Einige Meilen in den Schären zu Abschied


10.09. -> 14.09.
Oxelösund -> Kalmar Distanz: 161,1 sm Gesamtdistanz: 3.353,9 sm

„Oxelösund -> in die Bucht von Orrholmen (A)“

„Oxelösund -> in die Bucht von Orrholmen (A)“

„von Orrholmen (A) -> nach Kalmar “

„von Orrholmen (A) -> nach Kalmar “

Es ist nicht gerade gemütlich in Oxelösund. Der kräftige Süd drückt einen schwabbeligen Schwell bis in den Yachthafen. Wenn man über den Schwimmsteg geht, fühlt man sich an dieses Video erinnert, in dem sich eine Hängebrücke im Sturm total aufschaukelt und verwindet. So wird auf dem Steg schon der richtige Seemannsgang trainiert. Und wenn wir über den Bug auf die PINCOYA steigen wollen, müssen wir den richtigen Moment abpassen, um einen Lift nach oben zu bekommen. Dass es draußen ordentlich schaukelig ist, bestätigt uns dann auch ein Schwede, der mit seinem Angelboot reinkommt, abwinkt, mit den Händen eine Wellenbewegung macht und den Kopf schüttelt. Wir sind gerade noch dabei, alles seeklar zu machen, als er »very rough« zu uns herüber ruft.

„Oxelösund verabschiedet sich mit einem farbenfrohen Graugrau, das leicht ins Trübe spielt“

„Oxelösund verabschiedet sich mit einem farbenfrohen Graugrau, das leicht ins Trübe spielt“

Seit zwei Tagen weht es mehr oder weniger kräftig aus Süd bis Südost. Das ist für unsere Rückreise nicht gerade die optimale Windrichtung, denn die schwedische Ostküste erstreckt sich ziemlich genau von Nord nach Süd. Allein bis Kalmar sind es schon mal 120 Seemeilen auf einem reinen, unverfälschten Südkurs. Und danach kommt bis Kiel noch jede Menge Südwest dazu. Aber… laut Vorhersage soll der Wind ja übermorgen aus West kommen und heute Mittag schon mal sehr schnell von Südost auf Südwest drehen. So basteln wir uns für heute durch die Schären eine Route, die uns erst nach Südwest führt, um dann gegen Mittag auf Südost zu schwenken. Also genau dann, wenn eben auch der Wind dreht. Und das ist gar kein so schlechter Plan, denn mit dem Südwestwind fahren wir bis Arkösund, wo wir dem kommenden West auflauern, damit der uns flott nach Süden bringen kann. Wie gesagt, ein guter Plan! ?

„Unsere Bucht östlich von Yxnö, hier warten wir 2 Tage auf Besserung“

„Unsere Bucht östlich von Yxnö, hier warten wir 2 Tage auf Besserung“

Draußen empfängt uns die erwartete Welle und der Südost weht dazu mit wohlgenährten 5 Beaufort. Ein erstes Reff im Groß und die Fock passen dazu hervorragend und schon geht die Rauschefahrt los. Ab und zu fällt zwar eine wütende Böe über uns her, aber die PINCOYA läßt sich von solchen aufgeregten Böen nicht aus der Ruhe bringen und läßt sie einfach mit einem freundlichen Nicken gelassen durchziehen. Je weiter wir ins Innenfahrwasser kommen, desto moderater werden die Wellen. Alles passt und die ersten 12 Seemeilen fliegen nur so dahin. Aber leider ist dem Wind unserer schlauer Plan vollkommen egal und er pfeift auch gleich auf die gesamte Vorhersage. Es dreht sich rein gar nichts auf Südwest. Dafür zeigen sich am Horizont einige dunkle Wolken, die danach aussehen, als ob sie es mit dem Regen durchaus ernst meinen könnten.
Kurzentschlossen gucken wir in die Karte und suchen uns eine Ankerbucht, die allen südlichen und südwestlichen Windzicken gerecht wird. Dort lassen wir kurz vor den ersten Regentropfen den Anker fallen und beobachten, wie die beiden Segler, die uns gerade noch entgegen kamen, in den Regenschleiern verschwinden.

