Die Nordsee empfängt uns


Brunsbüttel -> Bremerhaven: 75,1 sm Gesamtdistanz: 3.893,1 sm

„von Brunsbüttel -> nach Bremerhaven“

„von Brunsbüttel -> nach Bremerhaven“

In Brunsbüttel fällt es einem nicht schwer früh aufzustehen. Die ganze Nacht über fährt ein Dicker nach dem anderen in die Schleusen ein oder aus. Für eine doppelte Freude sorgen dann noch die Schlepper, die die Dicken ziehen oder bremsen. So ist es nicht schlimm, dass unser Wecker pünktlich zur Dämmerung klingelt. Ein frühes Aufstehen kann auch etwas Erlösendes haben ?, besonders in Brunsbüttel!

„Der Yachthafen von Brunsbüttel direkt rechts neben den Schleusen.“

„Der Yachthafen von Brunsbüttel direkt rechts neben den Schleusen.“

Doch nicht nur die Schraubengeräusche beflügeln uns zu einem zeitigen Aufbruch, auch die Tide und das Wetter legen uns heute einen frühen Start nahe. Es sind zwar nur knapp 20 Seemeilen bis Cuxhaven, aber auf das Ablaufen des Nachmittagshochwasser wollen wir nicht warten, denn ab Mittag soll es schon wieder mit 5 bis 6 Beaufort aus Norden blasen.

Da unsere Tidennavigation noch in ihren Kinderschuhen steckt, rechnen wir x-mal nach und studieren zur Sicherheit nochmal die Strömungsverhältnisse von auflaufendem und ablaufendem Wasser. Etwas aufgeregt sind wir auch, denn als Ostseesegler sind wir mit diesem »echten Seemannzeugs« ja schon lange nicht so richtig umgegangen.

„Arbeitsverkehr im Morgengrauen“

„Arbeitsverkehr im Morgengrauen“

Gegen 7:00 sind wir die ersten im Wartebereich vor der Schleuse. Auch schon kurz nach dem Morgengrauen ist in Brunsbüttel ordentlich was los. Zwischen den Kammern der alten Südschleuse und der großen Nordschleuse wird gerade eine fünfte Schleusenkammer gebaut. D.h., dass neben dem normalen Verkehrsaufkommen auch noch jede Menge Arbeitspontons von Schleppern im Kanal und auf der Elbseite verschoben werden, die auch immer wieder durchgeschleust werden. Wir müssen lange warten, erst um 8:00 bekommen wir das Ok zur Einfahrt.

„Mit diesem Ponton dürfen auch wir rein, dann öffnet sich vor uns die Nordsee.“

„Mit diesem Ponton dürfen auch wir rein, dann öffnet sich vor uns die Nordsee.“

„Auf geht's in die Außenelbe.“

„Auf geht's in die Außenelbe.“

In der Schleuse geht es nur etwas runter, denn viel von dem Morgenhochwassers schwappt noch auf der Außenelbe vor Brunsbüttel herum. Um 8:15 öffnet sich vor uns das Tor und wir fahren auf die Nordsee raus. Und nun geht es los, die Nordsee empfängt uns und zeigt uns auch mal gleich mal, wer hier Chef im Ring ist. Etwas überrascht bestaunen wir die Wellen direkt vor Brunsbüttel und verstehen nun auch den Funkverkehr zwischen der Schleuse und einigen Schleppern, die darauf gedrungen haben, ganz schnell mit ihren Pontons geschleust zu werden, weil sonst die Strömung zu stark wird.

Vor uns tanzen erstaunlich hohe Wellen in einer ausgeprägten Unordnung und ich glotze ungläubig auf die Logge und denke: „Ach du Scheiße! Noch voll Strom gegenan, dass kann ja heiter werden!“ Die Fender verstauen wir mal lieber erst später ordentlich, Astrid wirft sie einfach nur schnell in die Plicht und ich versuche so zu fahren, dass mir Astrid nicht gleich auf unseren ersten Metern Elbe abhanden kommt. Nur langsam fällt bei mir der Groschen, der sich wohl aufgrund der doch unerwartet hohen Wellen etwas verklemmt hatte. Als meine Gedanken wieder zu einer mehr oder weniger konstruktiven Ordnung zurückgefunden haben, stelle ich erleichtert fest, dass es sich wohl doch um »Strom mit« handeln muss, wenn die Fahrt über Grund deutlich höher ist, als die Fahrt durchs Wasser ?.

