Klaipeda -> in kleinen Tagesetappen bis Nida Start: 15:30 (27.04.) Ende: 14:20 (29.04.) Wind: SW – umlf – S 6 – 12 – 6 kn Distanz: 13,5 + 13,5 sm Gesamtdistanz: 504,0 sm
Freitag und Samstag 28. + 29.04.
Die litauische Ostseeküste hat für einen Segler nicht wirklich viel zu bieten, aber es gibt ja das Kurische Haff. Natürlich könnte man bei Ostwind auch auf der Ostseeseite vor der Kurischen Nehrung ankern, mit dem Gummiboot an den Strand fahren und von dort die Dünen erklimmen, aber das ist aufgrund der Hinterlassenschaften aus den Weltkriegen nicht wirklich zu empfehlen. Hier vor der kurischen Nehrung hat man Unmengen von Munition aus dem zweiten Weltkrieg einfach so im Meer entsorgt, frei nach dem Motto, aus den Augen aus dem Sinn. Dass sich das rächt, sieht man in den Seekarten. Fast der gesamte Küstenabschnitt ist für jegliche „Unterwasseraktivitäten“, zu denen eben auch das Ankern gehört, gesperrt. Außerdem war der Bereich vor Klaipeda großflächig vermint. Man hat zwar die Minen geräumt, aber niemand kann sicher sein, dass man auch wirklich alle gefunden hat. Schon weit vor Klaipeda fährt man großflächig über „restricted areas“, in denen nur der Transit von Seefahrzeugen erlaubt ist. Kein Mensch weiß, was dort unten noch alles für ein alter Kriegsscheiß vor sich hin gammelt. Nicht selten werden Phosphor-Klumpen angespült, die man leicht für Bernstein halten kann, was fiese Verbrennungen zur Folge hat. Leider sind das keine Schauermärchen, hier in Litauen wird eindringlich davor gewarnt.
Da hat man es im Kurischen Haff schon wesentlich einfacher, denn dort wurde nichts vermint und auch keine Munition versenkt. Aber das Kurische Haff, wenigstens der nördliche, litauische Teil ist flach. Und eben teilweise so flach, dass man hier nicht einfach so herumsegeln kann. Erst weiter im Süden, so ab Pervalka, wird es durchschnittlich etwas tiefer. Aber so richtig tief, ist es dort auch nicht. So kann man nicht einfach mal aufkreuzen und muss sich schon recht gewissenhaft an die betonnten Fahrwasser halten. Der russische Teil ganz im Süden wäre eigentlich für Segler ideal, aber dort darf man eben nicht so ohne weiteres hin. So fahren wir von Klaipeda aus unter Motor im Haff nach Süden. Leider stimmt der Wind für unsere Richtung gar nicht.
Mit dem Hafenmeister haben wir die Brückenöffnung für 15:30 vereinbart. Wir sind die einzigen Gäste und so wird die Brücke auch nur bei tatsächlichem Bedarf geöffnet. In das Hauptfahrwasser biegen wir nach backbord ab und nehmen erstmal Kurs auf den Yachthafen des Smiltyne Jachtklubas. Da uns der Kastellhafen nicht gerade begeistert hat, wollen wir mal schauen, wie es dort aussieht.
Obwohl wir nur vorbeifahren, sind wir ziemlich überrascht. Der Smiltyne Yachthafen schläft zwar auch noch seinen verdienten Winterschlaf, aber alles sieht mordern, gepflegt und richtig gut aus. Da haben wir mit dem Kastellhafen doch wohl nicht ganz die richtige Wahl getroffen. Wenn wir wieder aus dem Haff zurückkommen und noch einen Absprunghafen brauchen, werden wir mit Sicherheit hier auf der Nehrung in Smiltyne festmachen und nicht wieder auf die Festlandseite gehen.
