Samstag 19.05.
Haapsalu -> Kärdla auf Hiiumaa Start: 11:50 Ende: 20:50 Wind: NW – W 10 – 18 kn Distanz: 39,8 sm Gesamtdistanz: 983,1 sm
Wir überlegen etwas, was wir nun aus dem Wind und unserer Ausgangsposition in Haapsula machen sollen. Es ist ja inzwischen schon Samstag und wir wollen in Tallinn am liebsten am Donnerstag und Freitag der nächsten Woche sein, um uns dann vor dem Wochenendtrubel wieder aus Tallinn zu verdrücken. Am ersten Juni-Wochenende müssen wir dann spätestens durch den Saimaa-Kanal fahren, um am 05.06. unseren St. Petersburg – Trip mit der Bahn ab Lappeenranta bzw. Vainikkalla, dort ist die Grenzstation, zu starten. Das ist alles zugegeben etwas eng gesteckt, aber St. Petersburg während der Fußballweltmeisterschaft war keine Option und danach wäre es wesentlich zu spät gewesen.
Die Wettervorhersage meint, dass der Wind im Finnischen Meerbusen eher aus Nord kommen und dann sogar etwas auf Ost drehen soll. Das ist eine maximal blöde Richtung für die Strecke Haapsula – Tallinn, zumal die estnische Seite des Finnischen Meerbusens ja auch nicht gerade mit tollen Yachthäfen gespickt ist. Gehen wir mit diesem Wind zwischen Vormsi und dem Festland nach Norden, was der direkteste Weg wäre, dann haben wir den Wind genau dort direkt auf der Nase, wo man gar nicht kreuzen kann. Aber schließlich haben wir ja auch noch 5 Tage, bis wir überhaupt in Talllinn sein wollen. Die Sviby-Marina auf Vormsi direkt von Osten her anzulaufen, scheidet aus, weil die Capitana ihr 2m-Veto für dieses Fahrwasser eingelegt hat. Also kommt nur unten herum in Frage. Aber dann einfach wieder hoch nach Sviby, ist auch irgendwie blöd. Dann stecken wir dort wieder fest.
So entscheiden wir uns für Hiiumaa bzw. für Kärdla oder Lehtma auf Hiiumaa. Hiiumaa ist nach Saaremaa die zweitgrößte Insel Estlands und da sie den drittältesten Leuchtturm Europas hat, haben wir auch gleich noch einen weiteren Grund, dort einmal vorbeizuschauen. Also gehen wir südlich von Vormsi nach Westen und kreuzen uns dann nach Norden vor. Hier sind die Fahrwasser auch so, dass man wirklich etwas kreuzen kann. Der Wind ist flott bis kräftig und wegen der anstehenden Kreuz nehmen wir gleich die Starkwindfock. Wenn man ein Kutterrigg hat, dann macht die Fock auf einer Kreuz viel mehr Spaß als die Genua. Denn die Fock rutscht auf ihrer Selbstwendeschiene beim Wenden bereitwillig hin und her, während die Genua immer überredet werden möchte, um durch den Spalt zwischen Vorstag und Kutterstag zu kriechen. Und die Überredungskunst besteht eben darin, dass die Genua auf der einen Seite ein- und auf der anderen Seite wieder ausgerollt werden muss. Würde die Capitana eine eifrige Muckibudengängerin sein, dann wäre auch das alles kein Problem, denn dann würde sie das Ein- und Ausrollen der Genua als original PINCOYA-Muckibudenersatz empfinden. – Ist sie aber nicht und deswegen muss der Schiffsjunge das machen. Aber der Schiffsjunge ist kein echter Regattasegler und liebt eher das beschauliche Fahrtensegeln. Deswegen ist die Starkwindfock auch bei weniger Wind unser Favorit auf der Kreuz, denn ein einfaches Leben kann auch einfach schön sein, wenn’s mal nicht ganz so schnell geht.
Aber der Wind hat Mitleid mit uns und dreht langsam immer weiter auf West. So müssen wir am Ende gar nicht so viele Kreuzschläge machen, wie befürchtet, und können uns in einem gekonnten Pippi-Bogen knapp an der Westseite von Vormsi vorbei mogeln. Das geht dann auch mit Genua ganz prima, denn der Wind nimmt nach und nach ab.
Erst im letzten Jahr hat man eine klitzekleine Durchfahrt durch das östliche Flach nach Kärdla betonnt. Vorher musste man Kärdla immer von Norden her anfahren. Außer man war echter Local, kannte kein 2m-Veto und hatte die Nerven eines estnischen Wikingers. Nun ist dieses kleine Schlupfloch aber betonnt und so peilen auch wir es an. Mit dem passenden Wendewinkel schlüpfen wir durch und können sogar bis zur Ansteuerung von Kärdla segeln.
In Kärdla sind wir die siebten Gäste und die ersten Deutschen dieses Jahr überhaupt. Vom Hafenmeister bekommen wir gleich eine der druckfrischen Broschüren über Hiiumaa. Die ist richtig toll gemacht und so eine Art Liebeserklärung an Hiiumaa. Sehr schön.