„Einige Gewitter ziehen über und an Yxnö vorbei“

„Einige Gewitter ziehen über und an Yxnö vorbei“

„Wenn man aus einiger Entfernung guckt, sind Gewitter richtig schön ?“

„Wenn man aus einiger Entfernung guckt, sind Gewitter richtig schön ?“

Der Rest unseres Planes ist schnell erzählt, denn rein gar nichts klappt davon überhaupt. Insgesamt liegen wir 2 Tage im Osten von Yxnö vor Anker und in diesen zwei Tagen toben sich diverse Fronten und Gewitter aus Süden kommen über uns und um uns herum aus. Zeit zum Müßiggang und zum Schmieden neuer Pläne.

„Abends ist Grillwetter“

„Abends ist Grillwetter“

„Morgennebel auf Yxnö“

„Morgennebel auf Yxnö“

„Und noch einige Fronten ziehen über Yxnö ab“

„Und noch einige Fronten ziehen über Yxnö ab“

Natürlich könnten wir auch aus den Schärenfahrwassern rausgehen, um uns mit einigen großen Kreuzschlägen nach Süden vorzuarbeiten und dabei vielleicht gleich nochmal Gotland einen kleinen Besuch abstatten. Dagegen spricht, dass nun eine Kette von Tiefdruckgebieten kommt, die teilweise recht viel Wind dabei haben. Bei solchen Bedingungen ist es draußen nicht wirklich spaßig und Gotland kann schnell zu einer Falle werden, aus der wir so einfach nicht mehr rauskommen. Außerdem wollen wir gerne noch etwas Schären-Sightseeing machen. Dieser Küstenabschnitt von Schweden ist einfach zu schön, um ihn links liegen zu lassen.

„Auf dem Weg nach Arkösund“

„Auf dem Weg nach Arkösund“

Am Mittwoch früh ist es dann so weit. Der Wind hat endlich etwas mehr auf West gedreht. Bis Arkösund ist es nun ein Kinderspiel, aber das sind nur die ersten 8 Seemeilen. Danach geht es auf einen Südkurs, und ob es dafür reicht, ist noch nicht ganz klar. Und der Wind ist kräftig. Teilweise sehr kräftig. Über die Genua denken wir gar nicht erst nach und nehmen gleich die Fock. Die Fock auf der Selbstwendeschiene ist für die kommenden Fahrwasser ohnehin unsere Wunschbeseglung, da sie zusammen mit dem ersten oder zweiten Reff im Groß hart am Wind schlicht die beste und einfachste Variante ist.

„Obwohl es hinter Arkösund nicht danach aussieht, bleibt es trocken.“

„Obwohl es hinter Arkösund nicht danach aussieht, bleibt es trocken.“

„Dafür ist es aber ordentlich windig.“

„Dafür ist es aber ordentlich windig.“

Aber für die kleinen Segel brauchen wir auch Wind, unter 5 Beaufort wird es damit zäh. Doch darum brauchen wir uns heute keine Sorgen zu machen und noch vor Arkösund stecken wir das zweite Reff ins Groß. Die Grundgeschwindigkeit des Windes mit rund 15 bis 20 Knoten ist dabei nicht das Problem, aber der Wind ist böig. Immer wieder hauen uns Böen fast aus dem Nichts voll auf die Seite. Die ersten Seemeilen bis Arkösund geht das alles noch, aber im Laufe des Tages wird es immer schlimmer. Die mittlere Geschwindigkeit pendelt sich bei knapp über 20 Knoten ein, aber wir sehen immer wieder auch Böen von deutlich über 30 Knoten. Teilweise haben wir Windsprünge von 15 Knoten, dafür ist es schwierig, den richtigen Segelmix zu finden. Dazu kommt noch der Wechsel von Abdeckung und freiem Wasser. Wir hätten nie gedacht, bei solchen Bedingungen unter Segeln mal durch die engen Schärenfahrwasser zu bügeln. Aber die PINCOYA ist gutmütig und mit dem dritten Reff im Groß und der Fock finden wir eine gute Beseglung, die uns den ganzen Tag flott voran bringt. Da die PINCOYA so gut am Wind liegt und wir mit der Fock so spielend einfach wenden und aufkreuzen können, machen wir zwischen den Inseln sogar einige kleine und größere Kreuzschläge. Der sportlich Ehrgeiz ist geweckt. Nur an zwei Stellen müssen wir uns unter Motor etwas um die Ecke drücken, ansonsten klappt es immer noch geradeso unter Segeln.

