22.09. – 24.09.2018
Lundeborg -> Søby auf Ærø: 48,8 sm Gesamtdistanz: 3.719,5 sm
Für den Sturm liegen wir in Lundeborg gut, aber zum Ablegen bei diesem Wind liegen wir eher »bescheiden«. Vorwärts ablegen geht nicht, weil der Wind auf dem Bug steht und auch nicht genügend Raum ist, um vorwärts rumzukommen. Das ist leider manchmal so, wenn man schön geschützt in der Ecke liegt. Rückwärts raus ginge, wenn wir ordentlich in die Vorspring eindampfen. Aber hinter uns liegt der Däne und da der Wind ohnehin schon leicht auf dem Bug steht, steht er dann noch mehr drauf, wenn das Heck rausdreht. Und da wir wissen, wie gerne und schnell die PINCOYA den Bug mit dem Wind dreht, haben wir etwas Angst, dass es uns zu schnell wegdreht und das Heck dabei nicht richtig frei kommt, denn der Radeffekt ist bei diesem Manöver auch noch gegen uns. In diesem Fall stehen die Chancen gut, dass wir dem Dänen hinter uns die Reling mit unserem Bugspriet wegrasieren. Auch nicht schön.
Zwischen den dicken Böen gibt es immer mal wieder einige kleinere bis mittlere Pausen, die wir nutzen könnten. So eine Windpause brauchen wir, sonst geht unser Ableger garantiert in die Hose. Nur leider ist das mit den Windpausen so eine Sache. Die kommen recht unversehens und dauern mal länger oder auch mal kürzer. In den Baumkronen hinter dem Hafen kann man aber ganz gut sehen, wann sich eine Bö ankündigt. Vom Wackeln der Baumkronen bis zum Böeneinschlag im Hafen bleiben uns gut 30 Sekunden. Also legen wir uns stabil eingedampft in eine halbschräge Position. Das geht ganz gut, wir dampfen in die Vorspring ein, lassen aber die Achterleine fest. So warten wir, lassen noch einige Böen durch und beobachten die Baumwipfel. Als dort etwas Ruhe einkehrt und die letzte Bö aus dem Hafen verschwunden ist, werfen wir die Heckleine los und drehen noch etwas mehr mit dem Heck heraus. In den Baumwipfel herrscht immer noch Ruhe, das scheint zu klappen. Astrid guckt, ich nicke, Vorleine los, Ruder rum und ordentlich rückwärts.
Fast elegant löst sich die PINCOYA vom Steg, macht ausnahmsweise mal keine Zicken beim Rückwärtsfahren, der Bug dreht vom Dänen weg und folgt dem Heck in Richtung Hafenausfahrt. Mir fällt ein Stein vom Herzen, das scheint wirklich gut zu gehen. Nun muss ich nur noch entspannt lächeln, dem Dänen zum Abschied winken und den Eindruck erwecken, dass wir das immer so machen, weil wir’s halt können. Dass zwischenzeitlich mein Deo versagt hat, wir uns echt etwas unsicher waren und nun froh sind, dass es geklappt hat, sieht ja keiner. Die nächste Bö kommt etwas zu spät, um Unheil anzurichten. Der Bug dreht in diesem Moment schon in Richtung Ausfahrt und ich gebe beherzt vorwärts, um die Molenköpfe hinter uns zu lassen. Noch in der Einfahrt legt uns die Bö auf die Seite, aber wir sind raus.
