor allem an, dass das Leben in diesem System unendlich trüb, freudlos und schwer gewesen ist. Vor 28 Jahren, 1990, erlangte Litauen wieder seine Unabhängigkeit und Souveränität und 2004 wurde es Mitglied der EU. Also auch schon vor 14 Jahren. Sieht man in Polen Menschen der Generationen, die die Zeit vor 1990 erlebt haben, so hat man nur noch ab und zu das Gefühl, direkt mit dieser sowjetisch-kommunistischen Lethargie konfrontiert zu werden. Die Menschen in Polen haben sich verändert, auch die älteren. Hier in Klaipeda nehmen wir zwei Seiten war. Eine junge Generation, die kaum von allen anderen jungen westlichen Generationen zu unterscheiden ist, und eine ältere Generation, bei der man teilweise das Gefühl hat, dass man „Mütterchen Russland“ gegenüber steht. Eine Generation, für die die Zeit nicht viel bereitgehalten hat und für die die Zeit irgendwie nicht richtig weitergegangen ist.

„Gegensätze prägen die Stadt.“

„Gegensätze prägen die Stadt.“

„Ein Burggraben ohne Burg, die restaurierte Meridianas, eine Schornsteinfeger und die Restaurant-Gasse.“

„Ein Burggraben ohne Burg, die restaurierte Meridianas, eine Schornsteinfeger und die Restaurant-Gasse.“

„Die alte Post. Sie ist als eines der ganz wenigen, wirklich alten Gebäude erhalten geblieben.“

„Die alte Post. Sie ist als eines der ganz wenigen, wirklich alten Gebäude erhalten geblieben.“

Mitten in Klaipeda sitzen wir in einem Coffee-Shop und wärmen uns bei einem Latté wieder etwas auf. Sitzt man dort in dem Café, merkt man überhaupt nichts von der Vergangenheit, und die jungen Litauerinnen und Litauer versprühen dieselbe Lebensenergie, die Welt zu verändern, wie in jeder anderen europäischen Großstadt. Da dies dieselbe Generation ist wie unsere Kinder, nehmen wir das vielleicht doch etwas stärker wahr. Diese Generation wird Litauen verändern und dies mehr als in den letzten 28 Jahren und das in viel kürzerer Zeit.

„Vor dem Theater, das Ännchen von Tharau und in der Altstadt.“

„Vor dem Theater, das Ännchen von Tharau und in der Altstadt.“

Zum zweiten, und das sieht man auch noch ganz deutlich in Polen, gibt es einen riesigen Unterschied zwischen privatem und öffentlichem Engagement und Eigentum. Nun ja, dieser Unterschied bzw. das unterschiedliche Umgehen damit, war ja auch nicht zuletzt in seinen Auswirkungen ein Grund für den Zusammenbruch des kommunistischen Systems. Das soll nicht heißen, dass im Kapitalismus alles immer zum Besseren gestellt ist, aber schlicht der Umgang mit Eigentum ist eben anders, als der Umgang mit etwas, an dem man keine echte Teilhabe hat. Und das springt sofort ins Auge. Die Hafenanlagen in Leba sind ganz offensichtlich in privater Hand oder Pacht. Die waren jetzt nicht modern oder der letzte Schrei, aber es war ordentlich renoviert und alles war sauber und gepflegt. Und was repariert werden musste, wurde repariert. Ebenso in Danzig. In Hel waren die Anlagen offensichtlich kommunal und alles war ziemlich heruntergekommen und vergammelt. Hier im Hafen von Klaipeda ist das ebenso. Irgendwann nach der Unabhängigkeit ist das alles mal neu gemacht worden und genau ab diesem Tag hat sich dafür niemand mehr wirklich interessiert oder sich gar dafür zuständig gefühlt.

So versuchen wir, uns möglichst in der Mitte der Duschkabine aufzuhalten, fassen die Brause eher mit spitzen Fingern an und freuen uns auf die Bordtoilette, die wir dann auf See auch wieder benutzen können. Das ist echt schade, denn es geht auch anders und eigentlich steckt hier wirklich viel Potential für privates Engagement.

„Große und kleine Skulpturen setzen Kontrapunkte.“

„Große und kleine Skulpturen setzen Kontrapunkte.“

Aber Klaipeda versucht es im Kleinen. Überall in der Alt- und Neustadt stehen kleine Skulpturen. Kleine Details, die einen Kontrapunkt setzen. An dem magischen Wundermäuschen steht: „Gedanken werden zum Wort – und Worte werden zum Wunder.“ Flüstert man dem Mäuschen seinen Wunsch ins Ohr, so soll er eines Tages ganz unerwartet in Erfüllung gehen. Die Chance lassen wir natürlich nicht ungenutzt.

„Das Mäuschen und die Katze. Schöne, kleine Details, vielleicht auch mit großer Magie. Zumindest scheint mir das Mäuschen gespannt zuzuhören.“

„Das Mäuschen und die Katze. Schöne, kleine Details, vielleicht auch mit großer Magie. Zumindest scheint mir das Mäuschen gespannt zuzuhören.“

So laufen wir durch Klaipeda. An der Dange reihen sich einige neue Restaurants und Biergärten aneinander. Aber in den meisten Lokalen hat die Sommersaison noch gar nicht begonnen. Neue Sonnenschirme, Heizpilze und Terrassenstühle und -tische stehen noch verpackt davor und warten auf ihren Einsatz.

„An der Dange.“

„An der Dange.“

Zwischen den alten historischen Häusern passen sich einige neue Häuser gut ein. Zusammen stehen sie im krassen Gegensatz zu den Betontrutzburgen aus der sowjetischen Zeit. Klaipeda schläft noch einen Dornröschenschlaf, vielleicht ist es auch durch den zweiten Weltkrieg und die Zeit bis 1990 zu sehr zerstört und mitgenommen worden.

„Gegensätze aus der Zeit geboren.“

„Gegensätze aus der Zeit geboren.“

„Die Neustadt.“

„Die Neustadt.“

in Klaipeda im Kastellhafen
55° 42′ 21,4″ N, 21° 07′ 34,8″ E