Archipelago mediterrano

 

 


Samstag 14.07.

Bevor der Wecker eine Chance hat zu klingeln, ist Ina auf. Ihre Fähre nach Stockholm geht um 8:15 und ab 7:15 ist Boarding. Also stehen wir zu einer Zeit auf, die wir sonst nur im Arbeitsalltag wach erleben oder wenn wir eine Nacht durchsegeln. Diesmal läuft für Ina alles planmäßig, der Bus kommt pünktlich und schon kurz nach der Abfahrt der Fähre sagt unser Chat, dass auch die Fähre fahrplanmäßig pünktlich abgefahren ist und auch nicht erst noch neu gebootet werden musste.

 

„Und schon ist die Zeit vorbei und Ina muss schon wieder zurück.“

„Und schon ist die Zeit vorbei und Ina muss schon wieder zurück.“

In Turku kommt uns heute noch Almut, eine Arbeitskollegin, zusammen mit einer Freundin besuchen. Irgendwann im Winter stellte sich beim Arbeitskaffee heraus, dass Almut genau hier eine Fahrradtour im Archipelago von Turku macht, wenn wir Ina zur Fähre bringen. Eigentlich wollten wir uns in Naantali treffen, weil Naantali der Ausgangs- und Zielpunkt der Fahrradtour war und wir dort eh hinwollten. Aber vorgestern haben wir bei der Tourplanung gesehen, dass diverse Brücken die Zufahrt nach Naantali beschränken und wir auch unter der höchsten Brücke nicht so recht durchpassen. So haben wir unseren Treffpunkt kurzer Hand nach Turku verlegt.

 

„Einkaufstouren“

„Einkaufstouren“

Aber erst einmal wird nun eingekauft, denn die nächste Woche wollen wir uns durch das Archipelago von Turku und den östlichen Ålands treiben lassen. Unser südlichstes Ziel ist Jurmo. Dort war ich vor irgendwie 15 Jahren schon einmal auf meinem ersten Segeltrip durch die Ålands und fand die Insel absolut irre, weil sie so anders ist als alle anderen Felsinseln.

 

„Von der kleinen Fähre aus ein Blick den Aurojoki abwärts und aufwärts.“

„Von der kleinen Fähre aus ein Blick den Aurojoki abwärts und aufwärts.“

Da aber unser Dieseltank auch Reserve anzeigt, müssen wir nicht nur einkaufen, sondern brauchen auch noch dringend etwas Diesel. Der Schwachwind der letzten Tage und unsere fixen Termine haben uns mehr motoren lassen, als wir das sonst eigentlich so machen. Man kann sich in der Aurojoki Marina Diesel in Kanistern bringen lassen oder an einer der Bootstankstellen in Turku 1,70 € pro Liter Diesel bezahlen. Wir haben zwar noch 80 Liter Reserve in Kanistern dabei, aber die stehen im Keller der Backkiste. Es ist sehr angenehm zu wissen, dass dort noch 80 Liter für den Notfall stehen, aber es ist wirklich unangenehm, die dort rauszufummeln. Die nächste Autotankstelle ist Luftlinie nur 600 m entfernt, aber leider auf der andere Seite des Aurojoki. Also kramen wir die beiden leicht zu erreichenden 20 Liter Kanister und die Sackkarre heraus und gehen nicht nur Einkaufen, sondern auch Diesel holen. An der Autotanke kostet der Spass nur 1,39 € pro Liter, da geht man ja gerne mal etwas spazieren. Obwohl wir wohl locker 120 Liter tanken könnten, latschen wir nur einmal zur Tanke und nehmen nur 40 Liter, denn nun wird gesegelt und nicht mehr so viel motort.

 

„Da die Tanke auf der anderen Seite liegt, bekommen wir auch gleich mal ein Photo von der PINCOYA von vis-á-vis.“

„Da die Tanke auf der anderen Seite liegt, bekommen wir auch gleich mal ein Photo von der PINCOYA von vis-á-vis.“

Immer, wenn wir die Preise der Bootstankstellen sehen und wir uns für unsere Kanistervariante zum Tanken entscheiden, sind wir heilfroh, dass wir uns vor 6 Jahren für Kanister als »stille Reserve« entschieden haben und keinen weiteren festen Dieseltank eingebaut haben. Das war seinerzeit schon die weitaus preiswertere Lösung und ermöglicht uns heute überall „frischen“ Autodiesel zu „normalen Preisen“ zu tanken.