„Mit 9 Knoten geht's nach Cuxhaven.“

„Mit 9 Knoten geht's nach Cuxhaven.“

Ok, dass passt nun schon mal, aber die Wellen sind wirklich kein Spaß. Hier läuft gerade eine alternde Springtide gegen einen eher schlappen 4er Nordwind ab. Dass die beiden sich aber gleich so behaken müssen, hätten wir nicht gedacht. Da gibt es wohl für uns noch mehr zum Dazulernen. Und so sind wir über unsere Idee »früh zu fahren« doch recht froh, denn nachmittags soll es ja noch etwas auffrischen.

„Hinter dem grünen Tonnenstrich ist es ruhiger und wir genießen erstmal die Aussicht.“

„Hinter dem grünen Tonnenstrich ist es ruhiger und wir genießen erstmal die Aussicht.“

Auf der richtigen Fahrwasserseite, also der roten, sieht es elbabwärts gar nicht gut aus. Absolut ungemütlich, um ehrlich zu sein. Auf der anderen Seite, hinter den grünen Tonnen, sieht es besser aus. Also lassen wir schnell noch einen Kümo durch und brummen dann rüber. Direkt hinter dem grünen Tonnenstrich ist es besser, viel besser! Da guckt uns vom Ufer aus zwar ziemlich bald auch schon der friesische Elbschlick an, aber das passt so erstmal.

„Dicht am Ufer geht's elbabwärts. Wie anders ist das hier gegenüber Schweden oder Finnland. Unglaublich!“

„Dicht am Ufer geht's elbabwärts. Wie anders ist das hier gegenüber Schweden oder Finnland. Unglaublich!“

Inzwischen ist es 8:30. Bis Cuxhaven sind es noch rund 15 sm und eigentlich wollten wir dort so gegen 11:30 sein. Dann soll nämlich mehr oder weniger Stillwasser sein, das fanden wir ganz passend für eine Hafeneinfahrt. Allerdings fahren wir nun gerade mit 9 Knoten. D.h. wir sind in weniger als 2 Stunden vor der Hafeneinfahrt von Cuxhaven ?. Donnerknispel, da haben wir wohl vergessen, die Fahrt mit dem Strom hinzuzurechnen. Nun ja, es gibt noch was zum Dazulernen ?.

„Auf der Elbe und am Rand.“

„Auf der Elbe und am Rand.“

So rauschen wir am grünen Tonnenstrich dahin. Eigentlich ist es hier relativ ruhig, nur wenn wir in den Bereich von Buhnen kommen, wird es immer wieder ordentlich kabbelig. Schon kurz nach 10:00 erreichen wir Cuxhaven. Mit uns laufen immer noch gut 3 Knoten Strom. Die Hafeneinfahrt ist Gott sei Dank größer, als wir sie in Erinnerung hatten. Wir halten ordentlich vor, geben im richtigen Moment Vollgas und schlüpfen rein. Von einem Moment zum anderen ist Ruhe.

„In Cuxhaven“

„In Cuxhaven“

„Direkt neben dem Yachthafen.“

„Direkt neben dem Yachthafen.“

Nachmittags frischt es tatsächlich kräftig aus Nordwest auf und auch den ganzen Freitag bläst es ordentlich aus dieser Richtung. Für uns gibt es nur noch ein Wetterfenster für die Fahrt nach Bremerhaven. Wenn das Samstag nicht klappt, müssen wir in Cuxhaven bleiben, denn erstens müssen wir am Montag wieder zur Arbeit und zweitens ist in der ganzen kommenden Woche keine Wind- und Gezeitenlage mehr in Sicht, die es uns erlauben würde, nach Bremerhaven zu kommen. Wir sind nicht die einzigen, die in Cuxhaven auf heißen Kohlen sitzen und auf einen Absprung warten. Im Hafenmeisterbüro treffen sich die Unsicheren und Gestrandeten. Die Hafenmeisterin berät alle individuell, läßt aber auch keinen Zweifel daran, dass es auch am Samstag kniffelig werden könnte. Wenigstens deckt sich ihre Beratung für uns mit unseren eigenen Berechnungen und Überlegungen. Das beruhigt ja auch schon mal, geht doch ?!

„Am Freitag ist es ungemütlich, keine Chance sicher nach Bremerhaven zu kommen.“

„Am Freitag ist es ungemütlich, keine Chance sicher nach Bremerhaven zu kommen.“

Am Freitag gehen nur zwei 16m – Yachten mit dem ablaufenden Morgenhochwasser raus. Die beiden 12m – Yachten, die es auch versuchen, sind nach einer Stunde wieder zurück. Alle anderen warten brav auf das Morgenhochwasser vom Samstag.