„Gemütliche Schärenwelt“

„Gemütliche Schärenwelt“

„Und es wird noch etwas windiger“

„Und es wird noch etwas windiger“

„Zwischen den Insel bläst es nicht zu knapp durch.“

„Zwischen den Insel bläst es nicht zu knapp durch.“

Uns kommen einige Segler entgegen und mit uns fährt nur noch ein Schwede, der es aber noch etwas mehr laufen läßt als wir. Aber mehr trauen wir uns nicht. Nach 40 Seemeilen lassen wir den Anker zwischen Langh und Brannh fallen. Im Nordwesten der beiden Insel bläst und strömt es ordentlich durch, da wir aber die einzigen Ankerlieger sind und können uns etwas in eine Wind- und Stromabdeckung drücken. Das ist auch gut so, denn der Wind läßt über der Nacht nur etwas nach.

„Die Ankerbucht bei Bokö“

„Die Ankerbucht bei Bokö“

„In der Bucht bei Bokö liegen wir gut, und morgens schreien das Wetter und die Bucht gleichzeitig nach einem schnellen Panorama. Deswegen setze ich kurz über an Land.“

„In der Bucht bei Bokö liegen wir gut, und morgens schreien das Wetter und die Bucht gleichzeitig nach einem schnellen Panorama. Deswegen setze ich kurz über an Land.“

Kurz nach Sonnenuntergang fallen wir ziemlich schnell in die Kojen. Wir sind kaputt, dieser Segeltag war anstrengend. Nicht nur die Navigation, sondern auch der harte Wind ist anstrengend. Da weiß man am Abend, was man getan hat.

„Schärendurchfahrten“

„Schärendurchfahrten“

„Eigentlich viel zu schön, um einfach weiterzufahren.“

„Eigentlich viel zu schön, um einfach weiterzufahren.“

Der nächste Tag kommt als der »kleine Bruder« von gestern daher. Der Wind hat etwas abgenommen und kommt im Mittel nicht mehr über 20 Knoten. Auch die Böen hauen nicht mehr ganz so hart wie gestern rein. So können wir das Groß ins zweite Reff ausreffen und ab dem frühen Nachmittag nehmen wir sogar die Genua im zweiten und dann ersten Reff dazu. So geht es ganz gut voran, denn unsere Route verläuft nun so gerade zum Wind, dass wir ohne Kreuzschlag auskommen. Unser Ziel ist es, bis hinter Västervik zu kommen. Dort enden mehr oder weniger die ostschwedischen Schären, so dass wir morgen in den Kalmarsund einfahren können, um zu versuchen, Kalmar doch noch in einem Schwung zu erreichen.

„Noch mehr Schärendurchfahrten“

„Noch mehr Schärendurchfahrten“

„Die letzten Meilen in den Schärenfahrwassern“

„Die letzten Meilen in den Schärenfahrwassern“

„Wir nähern uns dem Kalmarsund, hier kommt einem auch schon mal etwas Größeres entgegen.“

„Wir nähern uns dem Kalmarsund, hier kommt einem auch schon mal etwas Größeres entgegen.“

Obwohl die Schärenwelt gestern schon ein Traum waren, sind wir uns heute nicht ganz sicher, ob die Schären nördlich und südlich von Västervik nicht doch noch etwas schöner sind. Es ist einfach irre toll hier, aber das gilt eigentlich ausnahmslos für ostschwedische Schärenwelt zwischen Figeholm (Figeholm liegt auf der Festlandseite von Schweden, etwa auf der Höhe der Nordspitze Ölands) und Öregrund nördlich von Stockholm (Öregrund liegt ebenfalls auf der Festlandseite von Schweden, etwa auf der Höhe der nördlichen Ålands).

„Die Ankerbucht bei Orrholmen“

„Die Ankerbucht bei Orrholmen“

Das waren zwei tolle Abschiedssegeltage durch die Schären. Anstrengend, aber schön. Kurz vor Sonnenuntergang fällt unser Anker in einer nicht ganz optimalen Bucht, aber der Wind nimmt weiter ab und schläft über Nacht fast ganz ein, so geht auch eine halboptimale Bucht ohne Probleme.

