Riga -> Kihnu Start: 16:50 (11.05.) Ende: 13:00 (12.05.) Wind: SE – ENE 5 – 12 kn Distanz: 73,5 sm Gesamtdistanz: 873,7 sm
Seit 1 1/2 Wochen versorgt uns das Russlandhoch schon mit Sonne und Wärme. Und da das Hoch auch ganz erfolgreich alle Tiefs aus Westen abwehrt, hält sich auch der Wind ziemlich zurück und weht meist nur so leicht vor sich hin. Gute Voraussetzungen für unsere wohl vorerst letzte längere Nachtfahrt, denn wenn wir den Rigaischen Meerbusen in Richtung Norden verlassen, dann werden die Fahrwasser etwas enger und man kann nicht mehr einfach so stundenlang geradeaus fahren. Dazu hat die letzte Eiszeit dort zu viele Steine und Untiefen zurückgelassen. Dort müssen wir dann ordentlich navigieren und können nicht mehr einfach so vor uns hindölmern.
Es ist Freitag und Freitag ist wohl auch ein guter Tag, um Riga zu verlassen. Das Wochenende steht vor der Tür und damit die Partyzeit der Wichtigen und Schönen und auch der nicht ganz so Wichtigen und nicht mehr ganz so Schönen. Einen kleinen Vorgeschmack davon bekommen wir auf der Ausfahrt in den Rigaischen Meerbusen. Noch im Hafenfahrwasser donnern unzählige Motorboote und einige martialisch in schwarz-grau gehaltene Monsterschoben im Brutalo-Military-Look an uns vorbei. An Bord ist Party und da zeigt man gerne mal, was die Motoren, die Boxen und der Kühlschrank so hergeben. Die Stockholmfähre stört das ja nicht groß, aber wir werden teilweise derart hin und her geworfen, dass wir einmal sogar bis zum Decksalon Wasser nehmen. Schnell sichern wir alles, was herumfliegen kann wie vor einem heranziehenden Sturm. Nur ganz wenige nehmen wenigstens etwas Rücksicht, die Masse donnert hemmungslos mit mehr als 20 Knoten kaum 100 Meter an uns vorbei.
Hinter der Hafenmole biegen wir schnell nach Norden ab, da die Motorboote im Fahrwasser einige Meilen weiter nach Nordwesten donnern, um dann umzudrehen, um wieder mit Highspeed im Hafenfahrwasser für ordentlich Schwell zu sorgen. Mit etwas Abstand setzen wir wieder die Segel, die hatten wir dann doch wegen der Motorbootfahrer runtergenommen, um selbst unter Motor dem Schwell etwas besser begegnen zu können. So beginnt eine unserer ruhigsten Nachtfahrten überhaupt. Nach wenigen Seemeilen sind wir absolut allein und es fährt einfach so mit 3 bis 5 kn vor sich hin. Im östlichen Teil des Rigaischen Meerbusens ist eh wenig los, die Hauptroute verläuft ja westlich zwischen der Irbenstrasse und Riga. Nur einmal kreuzt in dieser Nacht ein Frachter in einiger Entfernung, sonst passiert rein gar nichts.
Vor Riga hatten wir noch kurz einen lettischen Segler gesehen. Vielleicht derselbe, der auch schon auf Ruhnu war. Zumindest sah seine Hanse ganz verdächtig danach aus. Sieht man mal von den Motorbooten ab, die aber am Freitag ja aus ganz anderen Gründen ausgeführt werden, sind wirklich nur verschwindend wenige Segler hier unterwegs. Wahrscheinlich hat die Saison auch einfach noch nicht richtig begonnen und alle sind von dem schönen Sommerwetter total überrascht worden. So haben wir dieses tolle Segelrevier jetzt ganz für uns allein. Aber wahrscheinlich wird es auch im Hochsommer niemals auch nur annähernd so voll werden wie in der dänischen Südsee. Für die meisten Segler aus Deutschland und deren Sommerurlaub sind die Baltischen Staaten einfach zu weit weg. Das ist schade, denn das ist hier schon ein richtig tolles Segelrevier.