 

„Almut und Marika sind bei uns kurz zu Gast. “

„Almut und Marketta sind bei uns kurz zu Gast. “

Nachdem wir unsere Einkäufe verstaut haben und auch der Diesel getankt ist, kommen Almut und ihre finnische Freundin. Es ist schon ulkig, hier plötzlich und nach so langer Zeit eine Arbeitskollegin wiederzusehen, aber die Arbeit bleibt weit weg. So sitzen wir bei hochsommerlichen Temperaturen im Cockpit und tauschen unsere Finnlanderlebnisse aus. Für die beiden geht es nun weiter nach Helsinki und wir müssen dringend mal den Stadt-, Wochenend- und Urlaubshochsaisontrubel von Turku verlassen, denn uns ist nach etwas Ruhe und etwas mehr Natur zumute.

 

„Die Hafenanlagen der Aurojoki-Marina.“

„Die Hafenanlagen der Aurojoki-Marina.“

Turku -> südliche Bucht von Alon, Nultoviken (A) Start: 13:30 Ende: 17:00 Wind: W 6 -12 kn Distanz: 14,8 sm Gesamtdistanz: 2024,7 sm

 

„von Turku -> in die Bucht von Alon bei Nultoviken vor Anker“

„von Turku -> in die Bucht von Alon bei Nultoviken vor Anker“

Da wir den Platz nur bis 13:50 gebucht haben und auf dem Aurojoki schon diverse Anwärter mit Handy bewaffnet die freiwerdenden Liegeplätze reservieren, brechen wir um 13:30 auf. Ein Ziel hat Astrid auch schon gefunden und um 17:00 fällt dort nach einer gemütlichen Segelstrecke der Anker.

 

„Ausfahrtsansichten...“

„Ausfahrtsansichten…“

„Der Museumshafen gleich vorm im Aurojoki“

„Der Museumshafen gleich vorm im Aurojoki“

„Auf der einen Seite Stadt und auf der anderen Natur pur.“

„Auf der einen Seite Stadt und auf der anderen Natur pur.“

„Hausansichten...“

„Hausansichten…“

„Die Bucht von Alon, genau das Richtige für uns. Wir sind dort ganz allein!“

„Die Bucht von Alon, genau das Richtige für uns. Wir sind dort ganz allein!“

in südlicher Bucht von Alon vor Nultoviken vor Anker
60° 16′ 44,9″ N, 22° 07′ 6,8″ E


Sonntag 15.07.

Bucht von Alon, Nultoviken -> Nötö (A) Start: 11:45 Ende: 21:05 Wind: NW – umlf – NW 8 – 12 kn Distanz: 29,6 sm Gesamtdistanz: 2054,3 sm

 

„Von der Bucht von Alon, mit einer kleinen Unterbrechung auf Lillandet -> nach Nötö“

„Von der Bucht von Alon, mit einer kleinen Unterbrechung auf Lillandet -> nach Nötö“

Mal sehen, ob wir Jurmo heute erreichen können. Da Jurmo ein recht beliebtes Ziel ist und zudem hier gerade die Segelsaison auf Hochtouren läuft, ist es vielleicht kein schlechter Plan, erst am Sonntagabend dort anzukommen. In jedem Fall tingeln wir erst einmal in die Richtung nach Süden.

Eigentlich geht das Segeln recht gut. Der Wind passt halbwegs und es fährt schön vor sich hin. Seit Saimaa sind wir ja auf Hochspannungsleitungen getrimmt und überprüfen unsere Routen immer doppelt. Aber diesmal haben wir wieder so eine dieser Leitung zwischen Lillandet und On übersehen. Gott sei Dank merken wir es noch früh genug, denn es hat uns schon etwas stutzig gemacht, dass keiner der mit uns fahrenden Segler diese Durchfahrt nimmt und alle weiter nach Südosten fahren. Also müssen auch wir auch On und Sandö im Osten umrunden, um dann nach Süden abzubiegen.

 

„Reingefallen und dumm gelaufen, 14m reichen nicht. Das könnte man auch ruhig etwas dicker in den Seekarten verzeichnen.“

„Reingefallen und dumm gelaufen, 14m reichen nicht. Das könnte man auch ruhig etwas dicker in den Seekarten verzeichnen.“

Um 15:00 wird der Wind allerdings richtig zickig und dreht munter auf alle Richtungen, die die Windrose so hergibt. Unter Motor fahren wir in eine kleine Bucht und lassen dort um 15:30 den Anker fallen. Denn so geht’s gar nicht voran und auf Motor haben wir nun gar keine Lust mehr.