„Die Blaue Jungfrau im Kalmarsund. Warum die Schweden diese Insel »Bla Jungfrun« genannt haben, geht auf eine alte Legende zurück. Nur ganz kurz… ein alter Fischer fand vor langer Zeit dort einmal eine blaugefrorene Jungfrau am Strand…, was danach passierte, erzähle ich ein anderes Mal...“

„Die Blaue Jungfrau im Kalmarsund. Warum die Schweden diese Insel »Bla Jungfrun« genannt haben, geht auf eine alte Legende zurück. Nur ganz kurz… ein alter Fischer fand vor langer Zeit dort einmal eine blaugefrorene Jungfrau am Strand…, was danach passierte, erzähle ich ein anderes Mal…“

Am Freitag kreuzen wir uns dann durch den Kalmarsund nach Süden vor. Nach den beiden ersten Kreuzschlägen überrascht uns der Wind mit einer hübschen Westdrehung und wir können »voll und bei« genau nach Süden segeln. Wenn man sich unseren Track ansieht, dann könnte man auf die Idee kommen, dass wir irgendwann aufgegeben haben und einfach unter Motor nach Süden gebrummt sind. Sind wir aber nicht, die gesamte Strecke hat der Autopilot nach Windfahne gesteuert ?. Dieser günstige Dreher befeuert auch unseren sportlichen Ehrgeiz und als dann der Wind wieder etwas zunimmt und auch dreht, haben wir es leicht, uns mit der Selbstwendefock bis kurz vor die Kalmarsundbrücke voranzukreuzen.

„Das viele Kreuzen und Segeln macht den Schiffsjungen ganz müde.“

„Das viele Kreuzen und Segeln macht den Schiffsjungen ganz müde.“

Es ist schon lange dunkel als wir kurz vor 22:00 in Kalmar festmachen. Die nächtliche Einfahrt nach Kalmar ist nicht wirklich schwierig, obwohl Kalmar seine Einfahrt und auch die Einfahrt in den Yachthafen nicht gerade üppig beleuchtet hat. Im Yachthafen sind nur noch wenige Gäste. Im vorderen Teil des Yachthafens ist fast alles frei und wir schnappen uns einfach die erstbeste Mooring. Fünf Minuten, bevor der Coop schließt, holen wir uns noch schnell ein Sixpack dieser leckeren, schwedischen Leichtbiere, kochen uns dann einen großen Berg Nudeln und lassen so die letzten Schärenseemeilen ausklingen.

„Der Yachthafen von Kalmar.“

„Der Yachthafen von Kalmar.“

Auch in Kalmar fassen wir einen neuen Plan. In der Nacht soll der Wind etwas auf Nord drehen. Deswegen beschließen wir erst abends aufzubrechen und dann über Nacht zu fahren. So haben wir noch etwas Zeit, um einen Spaziergang zum Schloss zu machen.

„Auf dem Weg zum Schloss von Kalmar.“

„Auf dem Weg zum Schloss von Kalmar.“

„Das Schloss und der Park davor.“

„Das Schloss und der Park davor.“

„Im Schloss von Kalmar“

„Im Schloss von Kalmar“

Das Wetter ist durchwachsen und bis auf eine Busladung Touristen haben wir das Schloss fast uns ganz allein. Im Norden des Schlosses verschandelt der Industriehafen den Blick aus dem Schloss auf den Kalmarsund. Das ist etwas schade, da wird der König wohl eher nur den Südflügel bewohnen, damit er eine ungetrübte Aussicht genießen kann.

„Schlossansichten und Schlossaussichten“

„Schlossansichten und Schlossaussichten“

Mit den ersten Regentropfen erreichen wir knapp wieder die PINCOYA und beginnen schon mal gleich mit der wichtigsten Vorbereitung für unseren kommenden Nachttörn. Dem Mittagsschläfchen! ? ?


Stationen:

10.09. Öxelösund -> Rodhällsviken im Osten von Yxnö (A) 12,9 sm: 58° 35′ 18,5″ N, 16° 47′ 18,5″ E

11.09. Rodhällsviken im Osten von Yxnö (A): 58° 35′ 18,5″ N, 16° 47′ 18,5″ E

12.09. Rodhällsviken (A) -> südl. von Bokö zwischen Langh und Brannh (A) 40,6 sm: 58° 05′ 19,8“ N, 16° 49′ 51,5″ E

13.09. südl. von Bokö (A) -> östlich von Orrholmen (A) 41,8 sm: 57° 27′ 15,4“ N, 16° 42′ 55,1″ E

14.09. östlich von Orrholmen (A) -> Kalmar 65,8 sm: 56° 39′ 38,3“ N, 16° 21′ 58,5″ E