Je weiter wir ins Haff einfahren, desto flacher wird es. Aber das Fahrwasser ist prima betonnt, obwohl die Betonnung absolut nicht mit unseren Seekarten übereinstimmt. Und wir haben immerhin 3 Varianten von Seekarten, 2 x elektronisch und 1x Papier. Auf der boot in Düsseldorf haben wir aber auf dem litauischen Stand eine Seekarte vom Kurischen Haff bekommen, die aktuell ist. Die ist zwar auch schon von Anfang 2017, aber dort ist die gesamte Betonnung korrekt eingezeichnet. Warum die großen Kartenverlage es nicht hinbekommen, ihre teuer zu bezahlenden Karten zu aktualisieren, verstehen wir nicht ganz. Wenn korrekte Seekarten schon kostenlos auf Messen verteilt werden, dann könnten sich die Verlage dort ja auch mal eine holen und die abmalen.
Hier im Haff sind wir vollkommen allein. Nur einmal kommt uns ein Ausflugsboot entgegen, auf dem aber auch noch kein Hochbetrieb herrscht. Ein anderes hat seinen eigenen Schwimmsteg längsseits und tuckert damit langsam in Richtung Süden. Die Saison beginnt erst, da bringt man sich seinen Schwimmsteg wohl noch selber mit ?.
Das Wetter ist etwas durchwachsen, aber was soll’s. Es regnet nicht, nur eine graue Wolkendecke versteckt die Sonne mal mehr und mal weniger. Wir lieben ja diese abgelegene Einsamkeit ohne jeden Rummel drumherum. Und dies hier ist jetzt sozusagen unser Lohn dafür, dass uns in der ein oder anderen durchsegelten Nacht langsam ein Winterpelz zu wachsen drohte. Kuschelig waren diese Nächte wirklich nicht und auch tagsüber liefen wir ja eher Gefahr, einen Gefrierbrand zu bekommen als einen Sonnenbrand. Aber jetzt hier im Haff und auch schon vorher bei Leba auf der Düne und selbst in Danzig sind wir so der Saison zuvorgekommen. Alles ist noch etwas verschlafen und ganz ohne jeden Hauptsaisonrummel. Das passt zu uns und damit fühlen wir uns richtig wohl.
Nachdem uns in Smiltyne schon der moderne Yachthafen überrascht hat, überrascht uns als nächstes Joudkrante. Vom Ufer aus lächelt uns ein properer Ferienort entgegen. Die bunten Ferienhäuser hinter der Uferpromenade und den parkähnlichen Rasenflächen sehen eher nach Dänemark oder Schweden aus und passen so gar nicht zu dem, was wir gestern noch in Klaipeda gesehen haben. Hier auf der Nehrung treffen wir auf ein anderes Litauen. Und dieses andere Litauen spiegelt sich nicht nur in den Orten wieder, auch die Menschen sind irgendwie wie ausgewechselt.
Aber bevor wir weiter nach Süden in Richtung Nida gehen, werfen wir den Anker südlich von Joudkrante direkt vor der toten Düne. Die heißt „tote“ Düne, weil man ihr hier die Wanderlust, durch die Anpflanzung einer speziellen dänischen Strauchart, ausgetrieben hat. Gut 250 m außerhalb des Fahrwassers ankern wir auf einer Tiefe von gut 2,4 m immer noch recht weit von Ufer entfernt. Etwas weiter unter Land wollte die Capitana aufgrund der Wassertiefe ganz und gar nicht. Da wußte sie aber auch noch nicht, dass das offizielle Fahrwasser noch mit Tiefen von gerade mal knapp 2,0 m auf uns wartet.
Und weil wir endlich mal wieder vor Anker liegen, es hier sehr schön ist und wir ganz und gar allein hier sind, bleiben wir auch gleich mal zwei Nächte vor Anker. Das ist auch gut so, denn die Überfahrt nach Klaipeda ist ja sozusagen wegen anderer Befindlichkeiten für das Schreiben von Blogs und das Sichten von Bildern ausgefallen.