 

„Pause wegen Windzicken….“

„Pause wegen Windzicken….“

Als wir so vor Anker liegen, Kaffee trinken und in der Sonne braten, verstehen wir leider erst etwas zu spät, warum um uns herum plötzlich ein riesiges Spektakel und Geschrei aufbrandet. Direkt über uns kreist ein Fischadler und wird von mehreren Möwe attackiert. Leider haben wir die Kamera nicht schnell genug am Start, um von diesem Spektakel noch einige Aufnahmen zu machen. Majestätisch zieht der Adler seine Bahnen, während die Möwen zu immer neuen Scheinangriffen ansetzen, aber sehr genau darauf achten, dem Adler nicht zu nahe zu kommen.

Gegen 17:00 hat der Wind seine Launen mehr oder weniger ausgelebt und kommt wieder aus Nordnordwest. Wir brechen auf, um noch einige Seemeilen in Richtung Süd zu machen.

 

„Auch die Finnen lieben den Sundowner, oben auf dem Felsen zwei Sundowner-Bänke.“

„Auch die Finnen lieben den Sundowner, oben auf dem Felsen zwei Sundowner-Bänke.“

Nun ist es ein herrlich flottes Segeln und nach 4 Stunden und 18 sm lassen wir den Anker in der Lagune von Nötö fallen.

 

„Die Lagune von Nötö. Morgens kommt die Fähre, dann herrscht hier für 30 Minuten Aufregung, denn alles, was man braucht, und auch die neuen Urlaubsgäste kommen mit der Fähre. Und Amazon liefert hier schon »same week« mit Aufschlag und »same month« aufschlagsfrei, wenn man Prime hat ?!“

„Die Lagune von Nötö. Morgens kommt die Fähre, dann herrscht hier für 30 Minuten Aufregung, denn alles, was man braucht, und auch die neuen Urlaubsgäste kommen mit der Fähre. Und Amazon liefert hier schon »same week« mit Aufschlag und »same month« aufschlagsfrei, wenn man Prime hat ?!“

Die Lagune von Nötö ist natürlich keine echte Lagune, sondern auch »nur« eine Bucht in einem Ensemble der Granitfelsinseln, das die Eiszeiten hier hinterlassen haben. Aber sie ist fast vollständig geschlossen, hat zwei Eingänge und als wir einfahren, hat die Sonne schon den ganzen Tag so südseemäßig geschienen, als ob es einen Preis zu gewinnen gibt. Und da passt eben »Lagune« wie die Faust aufs Auge.

in der Lagune von Nötö vor Anker
59° 57′ 14,0“ N, 21° 44′ 58,9″ E


Montag 16.07.

Nötö (A) -> Jurmo (A) Start: 11:40 Ende: 16:30 Wind: NE-N-NW 4 – 8 kn Distanz: 15,1 sm Gesamtdistanz: 2069,4 sm

 

„von Nötö -> nach Jurmo“

„von Nötö -> nach Jurmo“

Seit Samstag ist definitiv der höchste Hochsommer zurück. Vorher war es auch schon nicht schlecht, aber nun brüllt die Sonne fast 20 Stunden von einem wolkenlosen Himmel. So wie schon im Mai und Juni fahren wir nur noch in kurzer Hose und T-Shirt oder weniger. Ganz Finnland spricht von dem wettertechnisch vollkommen in die Hose gegangenen Mittsommer und kann nicht glauben, dass sich vorher und nun auch hinterher ein Jahrhundertsommer austobt. Eine Finnin erzählt uns, dass es in diesem Jahr sogar so trocken ist, dass in einigen Regionen schon das Bewässern der Gärten verboten wurde. Und immer wieder hören wir den Satz: „Last year the summer came in July and after a week it was autum!“ So segeln wir in türkisem Wasser durch ein »Archipelago mediterrano« und haben zudem ein fast authentisches »Caribbean feeling« mitten in Finnland.

 

„Erst segelt's, dann werden die kleinen im Dingi gezogen.“

„Erst segelt’s, dann werden die kleinen im Dingi gezogen.“

Morgens und abends gehen wir schwimmen und wenn man nicht zu sehr mit den Beinen zappelt und das etwas kältere Wasser von unten hochquirlt, dann schwimmt man tatsächlich in einem sehr angenehmen 20°-Badewasser.

