Arholma -> Wasahamnen (Stockholm) Distanz: 55,5 sm Gesamtdistanz: 3.092,0 sm
Als wir am Freitag dann in Richtung Stockholm aufbrechen, ist wie gesagt von dem starken Ostwind nichts zu spüren. Da haben wir richtig Glück gehabt, dass wir uns doch schon am Mittwoch für die »ruhige« Variante der Überfahrt von den Ålands entschieden haben. Heute wäre die lange Strecke ein zähes Unterfangen geworden. Außerdem ist es etwas naturtrüb und regnerisch.
Den ganzen Tag bewegen wir uns nur knapp nördlich einer Regenfront, die immer mal wieder drohend zu uns herüberblickt, aber uns dann doch nichts tut. Erst 10 Seemeilen von Vaxholm beginnt es zu dröppeln und der wenige Wind haucht mit den ersten Tropfen auch sein Leben ganz aus. Da wir heute nicht wirklich schnell vorangekommen sind, ist es schon recht spät. So beschließen wir, einfach den Anker hinter Alon fallen zu lassen. Soll der Regen doch machen, was er will, wir verkriechen uns. Morgen ist auch noch ein Tag, um Vaxholm zu erreichen.
Am nächsten Morgen werden wir von der Kettensägen-Weltmeisterschaft geweckt. Unzählige Schweden scheinen sich rund um uns herum versammelt zu haben, um Brennholz für die nächsten 10 arktischen Winter zu sägen. Nur langsam begreifen wir, dass hier doch nicht Brennholz in rekordverdächtiger Menge gesägt wird, sondern dass wir fast inmitten eines Powerbootrennens ankern. Aber Gott sein Dank eben nur fast, denn wir dienen nicht als Wendemarke, die Krawallboote kreischen aber dicht an unserer Bucht vorbei und verschwinden dann hinter der Inseln Alon. Es sind Speedboote verschiedener Größen, die im Hauptfahrwasser von Stockholm nach Osten donnern, um dort zu wenden, zurückzukommen und einen neuen Anlauf zu nehmen. In einem großen Bogen brüllen sie um einige Inseln herum. Ab und zu fährt eine der Stockholm-Turku-Fähren durch, aber das scheint die Wasser-Formel-1 nicht wirklich zu stören.
Überall stehen Aufpasserboote, auch vor dem Ausgang unserer Bucht. Wir haben keine richtig gute Idee, wie wir hier heile wegkommen. Also frühstücken wir erst einmal ausgiebig mit Eichen, Toast, O-Saft & Co. Als alles aufgefrühstückt ist, brechen einige der Aufpasserboot auf. Das ist unsere Chance, also beschließen auch wir, mal einen Versuch in Richtung Vaxholm zu wagen. Das gelingt sogar mehr oder weniger aufregungsfrei, obwohl noch einige Nachzügler gefährlich überraschend hinter einer kleinen Halbinsel herausstechen und uns passieren. Wir versuchen in der ballistischen Deckung dieser Halbinsel, den kleinen Geschossen zu entgehen. Dann kommt eine Art Schlussboot, dass die Strecke offensichtlich noch einmal kontrolliert, um verlorengegangene Rennstrategen einzusammeln. Die haben sogar Taucher dabei und sind wohl für alles gerüstet, auch wenn einer der Rennpiloten auf Tiefe geht. Hinter dem Restesammler wagen wir uns durch, denn nun fährt auch ein schwedischer Surf-Opi mit 0,01 Knoten in die Rennstrecke ein. Entweder will der Schluss machen oder weiß, dass keiner mehr kommt. Wir schließen uns der zweiten Möglichkeit an und entkommen in Richtung Vaxholm.
Die Burg Vaxholm liegt strategisch günstig, um die nordöstliche Einfahrt nach Stockholm zu verteidigen. Westlich der Burginsel liegt die Stadt Vaxholm und hier liegt auch der Yachthafen inmitten all der Fähren, Ausflugsboote, Wassertaxis und sonstigen schwimmenden Gefährten. Vaxholm ist ein beliebtes Ausflugsziel und entsprechend viel Betrieb ist hier auch. Und es ist Samstag …, da hatten wir gar nicht mehr dran gedacht. Wenn man nicht arbeitet, verliert der Wochenrhythmus schnell an Bedeutung. Vaxholm läßt sich für Yachties mit 5 Worten zusammenfassen: »Schrecklicher Hafen in toller Stadt«. Selten, wirklich sehr selten haben wir bisher in einem vergleichbar unruhigen Hafen gelegen und wenn, dann kam die Unruhe durch extrem schlechtes Wetter und nicht durch einen permanenten Fährbetrieb und das ständige Vorbeifahren von unzähligen kleinen, mittleren und großen Ausflugsbooten und Linienschiffen. Es ist schier unglaublich, nichts können wir im Schiff einfach mal so herumstehen lassen, denn immer wieder schaukelt sich der ganze Hafen so auf, dass alles runterfliegt.