So plätschern wir durch die Nacht und in den Morgen hinein. Am Vormittag beginnt der Wind dann aber wirklich einzuschlafen. Wir werden immer langsamer und langsamer, aber es ist einfach zu wunderbar, so in der Sonne mutterseelenallein vor sich hin zu plätschern. Ein ums andere Mal drücken wir den „Unter-2-kn-Fahrt-Alarm“ weg und versuchen unsere norddeutsche Winterblässe durch eine ordentliche Urlaubsbräune zu ersetzen.
Auf Kihnu kommen wir in einer nagelneuen Marina an, der Schwimmsteg sieht so aus, als ob er erst seit wenigen Tagen schwimmt und die Sanitäranlagen machen den Eindruck, als ob wir die ersten sind, die hier die Duschen einweihen. Obwohl dort irgendetwas von 2014 dran steht, was wir aber nicht verstehen. Das Dänische, Schwedische oder Norwegische kann man sich ja noch etwas zusammenreimen, aber bei den baltischen Sprachen geht das gar nicht mehr, genauso wie beim Finnischen. Das Estnische erinnert mit seiner Liebe zu viele Vokalen, besonders Doppelvokalen, vielleicht etwas an das Finnische, über das wir uns beim Schmökern im Wörterbuch schon prima amüsiert haben. In jedem Fall ist Estnisch irgendwie eine freundliche Sprache, auch wenn wir kein einziges Wort verstehen.
Auf Kihnu angekommen, gehen wir erst einmal etwas spazieren. Wenn man so die ganze Nacht auf dem Schiff gesessen hat, dann tut ein kleiner Spaziergang mal ganz gut. Wir laufen durch den Wald und am Strand in Richtung dieser wirklich sehr mehrwürdigen, fast 4 km langen Landnase im Norden von Kihnu.
Und dort kommt es dann tatsächlich zum Äußersten! Wie durch Zufall habe ich ein Handtuch dabei und ich eröffne genau dort, wo die Landnase zur Langnase wird, die Badesaison 2018! Astrid ist sich noch nicht ganz so sicher, ob das nun jetzt und hier schon wirklich sein muss und wartet deswegen lieber erst noch einmal etwas ab. Ich muss eine ganze Weile laufen, bis ich soviel Wasser ums Knie habe, dass sich ein Schwimmzug wenigstens scheinbar lohnt. Mitte März war hier noch alles zugefroren und nun, knapp 2 Monate später, ist Badezeit. Schon irgendwie irre. Aber ehrlich gesagt war das nun auch kein Eisschwimmerchen, denn das Wasser hat am nicht repräsentativen Badeentchen schon flotte 16,5 Grad.
Sonntag, 13.05.
Bei der Hafenmeisterin haben wir gleich für 2 Tage bezahlt, wir brauchen mal etwas Ruhe nach der Unruhe von Riga. Und es ist ganz wunderbar beschaulich hier und da fallen uns 2 Tage alles andere als schwer. Der Sonntag ist dann Wandertag und wir laufen in einem großen Bogen über die Insel. Kihnu ist eher unspektakulär und wie geschaffen dafür, um abzuschalten und sich zu erholen.
Viele Insulaner scheinen auch Ferienwohnungen zu vermieten und einen Campingplatz gibt es auch. Und „Kämping“ ist eines der wenigen estnischen Worte, dass auch wir problemlos übersetzen können. Aber die Urlaubssaison hat noch nicht begonnen, so sehen wir nur einige Insulaner und haben auch hier unendlich viel Natur ganz exklusiv für uns allein.
Auch wenn in der Mitte der Insel eine Kirche steht, so einen richtigen Ort oder gar einen Ortskern gibt es nicht. Weit verstreut steht mal hier und da eine Ansammlung von Häusern oder auch ein einzelnes Gehöft. Und die angeblich nur in Trachten herumlaufenden Frauen sehen wir auch nicht. Also Frauen schon, aber die laufen in ganz normalen Klamotten herum. Einige der auf Kihnu beliebten Motorräder mit Beiwagen sehen wir aber schon, die aber eher nur als Gartendeko und weniger als Fortbewegungsmittel trachtenbewährter Amazonen.
Die beiden Kihnu-Tage ziehen so entspannt an uns vorbei und abends grillen wir in der Abendsonne auf dem Cobb am Heck der PINCOYA. Gut, dass wir in Riga noch ordentlich eingekauft haben und auch das Grillfleisch nicht vergessen haben.
auf Kihnu
58° 08′ 28,6″ N, 24° 01′ 9,1″ E