12. + 13.07.
Hanko -> Turku Distanz: 60,4 sm Gesamtdistanz: 2009,9 sm
In Hanko drängt uns schon wieder die Zeit. Bis morgen Abend müssen wir in Turku sein, damit Ina am Samstag in aller Frühe ihre Fähre nach Stockholm erwischt. Das Wetter zeigt sich nun von seiner allerbesten Seite und gut 20 Seemeilen segeln wir langsam, aber stetig vor uns hin. Eigentlich könnten wir noch weiter segeln, aber wir müssen ja heute auch irgendwann irgendwo ankommen. Deswegen hilft uns dann auch nochmal der Motor, um unseren Zeitplan einzuhalten.
Die Schärenlandschaft zwischen Hanko und Turku zählt mit zu den schönsten Ecken Finnlands und wir äugen etwas sehnsüchtig in die ein oder andere Bucht. Hier könnten wir uns Wochen herumtreiben und Herumtreiben trifft dabei wohl die ganze Sache wie den sprichwörtlichen Nagel auf den Kopf. Nachdem wir in Turku waren, werden wir zwar nicht hierher zurückfahren, aber wir werden etwas weiter westlich nochmal etwas nach Süden gehen, um dann in einem Bogen wieder nach Norden die Ålands hinter uns zu lassen.
Als wir gerade die Segel heruntergenommen haben, kommt von hinten sehr schnell ein großes Schlauchboot auf und hält direkt auf uns zu. Ina übergibt schnell das Ruder an Astrid und schon ist das Schlauchboot neben uns. Es ist ein Polizeiboot und seitlich vorn auf der Schlauchbootseite steht ganz locker ein Polizist, begrüßt uns freundlich auf Deutsch und hält Astrid als Rudergängerin ein etwa zigarettenschachtelgroßes Ding unter die Nase. Astrid guckt etwas verblüfft und will das Ding nehmen. „Nee nee“, sagt der Polizist, „da in den Schlitz pusten!“ Und der Dialog geht dann in etwa so weiter, wenn man das überhaupt schon einen Dialog nennen kann. „Hä?“ „Ja, pusten!“ „Ich?“ „Ja, Alkohol!“ „Ach!“ Dann pustet Astrid, der Polizist guckt auf’s Display, alles ok, wünscht uns eine gute Fahrt und ist auch schon wieder auf dem Weg zum nächsten Kandidaten. So geht eine finnische Alkoholkontrolle zur See. Das haben wir selbst bei der deutsche Küstenwache noch nicht erlebt, die haben bisher immer nur irgendwelchen anderen Blödsinn veranstaltet.
Wenige hundert Meter nach der Alkoholkontrolle folgt dann auch schon gleich die nächste Überraschung. Erst sehen wir wieder einen Luftkampf zwischen einigen Möwen und einem Adler. Und dann sagt Ina plötzlich: Oh guck mal, die Möwe hat sich da genau auf dem Leuchtturm aber ein echt großes Nest gebaut.“ Und in der Tat, genau auf dem Leuchtfeuer Idskardkubb ist ein ziemlich großes Nest und darin steht eine ziemlich große Möwe. Im Fernglas entpuppt sich allerdings die ziemlich große Möwe als halbstarkes Adlerbaby, das Ausschau nach Mama und Papa hält, die sich aber gerade irgendwo weiter hinten eine Flugshow mit einigen aufgeregten Möwen liefern. Wir reißen ja selten mal das Steuer rum, aber diesmal umkreiseln wir Idskardkubb noch einmal, um uns das Adlerbaby aus der Nähe anzusehen. Ob das nun ein Fischadler- oder ein Seeadlerjunges ist, können wir nicht erkennen, aber absolut faszinierend ist es allemal.
Bevor wir am nächsten Tag aufbrechen, klettern wir noch auf Empfehlung der Supermarktdame auf den Felsen oberhalb von Paraisten Portti. Von hier hat man in der Tat einen wunderbaren Überblick über die Inselwelt des Archipelago. Dann brummen wir unter Motor in Richtung Turku und hoffen, in der Stadtmarina noch ein Plätzchen zu ergattern.