Im Sund zwischen Fyn und Langeland geht es dann schnell. Zum einen setzen wir schnell die Segel, zum anderen reffen wir das Groß schnell durch bis ins dritte Reff. Das erste war noch drin und wir dachten, dass es das zweite vielleicht tun würde. Doch auch im zweiten Reff drücken uns die fallwindartig einfallenden Böen erstaunlich flach auf’s Wasser. Erst mit dem dritten Reff im Groß wird es besser und als wir die Starkwindfock dann auch noch halb einrollen, ist es gut. Der wahre Wind kommt im Mittel nicht mehr unter 20 Knoten und die Böen liegen immer wieder deutlich über 30 Knoten. Der Autopilot hält die 40 Grad am Wind unter der Windfahnensteuerung erstaunlich gut und verdaut auch die bösen Drücker ohne Probleme. Bei manch einem Drücker stehen immerhin fast 40 Knoten scheinbarer Wind in den Segeln. Das ist nicht eben wenig für eine Kreuz und geht auch nur, weil wir hier nicht die Welle haben, die sonst eigentlich zu solch einem Wind gehört. Doch immerhin schafft der Wind es, auf dem dünnen Streifen zwischen Fyn und Langeland noch eine Welle von 1,0 bis 1,5 m zusammenzuschieben.
Obwohl wir gut laufen und problemlos aufkreuzen können, sind die Bedingungen alles andere als schmusig. Auf Kanal 16 ist ziemlich was los und wir hören von diversen Rettungsaktionen, die Lyngby Radio gerade koordinieren muss. Die Retter haben heute alle Hände voll zu tun und das wohl nicht nur wegen der Silverrudder rund Fyn. Diverse Yachten haben schon ihren Mast verloren oder sind auf Grund gelaufen. Und da die Bedingungen wirklich etwas hart sind, beschließen wir, unseren Plan vor Marstall zu ankern, aufzugeben. Man soll sein Glück vielleicht doch nicht zu sehr herausfordern, wenn es am Ende doch eigentlich unnötig ist.
Südlich von Svendborg liegt die Lunkebugt, die kennen wir und die bietet ausreichend Schutz. So kreuzen wir in die Lunkebugt hinein und werfen den Anker im westlichen Teil der Bucht möglichst dicht unter Land.
Dort ist erst einmal Ruhe. Noch bis in den späten Abend zerren immer wieder heftig fiese Böen an uns herum, aber wir liegen dort gut und sicher. So haben wir nach zwei Stunden Segeln unversehens schon wieder Pause, und während ich etwas Blog schreibe, spielt Astrid Klavier. Bestimmt hat in der Lunkebugt noch niemals jemand vor Anker liegend Klavier gespielt und schon gar nicht bei solch einem Wind. Die Akkorde werden schnell von den Böen fortgetragen und nur einige Möwen drehen verdutzt eine Zusatzrunde über der PINCOYA.
Am Sonntag brechen wir zeitig auf und huschen regelrecht unter der Brücke bei Rudkøbing durch. Wir können es gar nicht glauben, aber Strom und Wind sind dieses Mal mit uns. Mit 8 1/2 Knoten geht es an Rudkøbing vorbei und selbst auf dem Weg in Richtung Marstal hilft uns der Strom immer noch schnell voranzukommen. Mit einem kleinen Kreuzschlag können wir das Fahrwasser nördlich von Ærø erreichen und kommen dann sogar haarscharf unter Segeln durch. Irgendwo kurz vor Ærøskøbing kentert der Strom und läuft nun gegen uns. Unsere Wendewinkel nördlich von Ærøskøbing sind eine echte Katastrophe, aber wir halten durch und erreichen Søby unter Segeln.
Mit uns kreuzt ein Traditionssegler auf gleichem Kurs auf. Gegen seine Wendewinkel sehen unsere allerdings noch richtig regattamäßig bissig aus. Als wir 2 Stunden später in Søby vom Einkaufen wieder in den Hafen zurückkommen, sehen wir ihn immer noch auf der Kreuz. Das ist echt außergewöhnlich ambitioniert, denn so eine Wende auf einem Traditionssegler ist bei weitem nicht so ein Spass wie bei uns. Da müssen alle ran und das ist echte Arbeit. Da weiß die Crew heute Abend ganz sicher, was sie getan hat und hat sich ihr Feierabendbier redlich verdient.
