Søby auf Ærø (DK) -> Kiel Holtenau (D): 45,5 sm Gesamtdistanz: 3.765,0 sm
Nach zwei Tagen Starkwind werden wir für die Warterei belohnt. Es herrscht geniales Fahrtenseglerwetter! Wir müssen nicht hoch ran, sondern können es einfach mal raum und halbwinds laufen lassen. Und dabei ist der Wind auch noch moderat und freundlich.
Ok, eine kleine Einschränkung des »genialen Fahrtenseglerwetters« gibt es vielleicht dann doch gleich zu Anfang noch. Um von Søby aus um die Nordspitze von Ærø zu kommen, müssen wir doch noch einen klitzekleinen Kreuzschlag einflechten. Aber das ist ja am Ende eher unserem sportlichen Ehrgeiz geschuldet und kann eigentlich dem »genialen Fahrtenseglerwetter« nicht als Punktabzug in Rechnung gestellt werden. So liegt schon bald Skjøldnæs, die Nordspitze Ærøs, querab und wir können es nach Süden laufen lassen.
Nun muss man aber vielleicht auch der Ehrlichkeit halber noch sagen, dass Eskimos sicher überhaupt nichts an diesem »genialen Fahrtenseglerwetter« auszusetzen gehabt hätten, sofern es denn überhaupt fahrtensegelnde Eskimos gibt. Immerhin liegt die Temperatur unseres »genialen Fahrtenseglerwindes« ganz bestimmt deutlich über den Temperaturen, bei denen man sonst üblicherweise Robben auf dem Eis zu jagen pflegt. Die Depression unseres »genialen Fahrtenseglerwetter« ist also eher eine persönlich empfundene Unzulänglichkeit, die ja auch eigentlich dem »genialen Fahrtenseglerwetter« nicht pauschal angekreidet werden kann. Aber egal, …. wie auch immer … und sowieso, es ist fast arschkalt. Nicht ganz, aber eben fast, denn die Temperatur ist deutlich näher an arschkalt, als am »warm und kuschelig«.
Wie schön können doch lange Unterhosen sein, auch wenn die Sonne scheint! Macht ja auch nichts, sieht ja auch keiner, denn wir sind nicht nur ganz weit draußen, sondern haben auch noch was drüber!
Dessen ungeachtet läuft es fantastisch. Unsere letzen Segelmeilen auf der Ostsee purzeln nur so in unser Kielwasser und in fast nullkommanix sind wir auch schon in Kiel. Zielsicher fahren wir in die Marina Stickenhörn und machen dort fest. Es gibt dort zwar nicht viele freie Plätze, aber wir finden einen. Allerdings hat der Hafenmeister schon um 16:00 Feierabend gemacht und wir bekommen keine Duschmünzen und auch keine Karte für den Zugang zum Sanitärbereich mehr. Bezahlen könnten wir natürlich schon, denn dafür liegen großzügig zahlreiche Umschläge bereit. Aber ohne Klo und Dusche ist unsere Bezahlfreudigkeit auch nicht mehr ganz so ausgeprägt.
Dann sieht Astrid zufällig auf AIS das »Yellowdrama« aus UK. Nun fragt sich natürlich jeder, was zum Teufel das »Yellowdrama« aus UK ist. Die Antwort darauf ist recht einfach und hat absolut nichts mit dem Brexit zu tun, auch wenn Frau May und ihre Kollegen vielleicht inzwischen gelb anlaufen. Aber so ist das eben, wenn man Populisten auf den Leim geht und nicht selbst nachdenkt. Das Yellowdrama ist eine britische bzw. walisische Yacht aus Caernarfon und dieses »Drama« haben wir schon zweimal in Finnland und Schweden getroffen. Dabei ist der Name ohne Zweifel so cool, dass er selbst mir im Gedächtnis geblieben ist. Und jetzt liegt das »Yellowdrama« genau vor der alten Schleuse in Kiel Holtenau und wir fragen uns, warum wir nicht auch dort liegen. Und auf diese Frage finden wir auch trotz längerem Nachdenkens keine vernünftige Antwort.
Also beschließen wir noch einmal umzulegen. Als Bonbon gibt es für Astrid in Kiel Holtenau noch zusätzlich den Ticketautomaten für den Kiel-Kanal. Das vereinfacht unsere Situation, denn wenn wir heute nach Holtenau fahren, brauchen wir das nicht auch noch morgen zu machen, um ein Ticket zu ziehen, bevor wir einschleusen.
So liegen wir nun hinter dem »Yellowdrama«, haben bereits ein Ticket für die Kanalfahrt für morgen in der Tasche und sind etwas aufgeregt, weil sich nun das Kapitel Ostsee für uns erst einmal schließt. Ganz sicher schließt es sich nicht für immer, aber wann wir wieder einmal hierher zurückkehren, steht heute in den Sternen. Das ist schon etwas aufregend, denn hinter dem Kiel-Kanal liegt der Rest der Welt und davon wollen wir uns noch eine ganze Menge ansehen. Alles werden wir ganz bestimmt nicht sehen und ob wir es irgendwann einmal ganz rum schaffen, steht auch in den Sternen und ist eigentlich auch vollkommen egal. Wir wollen einfach nur etwas »meer« segeln und dieses »meer« beginnt genau morgen.
25.09. Søby auf Ærø (DK) -> Kiel Holtenau (D) 45,5 sm: 54° 22′ 08,9″ N, 10° 08′ 43,7″ E