Und als wir gegen 16:00 in der Aurojoki Marina ankommen, sind tatsächlich noch zwei Boxen frei. Eine mit einem roten Schild und eine ohne. In die ohne passen wir nicht rein und bleiben zwischen den Dalben stecken. Der Finne, der neben der Box mit dem roten Schild liegt, winkt uns aber rein und erklärt uns, als wir drin sind, dass die Boxen mit roten Schild via Internet vorgebucht werden können und wir mal ganz schnell in die Bar dort, die auch Hafenbüro ist, gehen sollten, um die Box zu buchen und zu bezahlen. Also saust Astrid los, um das zu machen. Allerdings kommt Astrid schon nach wenigen Minuten mit der Info zurück, dass die Box in der Tat noch frei ist, 42 echte Euros kostet, die Bardame aber die Box nicht buchen kann und wir das selbst via Internet machen müssen, um dann zu ihr zurückzukommen, um den Rest des Checkins zu erledigen. Ok, so richtig doll verstehen wir nun diese Vorgehensvariante nicht, aber sei’s drum. Gott sei Dank springt uns nun noch einmal unser Nachbarfinne zur Seite, denn ich tue mich wirklich schwer mit der finnischen Reservierungsseite (www.satamapaikka.com) deren English-Button ich so schnell auch nicht in der Handy-Darstellung finde. Und da unser Nachbarfinne es eilig hat, drücke ich ihm einfach mein Handy in die Hand und er füllt für uns die finnische Seite im »Interview-fast-booking-Schnellverfahren« aus. 5 Minuten später haben wir einen Account von dieser Buchungsseite und der Liegeplatz, auf dem wir schon liegen, ist für uns reserviert und auch bezahlt. Und nun bekommt Astrid von der Hafenbürobardame auch die PIN für die sanitären Anlagen, aber erst nachdem die Bardame im Internet noch einmal gecheckt hat, ob wir auch wirklich im Internet reserviert und bezahlt haben.
Neben uns auf der anderen Seite liegt ein älteres Ehepaar aus Wales mit einer Victoria 800, einem 8m-Schiff! Am Heck weht die walisische Flagge und unter der Steuerbordsaling die finnische Gastlandflagge. So weit, so gut, wenn man mal davon absieht, dass die walisische Flagge keine offizielle Nationale ist, drückt sie aber ganz sicher einigen walisischen Stolz aus. Aber unter der Backbordsaling fahren die beiden die britische Seeflagge und darunter die Europa-Fahne. Das ist schon insgesamt eine sehr individuelle Zusammenstellung, die uns auch gleich mal ins Gespräch bringt, als ich frage, ob es sich bei ihrer Flaggenführung um eine Art politisches Statement handeln könnte.
Im zuckersüßestem English, dass man sonst nur von echten Ladys aus Rosamunde-Pilcher-Filmen kennt, die ausnahmslos auf Schlössern in Cornwall spielen, sagt unsere Nachbars-Lady: „Oh yes, it is, – indeed!“ Unsere walisische Nachbars-Lady ist von diesem Typ älterer Damen, die man sofort nur in sein Herz schließen kann. Sie muss deutlich über 70 sein und ihr Mann ebenfalls, wenn nicht noch etwas darüber. Sie ist noch weitgehend fit, so fit wie man eben mit deutlich über 70 sein kann. Ihr Mann kann ohne Krücken nicht mehr gehen und die beiden sind auf einer Victoria 800 unterwegs. Sie segeln jetzt noch jedes Jahr so ungefähr vier Monate. Letztes Jahr sind sie über Schottland, die Shetlands und Norwegen nach Westschweden gefahren und haben in der Vindö-Marina ihre Libby überwintern lassen. Dieses Jahr sind sie von dort gekommen und wollen nun bis Tallinn, um dann im nächsten Jahr wieder zurück nach England, – oh Entschuldigung – , selbstverständlich nach Wales zu fahren. Sie sind die letzten 12 Jahren immer unterwegs gewesen und immer mit ihrer 8m-Libby. Im Mittelmeer waren sie bis Sizilien und die Biscaya und Portugal wären besonders schön. Als wir uns so unterhalten, huscht mein Blick unwillkürlich immer wieder über ihr Schiff und dann zu der alten Lady. Unvorstellbar, diese Strecken auf einem 8m-Schiff und das in diesem Alter. Wir erzählen von unseren Plänen und sie sagt in diesem leisen, zuckersüßen Old-Lady-English: „Oh yes, it’s important to start early. You don’t need so much, – indeed.“ Und als wir uns am nächsten Tag verabschieden, fragt sie uns, ob wir einen Reeds Almanac haben. „Yes, indeed, we have an old one from 2004!“ „Oh, you know, the harbours don’t change so much, but I think after 10 years you could do with an new one. And don’t worry about the tides, they are always nearly the same.“
Stationen:
12.07. in Paraisten Portti 60° 08′ 50,3″ N, 22° 17′ 6,9″ E
13.07. in Turku 60° 26′ 23,1″ N, 22° 14′ 40,1″ E