Und das warme Wetter hat auch noch sein Gutes für unsere Gasvorräte. Endlich kommt auch der letzte Rest Butan aus den blauen Campingaz-Flaschen. Bisher haben wir die blauen Flaschen immer nur 3/4 leer bekommen, dann war Schluss mit einer Vergasung, die auch noch zum Kochen reicht. Nun stellen wir die 3/4 leeren Flaschen einfach in die Sonne und schon bequemt sich auch der letzte Rest Butan, mal am Herd vorbeizuschauen. Wenn Campingaz überhaupt für Skandinavien geeignet ist, dann höchsten im Hochsommer in Dänemark oder Südschweden. Alles andere ist vollkommener Bullshit, denn das Butan hat bei den normalen skandinavischen Temperaturen schon im Sommer nur mäßige Lust, aus der Flasche zu kommen, und es bleibt immer ein Rest zurück. Und dass man bei normalen Temperaturen hier oben nur 3/4 einer Flaschenfüllung nutzen kann, ist bei den wirklich unverschämten Preisen für Campingaz noch zusätzlich doppelt ärgerlich. Gott sei Dank haben wir uns im letzten Winter ja noch eine Propangas-Variante installiert und damit bis Estland auch gekocht. Wenn wir die nicht gehabt hätten, wäre unsere Küche bis Lettland definitiv kalt geblieben. Und weil Butan hier oben vollkommen unbrauchbar ist, gibt es hier auch kein Butan und kein Campingaz. Der einzige Nachteil unserer Propangasflaschenlösung ist, das die Flaschen wegen der Belüftung im Durchgang zur Badeplattform stehen. Das führt dann zu folgender Win-Win-Situation; wenn es kalt ist und ohnehin keiner auf die Badeplattform gehen will, dann kochen wir mit Propan und kommt es unerwartet zu einem Sommer, dann kann kommt auch mal eines der blauen Fläschchen zum Einsatz. Wie man am Ende auf die Idee kommen konnte, auf Basis von Butan ein weltweites Tauschsystem aufzuziehen, ist mir ein vollkommenes Rätsel. Da müssen wohl die Initiatoren in der Schule den Teil des Erdkundeunterrichts mit den nördlichen und südlichen Breiten vollkommen versäumt haben. und zusätzlich in Chemie eine 5 bekommen haben.

 

„Still ruht die See“

„Still ruht die See“

Von Nötö aus sind es nur noch 8 sm bis Jurmo. Anfangs geht es tatsächlich flott voran, aber dann schleichen wir in meiner Schwimmgeschwindigkeit durch die äußeren Schären des Turku Archipelagos. Das Bild um uns herum hat sich Seemeile für Seemeile ziemlich verändert. Je weiter wir nach außen kommen, desto kahler werden die Felseninseln. Nur noch vereinzelt stehen Bäume auf den Inseln und so etwas wie ein Wäldchen findet sich nur noch geduckt in einer Senke oder hinter einer Felskuppe. Man ahnt förmlich, wie hier vom Herbst bis zum Frühling der Wind ungebremst herüber fegt und alles zerzaust, was seine Zweige zu weit nach oben reckt.

 

„Jurmo voraus, mal sehen, es kommen uns schon wieder welche entgegen.“

„Jurmo voraus, mal sehen, es kommen uns schon wieder welche entgegen.“

So sehr die inneren finnischen Schären noch an die ostschwedischen Schären erinnert haben, so sehr erinnern uns die äußeren Schären hier an die westschwedischen Schären in Kattegat und Skagerak. Die felsigen Inseln ragen oft nur wenige Meter aus dem Meer und sind nur noch mit Flechten, Gras und etwas Heide bedeckt. Nur an wenigen Stellen klammert sich noch ein Busch oder gar ein windgebäugter Baum in einer der Felsspalten fest. Es ist eine urwüchsige Landschaft, die in einem absolut krassen Gegensatz zu dem aktuellen Hochsommerwetter steht. Zwischen diesen Insel erwartet man unwillkürlich harte Sturmböen und Kreuzseen, aber nicht türkises Wasser, was lieblich an den rundgeschliffenen Felsen herumplätschert. Uns soll es recht sein, denn so plätschern auch wir entspannt durch diese magische Inselwelt mit ihren vielen tollen Felsen und den wenigen Ankermöglichkeiten, die bei diesem Wetter aber alle kein Problem sind.