So liegen wir nun in Søby auf der Lauer, um uns morgen von dem angesagten Nordwest nach Kiel bringen zu lassen. Aber die Vorhersagen widersprechen sich. Predictwind erzählt uns für morgen etwas von schmusigen 15 Knoten, die um die Nordostspitze von Ærø säuseln sollen. Alle anderen, also Windfinder, Windy & Co wollen es aber mit 30 Knoten richtig krachen lassen. Wir entscheiden uns für die Mehrheit und spendieren der PINCOYA einige Extraleinen. Gegen 18:00 dreht der Wind tatsächlich auf Nordwest und hält sich auch nicht lange mit irgendwelchem Vorgeplänkel auf. Kurz vor Mitternacht zerren schon die ersten 30er Böen an uns herum. Die mittlere Windgeschwindigkeit liegt bei 25 Knoten, das sind immerhin lustige 6 – 7 Beaufort. Als ich in der Nacht mehrmals die Leinen checke, sehe ich, dass schon die ein oder andere Welle ihre Krone über die Mole wirft. Als wir gegen 8:00 aufstehen, hat sich daran nichts geändert, außer dass es nun hell ist und man sieht, was draußen los ist. Das ist definitiv kein Wetter zum Aufbrechen, draußen ist alles weiß und schon vor dem Hafen steht eine ordentliche Welle. Predictwind schwört immer noch auf den lokalen Effekt und meint, dass es immer noch nicht mehr als 15 Knoten sein sollten. Ein Blick nach draußen und auf unseren Windmesser macht aber schnell klar, dass alle andere Vorhersagesysteme recht haben und wir wohl heute lieber hierbleiben sollten, sofern nicht vormittags noch ein Schönwetterwunder passiert.
Mit der Software Predictwind kann man sich auch noch andere Modelle herunterladen. Bisher habe ich immer PWG und PWE heruntergeladen. Das sind zwei Predictwind-eigene Modelle, die angeblich optimiert wurden und einen Mix aus verschiedenen Modellen darstellen sollen. Wie das dann zu einem solch falschen Ergebnis kommen kann, ist mir nicht ganz klar, denn die Modelle, die den Predictwind-eigenen Modellen zu Grunde liegen, geben die Windverhältnisse vollkommen korrekt wieder. Sowohl das Modell GFS und ECMWF passen richtig gut. [Unten habe ich die verschiedenen Modelle und derer Herkunft mal kurz zusammengefasst.]
Gott sei Dank kann man sich mit der Software von Predictwind auch die beiden anderen Modelle nativ herunter laden, denn die Software von Predictwind ist toll und ganz offensichtlich etwas besser als deren eigene Modelle.
So lade ich nun im Standard immer das GFS- und das ECMWF-Modell herunter und um der ganzen Sache mal etwas vorzugreifen, diese Modell haben bis Cuxhaven, als ich diesem Blog schreibe, noch keine Schwächen gezeigt. Und wie vorhergesagt, beginnt es gerade fast auf die Minute genau aufzufrischen. So werden wir wohl erst einmal bei diesen beiden Modellen bleiben.
So vergeht der Montag im Sturm und nicht mit unserer Fahrt nach Kiel. Die muss warten, denn das müssen wir uns bei diesem Wind wirklich nicht antun.
– GFS – Global Forcast System -> freies us-amerikanisch Datenmodell der NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration)
– PWE – Predictwind Modell auf Basis von einem freien us-amerikanischen Datenmodell der NCEP (National Center for Environmental Prediction)
– PWG – Predictwind Model auf Basis von ECMWF (siehe nachstehend)
– ECMWF – freies Modell des European Center for Medium-Range Weather Forecasts
Stationen:
22.09. Lundeborg -> westlich in Lunkebugt (A) 13,4 sm: 55° 00′ 11,5″ N, 10° 38′ 41,1″ E
23.09. Lunkebugt (A) -> Søby 35,4 sm: 54° 56′ 34,5″ N, 10° 15′ 39,2″ E
24.09. Søby: 54° 56′ 34,5″ N, 10° 15′ 39,2″ E