Aber die allererste Überraschung ist, dass es nun im Yachthafen nur noch Mooringleinen gibt, da man für die Erweiterung des Mittelstegs Platz brauchte. Doch Mooringleinen-Manöver können nur halbwegs kontrolliert gelingen, wenn man römisch-katholisch anlegt, also mit dem Heck zur Pier. Hier legt aber niemand römisch-katholisch an und wir wollen auch auf keinen Fall mit dem Heck an der belebten Pier liegen. Es gibt ja extrovertierte Eigner, die dieses »Sehen und Gesehen werden« brauchen, doch wir haben es ganz gerne etwas abgeschlossener. Und weil das Vorwärtsanlegen und eine Mooringleine gar nicht so recht zusammen passen, geht auch unser Vorwärtsanleger komplett in die Hose. Gut, wegen des leichten Seitenwindes stand unser Mooringleinenanleger ja ohnehin schon unter einem schlechten Stern, denn der Seitenwind unterstützt den Radeffekt der PINCOYA natürlich in dem Moment bereitwillig zur falschen Seite, als es ohnehin schon keine richtigen Seiten mehr gibt.
Zu allem Überfluss wickelt sich Astrid beim Sprung auf die Pier auch noch die Luvleine geschickt um ihren rechten Fuß. Der Zug auf der Luvleine bringt sie sofort ins Straucheln, und läßt sie direkt vor einigen Schweden unsanft auf ihrem Hintern landen. Mit dem Fuß in der Luvleine liegen nun die Mooringleine und auch der Festmacherring fast außer Reichweite. Rückwärts darf ich nicht geben, dann würde ich Astrid direkt ins Hafenbecken befördern. Krabbelnd erreicht Astrid doch noch den Ring für die Luvleine und kann mir auch irgendwie die Mooringleine auf den Bootshaken hängen, dem wieder mal die letzten 15 cm fehlen. Trotzdem gelingt es Astrid, auf der Pier krabbelnd die ganze Zeit in die schwedische Zuschauermenge zu lächeln, denn schließlich möchte sie die größtmögliche Natürlichkeit dieses unkonventionellen Anlegers ausstrahlen und auch betonen. Alles in ihrer Haltung ruft: „Hey, das machen wir immer so, wenn uns ein fremder Hafen spontan gefällt. That’s an old German berthing tradition, you know!“ Währenddessen schwingt die PINCOYA ohne Heckleine gar nicht mal so ganz langsam auf unseren Nachbarlieger zu. Der liegt leider längsseits und ist somit keine wirkliche Stütze. Die Augen unseres neuen Nachbarn kleben an der Scheibe seines Deckshauses und scheinen unablässig nur ein einziges Wort zu brüllen: „FEEEENDER! FÄNDAHA!“ Im letzen Moment kann ich dann doch noch die eklig schmierige Moringleine von der lächelnden Astrid ergattern, nach hinten auf eine der Winschen zerren und Schlimmeres verhindern. Und schon während ich noch die Mooringleine mit der Winsch hole, setze auch ich mein selbstverständlichstes Natürlichkeitslächeln auf, sehe nach Astrid, die sich tatsächlich noch auf der Pier befindet und auch noch so lächelt, wie man sonst nur auf dem Laufsteg lächelt.
Die neue kleinen Delle im Bugspriet taufen wir dann auf den schwedischen Namen »Vaxholmen Dellenen«. Und gleich kurz nach der Taufe flötet eine klassische, schwedische Schönheit in Gestalt der Hafenmeisterin uns ins Ohr, dass die Hafengebühr außerhalb der Saison zwar nur 200 Kronen beträgt, wir aber heute mit 400 Kronen dabei sein dürfen, weil es Samstag ist.
So hat Vaxholm für uns irgendwie einen ungünstigen Start, doch die Stadt selbst ist wirklich hübsch, denn unzählige tolle Holzhäuser bilden den alten Kern der Stadt. Auf zwei langen Spaziergängen laufen wir durch die Gassen und Strassen und beschließen nach der ersten Runde, dass wir am Sonntag doch nicht zur Burg übersetzen, sondern einfach noch mal eine etwas größere, zweite Runde durch die Stadt drehen. Auch weil die knatterblonde Hafenmeisternixe uns gleich bei unserer Ankunft erklärt hat, dass wir um 12:00 wieder weg sein müssen, wenn wir nicht auch noch den Sonntag bezahlen möchten.
Also legen wir um kurz vor 12:00 ab und brummen in Richtung Stockholm. Ganz ohne Frage ist Vaxholm einen Stopp wert, aber ebenso sicher würden wir es das nächste Mal etwas anders angehen. Etwas westlich von Vaxholm kann man gut ankern und die Bucht liegt in Dinghy-Entfernung. Das wäre mit Sicherheit die bessere, preiswertere und vor allen ruhigere Alternative gewesen.
Die Fahrt nach Stockholm ist unspektakulär, obwohl die Fahrwasser von Villen gesäumt werden, die einem schon das ein oder andere Mal die Sprache verschlagen. Es ist Sonntag und dementsprechend viel ist auch auf dem Wasser los. Gegen 15:00 fummeln wir uns durch die verschachtelten Steganlagen des Wasahamnen bis in das hinterste Eckchen des Yachthafens. Hier liegen wir erstaunlich gut und ruhig und rundherum wartet Stockholm auf uns.
Stationen:
31.08. Arholma -> südwestl. Alon (A) 33,5 sm: 59° 30′ 34,0″ N, 18° 32′ 27,4″ E
01.09. südwestl. Alon (A) -> Vaxholm 10,5 sm: 59° 24′ 01,7″ N, 18° 21′ 03,3″ E
02.09. Vaxhoml -> Wasahamnen Stockholm 11,5 sm: 59° 19′ 35,5″ N, 18° 05′ 39,5″ E