Um 15:20 suchen wir im Hafen von Jurmo vergeblich einen Liegeplatz. Vielleicht könnte man irgendwo noch die Mooringlieger etwas auseinander drücken und sich dazwischen zwängen. Wenn wir wegen des Wetters unbedingt einen Hafenplatz bräuchten, dann würden wir sicher auch einen finden. Auch am Fähranleger wäre noch Platz, denn die Fähre kam uns vor einer halben Stunde ja gerade entgegen. Im Hafen herrscht juchee-schwangere Hochsommerurlaubsstimmung. Als ich vor irgendwie15 Jahren schon einmal hier war, lagen wir mit zwei Finnen und einem Schweden allein am Mittelsteg. Mit diesem Bild im Kopf bin ich natürlich hierher gefahren und nun dies.

 

„Etwas kniffelig, aber es passt.“

„Etwas kniffelig, aber es passt.“

Während wir langsam wieder aus dem Hafen tuckern, suchen wir abwechselnd in der Karte nach einer Ankermöglichkeit. Die sind in den äußeren Schären nicht so reichlich gesät und wenn man etwas gefunden hat, dann muss man auch erst einmal dorthin kommen. Die nächsten Tage soll es weiterhin schwach bis mäßig aus Nord bis Nordost wehen. Im Süden von Jurno sieht es nach einer schönen Ankermöglichkeit aus. Aber dort führt kein betonnter Weg auch nur annähernd vorbei. Ganz von Südosten kommend könnte man die Stelle über eine teilweise 100m tiefe Rinne anfahren, bis diese auf Ankertiefe ansteigt. Das wäre aber ein Umweg von 20 Seemeilen, um dann 1 Seemeile südlich unserer jetzigen Position, aber im Süden von Jurmo den Anker fallen zu lassen. Auch irgendwie blöd. Jurmo einfach östlich zu umfahren gefällt uns auch nicht, dort hat die Eiszeit zu viel Steine herumliegen lassen. Aber südwestlich gibt es eine Durchfahrt, die breit und tief genug aussieht, aber eben nicht betonnt ist. Wir beschließen es dort zu versuchen und setzen uns selbst die Grenze von 4 m Tiefe als Wendemarke. Die Durchfahrt soll zwischen 6 und 10m haben ist aber auch nicht wirklich breit. Steuerbord ein Stein und backbord ein Flach von 1,5 m.
Als wir näher kommen, sehen wir, dass auf dem steuerbordseitigem Stein ein inoffizielles, vielleicht »privates«, und nicht in der Karte eingezeichnetes Seezeichen steht. Alle Peilungen zu den anderen Steinen und eben diesem Seezeichen stimmen. Bisher war auf unseren iSailor-Karten immer zu 100% Verlass. Natürlich wissen auch wir, dass nicht alle Steine und Felsen außerhalb der eingezeichneten Fahrwasser kartographiert sind. Aber diese »inoffizielle Durchfahrt« scheint so eindeutig zu sein, dass wir auch nicht unseren letzten Joker ziehen und mit dem Schlauchboot und dem Handecholot vorweg fahren.

Langsam tuckern wir in Krabbelgeschwindigkeit durch die Durchfahrt. Einmal sehen wir kurz die 6,1 m, dann wird’s wieder tiefer und schwupps haben wir schon wieder 15 m unter dem Kiel. Mutterseelen allein und in einer vollkommenen Ruhe lassen wir um 16:30 im Süden von Jurmo den Anker fallen.

 

„Landausflug auf Jurmo“

„Landausflug auf Jurmo“

Abends fahren wir noch mit dem Gummiboot nach Jurmo an Land und laufen 1 1/2 Stunden auf dieser merkwürdigen Insel herum. Eigentlich ist Jurmo nichts anderes als eine eiszeitliche Endmoräne mit einem dicken Felsen in der Mitte. Von Nordost nach Südwesten erstreckt sich über mehrere Kilometer eine gigantische Geröllhalde von handballgroßen Kullersteinen. Das sogenannte »Teufelsfeld«. In den Senken davor und dahinter versuchen einige Bodendecker, Gräser und Sträucher ihr Glück.