Sonntag 20.05.
Und wenn man uns schon solch eine Liebeserklärung an seine eigene Insel in die Hand drückt und dazu die Sonne strahlt und der Wind Pause hat, dann muss man sich Hiiumaa auch wirklich näher ansehen. Schließlich wartet ja dort auch irgendwo noch der drittälteste Leuchtturm Europas darauf, von uns gefunden und bestiegen zu werden.
Direkt beim Hafenmeister bekommen wir einen Mietwagen der hiesigen Autovermietung. Der hat zwar einen kleinen Hafenmeisteraufschlag, aber es ist Sonntag und Pfingsten und wir bekommen die Schlüssel ohne jede auch noch so kleine Formalität einfach in die Hand gedrückt. „Alles gut, die Insel ist klein, fahrt mal los und stellt ihn einfach nachher wieder hier hin.“ Da diskutieren wir auch nicht um die 15€ mehr, denn bei der Autovermietung in Kärdla hätte er 35€ gekostet. Wobei die Relation schon irgendwie komisch ist; Hafengebühr 30€ und Mietwagen für einen Tag 35 €.
Aber egal, Astrid hat inzwischen in der druckfrischen Liebeserklärungsbroschüre alle Highlights eingekringelt, die wir sehen müssen. Und es gibt wirklich eine ganze Menge Kringel. So fahren wir im Uhrzeigersinn mehr oder weniger einmal um Hiiumaa herum und manchmal quer und wieder zurück und dann wieder quer.
Nach etwa der halben Strecke ist klar, dass wir nicht alle Kringel schaffen werden. So bleiben wir etwas länger im Südosten in dem Naturreservat Saaretrip auf der Halbinsel Kassari. Saaretrip ist auch wieder so eine merkwürdig lange Landnase. Hier hat man Pferde ausgewildert, die zusammen mit den Schafen helfen sollen, die ursprüngliche Landschaft wiederzubeleben und zu erhalten. Ob das nun besondere, früher einmal einheimische Wildpferde sind, können wir nicht sagen, aber es ist schon merkwürdig, einfach so zwischen den Pferden durchzugehen, die in zwei großen Herden hier herumlaufen.
Wir laufen dort bis fast auf die Spitze der Landlangnase, die geradewegs nach Saaremaa herüber zeigt.
Danach hat dann aber das Leuchtturm-Sightseeing die erste Priorität. Allerdings wird auch dieses Programm immer wieder von der ein oder anderen spontanen „Boah-was-ist-das-hier-schön-Pause“ unterbrochen.
An dem drittältesten Leuchtturm brauchen wir erst einmal einen Kaffee und ein Stück Kuchen. Das Ausflugsrestaurant hat schon geöffnet und wir können etwas verschnaufen, obwohl wie noch nicht ahnen, welcher Aufstieg uns gleich bevor steht.
Nach einem Blick ins Treppenhaus ist klar, dass dieser Leuchtturm nicht von Riesen gebaut wurde. Es müssen Zwerge mit überlangen Beinen gewesen sein, denn über den doppelthohen Stufen herrscht kaum Stehhöhe. So keuchen wir fast im Entengang nach oben, was sicherlich ein gutes Training ist, wenn man auf einen Wahnsinnsknackpötie hin trainiert, an dem man sich die Fingernägel abbricht, wenn man reinkneift. Wir müssen das aber eigentlich gar nicht, nur das weiß dieses Treppenhaus leider nicht.
Von oben haben wir einen wunderbaren Ausblick und machen auch gleich 2 Panoramen, die sicher auch bald ihren Weg auf unsere WebPage finden. Dann Leuchtturm 2 von 4 auf Hiiumaa, der ist in Ristna.
Mehr Leuchttürme machen wir dann auch nicht, weil uns die Zeit davonläuft. Aber am Leuchtturm soll der Surf-Spot von Hiiumaa schlechthin sein.
Da der Surf-Spot aber wohl gerade Pause hat und irgendwie verlassen wirkt und das Meer auch keine spektakulären Wellenberge an den Strand klatschen lässt, müssen wir selbst etwas Action machen.
Und weil wir gerade bei Serienaufnahmen sind, wühlen wir auch gleich noch schnell das Meer mit einen Tripple-Stone-Shot auf!
Erst gegen 19:00 sind wir vollgestopft mit Eindrücken wieder zurück. Hiiumaa ist absolut und definitiv eine Reise wert. Eine tolle Insel mit wunderhübscher Landschaft und einer abwechslungsreichen Küste. Estland ist ja schon unser Favorit unter den Baltischen Staaten und nun hat Hiiumaa einen Platz ganz oben auf der Estlandskala, sogar noch kurz vor Haapsula.
in Kärdla auf Hiiumaa
54° 00′ 32,9″ N, 22° 45′ 11,8″ E