Am Samstag lassen wir unser Gummiboot zu Wasser und setzen über zur toten Düne. Eine absolut unberührte Natur begrüßt uns. Die einzige Strasse auf der Nehrung verläuft direkt an der Ostseeküste und auch der nächste Parkplatz mit Aussichtsplattform ist Kilometer entfernt. Wir stapfen am Ufer entlang, um einen Pfad auf die Düne zu finden. Mit uns ist hier, vor recht kurzer Zeit – da kommt der indianische Fährtenleser in mir durch ? – etwas recht Großes und paarhufiges entlang gestapft ?. Eine Schrittweite, an die selbst Astrid mit ihren langen Beinen bei Weitem nicht rankommt. Unter dem Schilf liegt eine totes, hundartiges pelziges Tier. Für einen Fuchs ist es zu groß. Hmm, da ist der Fährtenleser auch gleich schon wieder überfragt ?. Hoffentlich gibt es hier nicht auch noch hungrige Bären. Nach so einem langen Winter haben die ja immer einen ordentlichen Bärenhunger.
Nach einiger Zeit finden wir einen Tiertrampelpfad, den hat das Langbeintier auch genommen, und den nehmen wir nun auch.
Oben von der Düne haben wir einen tollen Ausblick und machen schnell noch zwei 360° Aufnahmen, die dann sicher auch bald ihren Weg auf unsere WebPage finden. Von Norden zieht Regen herüber, der uns aber verschont. So laufen wir oben auf der Düne etwas herum. Wahrscheinlich sind wir seid langen die einzigen, die hier herumlaufen. Natur pur. Das ist schon grandios, anders kann man das nicht sagen.
Zurück auf der PINCOYA genießen wir die doch leider immer noch recht frische Ruhe. Der Wind kommt mal stärker und mal schwächer aus allen Richtungen, die die Windrose so zu bieten hat und frischt dann aus Südost etwas auf. Fantastisch. Wenn nicht bei Nida die große Düne auf uns warten würde, könnten wir es hier noch etwas aushalten.
Ach ja, und die Capitana findet im Internet, dass das Langbeintier wahrscheinlich ein Elch gewesen ist. Die sollen sich hier auch heimisch fühlen. Also starren wir Stunde um Stunde ans Ufer, aber kein Elch will sich uns zeigen.
im Kurischen Haff südlich von Joudkrante
55° 29′ 48,2″ N, 21° 07′ 13,9″ E
Sonntag 30.04.
Sonntag locken uns nicht nur Nida und die Düne, sondern auch der blaue Himmel, der im Süden zu sehen ist. So brechen wir nach dem Frühstück und einer letzten und leider wieder erfolglosen Elchausschau auf. Da der Wind nun fast genau aus Süden kommt, fahren wir die letzten 15 Meilen bis Nida unter Motor. Von der Düne aus beobachten uns nicht nur einige Touristen, die auf einer Aussichtsplattform stehen, sondern auch ein Seeadler-Pärchen, das wir zunächst auch für ein Touristenpärchen halten. Aber im Fernglas sieht man deutlich, dass es sich um zwei Adlerschnäbel und nicht um zwei Hakennasen handelt.
Bei Pervalka überfahren wir die flachsten Stellen des Fahrwassers. Nun war die Wassertiefe bisher ja ohnehin nicht gerade üppig, aber die 2,0 m versuchen wir unwillkürlich durch eine Art Echolot-Hypnose nicht zu unterschreiten. Das gelingt auch weitgehend und langsam wird es Richtung Nida auch wieder etwas tiefer. So pendelt sich die Wassertiefe bei etwas über 3,0 m ein, wobei wir nun auch ab und zu tatsächlich Rekordtiefen von 3,40 m zu sehen bekommen.
Als wir uns Nida nähern, sehen wir einen Segelwald am Horizont. Als wir dann dichter dran sind, entpuppen sich die Segel als Laser- und Opti-Segel. Vom Hafenmeister erfahren wir später, das gerade die Frühjahrsregatta des hiesigen Segelvereins für den Seglernachwuchs läuft. Etwa 100 Optis und ebensoviele Laser sind gekommen. Am Ufer sitzen die Eltern mit Fernrohr und Teleobjektiv. Segelvereine aus allen drei Baltischen Staaten sind vertreten und wir kommen in Nida in einem vollkommen anderen Litauen an, als wir es vor 2 Tagen in Klaipeda verlassen haben.
in Nida
55° 18’ 6,8“ N, 21° 0′ 33,2″ E