 

„Wenn der Wind aus Südwest kommt, ist es hier nicht mehr ganz so kuschelig.“

„Wenn der Wind aus Südwest kommt, ist es hier nicht mehr ganz so kuschelig.“

„Abendstimmung auf der Endmoräne.“

„Abendstimmung auf der Endmoräne.“

Die ersten Bewohner von Jurmo lebten recht gut von dem Setzen falscher Feuer und dem Plündern dann aufgelaufener Schiffe. Das fand allerdings der schwedische König irgendwann nicht mehr so lustig und schickte seine königliche Marine. Die töteten kurzerhand alle Bewohner Jurmos und brannten die komplette Insel nieder, einschließlich des damals noch bestehenden Waldes. Erst nach einigen Jahren durften auf Jurmo wieder königs- und gesetzestreue Untertanen siedeln. Seit 1935 versucht man im Nordosten wieder etwas Baumbestand anzusiedeln, der tut sich unter den rauen Bedingungen aber wirklich schwer, hier Fuß zu fassen.

 

„Die PINCOYA versinkt in einem Meer aus Pastellfarben.“

„Die PINCOYA versinkt in einem Meer aus Pastellfarben.“

„Und wieder mal ein unglaublicher Sonnenuntergang.“

„Und wieder mal ein unglaublicher Sonnenuntergang.“

südlich von Jurmo vor Anker
59° 48’ 41,3″ N, 21° 34′ 45,5″ E


Dienstag 17.07.

Das Ende des Dienstags ist eigentlich anders geplant. Nachdem wir den ganzen Tag einfach mal nichts gemacht hatten, wollen wir abends grillen. Aber dann wird aus dem 7-Knoten-Wind ein 17-Knoten-Wind und aus dem Nordost ein reiner Ost mit leichter Tendenz nach Süd. Schlagartig ist damit unsere schöne Ankerposition nicht mehr ganz so schön und es wird ziemlich unruhig.

Jurmo (A) -> Utö (A) Start: 18:40 Ende: 22:20 Wind: E – NNE 17 – 6 kn Distanz: 14,2 sm Gesamtdistanz: 2083,6 sm

 

„von Jurmo -> nach Utö“

„von Jurmo -> nach Utö“

Kurz nach 18:00 ist dann klar, dass es hier und heute mit dem Grillen nichts mehr wird. Und da das Wetter keine Anstalten macht, es sich doch noch einmal anders zu überlegen, beschließen wir abzuhauen. Als Fluchtpunkt gibt es zwei Möglichkeiten, entweder auf der Nordwestseite von Jurmo zu ankern oder nach Utö zu gehen. Nach kurzer Kartenberatung beschließen wir, Utö anzulaufen und dort zwischen den Insel zu ankern. Die Ausfahrt durch die unbetonnte Rinne klappt problemlos, denn nun müssen wir ja nur auf unserer eigenen Tracklinie von gestern zurückfahren. Ein Hoch auf die elektronische Navigation!

 

„Der Wind hat gedreht uns es wird schaukelig. Im Gegenlicht ist die kleine Marke auf dem Stein schwer auszumachen.“

„Der Wind hat gedreht uns es wird schaukelig. Im Gegenlicht ist die kleine Marke auf dem Stein schwer auszumachen.“

„Goodbye Jurmo...“

„Goodbye Jurmo…“

Gut 5 Seemeilen vor Utö erinnert sich der Wind aber an die Vorhersage und macht das, was die Meteorologen ihm vorhergesagt hatten. Ganz langsam segeln wir weiter bis Utö und die Putenschnitzel wandern statt auf den Grill in die Pfanne. Kurz vor Utö machen wir noch einen Ankerversuch in der südlichen Bucht von Storskar, aber die Tiefe in der Bucht bleibt hartnäckig bei deutlich über 10 m. Das ist nichts für unsere Ankerkettenlänge und an der alten, früher mal militärisch genutzten Betonpier liegt schon ein Finne, der sich schnell eine Hose überzieht, als wir um die Ecke kommen. In solcher Abgeschiedenheit geht man nicht ohne echte Not bei einem anderen Segler längsseits, dass kann man in einem Hafen machen, aber in der freien Wildbahn sucht man sich selbst einen Liegeplatz. Also geht’s weiter nach Utö.

 

„So kommen wir auf Utö an, kann es einen schöner treffen?“

„So kommen wir auf Utö an, kann es einen schöner treffen?“

Das Ankerfeld zwischen den Insel von Utö ist ziemlich gut gefüllt, aber wir finden noch ein Plätzchen auf etwa 7m und der Anker beißt sich fest, als die Eieruhr verkündet, dass nun auch der Reis fertig ist.

 

„Abendstimmung auf Utö.“

„Abendstimmung auf Utö.“

in der Bucht von Utö vor Anker
59° 47’ 14,3″ N, 21° 22′ 13,6″ E