„Das Nachmittagshochwasser verdient seinen Namen.“

„Das Nachmittagshochwasser verdient seinen Namen.“

„Ansichten von Cuxhaven“

„Ansichten von Cuxhaven“

Cuxhaven ist nun unsere letzte Station vor Bremerhaven, befeuert aber noch einmal ganz unerwartet unser Fernweh, denn Cuxhaven ist »international«. Fast aus jedem europäischen Land liegt hier wenigstens ein Schiff. Die einen wollen zurück in die Ostsee, die anderen weiter oder nach Hause über die Nordsee. Wir werden etwas sentimental. Wie schön wäre es, wenn es jetzt gleich weiter gehen könnte. Raus in die Well, wo so viel Unbekanntes auf unsere Entdeckung wartet. Wir sind hin- und hergerissen. Einerseits hatten wir ein Jahr 2018, das genau so war, wie wir es uns erträumt haben, und andererseits juckt es uns jetzt schon wieder unter den Fingernägeln.

„Auf der Elbe wird fast alles transportiert und 4351 Möwen warten geduldig auf einen Touristen mit Fischbrötchen.“

„Auf der Elbe wird fast alles transportiert und 4351 Möwen warten geduldig auf einen Touristen mit Fischbrötchen.“

„Sonnenaufgang vor Neuwerk.“

„Sonnenaufgang vor Neuwerk.“

Samstagfrüh werden wir zeitig von den ersten auslaufenden Yachten geweckt. Haben wir verschlafen? Nein, die sind nur noch etwas früher dran, als wir für unseren Start berechnet haben. Trotzdem macht es einen nervös. Kurz vor dem ersten Dämmerlicht laufen wir auch aus. Es braucht etwas, bis wir uns im Dunkeln in die Fahrwasser der Außenelbe eingeguckt haben. Aber der Tag ist auf unserer Seite und mit der Dämmerung passt immer noch alles zusammen und die Navigation wird leichter.

„Auf unserer letzten Etappe kurz vor Scharhörn“

„Auf unserer letzten Etappe kurz vor Scharhörn“

„Lichtspiele“

„Lichtspiele“

Diesmal haben wir den Strom auch richtig eingerechnet. Den brauchen wir auch, denn ohne die Unterstützung des Stroms sind die rund 60 Seemeilen bis zum erneuten Einsetzen des Ebbstroms vor Bremerhaven heute Nachmittag kaum zu schaffen. Von Cuxhaven kommend müssen wir einen richtig großen Bogen um Neuwerk und Scharhörn fahren, bis wir wieder zwischen Roter Sand und Alte Weser auf Südkurs gehen können, um nach Bremerhaven einzubiegen. Bis kurz hinter dem Scharhörnriff soll uns das ablaufende Wasser mitnehmen und über Nordergrunde, etwas nördlich des Leuchtturns Alter Weser, soll uns dann das wieder auflaufende Wasser schnappen und flott nach Bremerhaven bringen. So unser Plan und – was soll man sagen – der geht auch auf.

„Alte Weser und Roter Sand.“

„Alte Weser und Roter Sand.“

„Unsere letzten Meilen 2018.“

„Unsere letzten Meilen 2018.“

„Es strömt mit und wir rauschen nur so dahin.“

„Es strömt mit und wir rauschen nur so dahin.“

Da wir bis zum Scharhörnriff den Wind mehr oder weniger gegenan haben, sind die ersten 30 Meilen etwas ruppig. Aber kurz vor Nordergrunde können wir die Segel setzen und was dann kommt, sucht seines Gleichen und versöhnt uns unendlich schön mit der Nordsee. In einer berauschenden Fahrt unter strahlend blauem und fast wolkenlosem Himmel sausen wir mit bis zu 10 Knoten Bremerhaven entgegen. Wind und Strom ziehen diesmal an einem Strang und machen unsere letzten Seemeilen 2018 zu einem fantastischen Abschlusserlebnis.

„Kurz vor Bremerhaven sehen wir tatsächlich die 10 Knoten.“

„Kurz vor Bremerhaven sehen wir tatsächlich die 10 Knoten.“

„Hinter dem Container-Terminal schon mal ein Blick auf unsere Heimat für diesen Winter.“

„Hinter dem Container-Terminal schon mal ein Blick auf unsere Heimat für diesen Winter.“

Schon um 14:35 machen wir in der Lloyd-Marina im Neuen Hafen fest und unsere große Ostseerunde 2018 geht hier zu Ende. Hier bleiben wir über Winter und die PINCOYA bleibt auch hier im Wasser, bis es 2019 wieder losgeht. Dann weiter in den Süden, die Pläne stehen schon, aber dazu später mehr.

„Durch die Schleuse geht's in den neuen Hafen.“

„Durch die Schleuse geht's in den neuen Hafen.“

„In Bremerhaven, hier werden wir bis zum Mai 2019 bleiben.“

„In Bremerhaven, hier werden wir bis zum Mai 2019 bleiben.“

27.09. Brunsbüttel -> Cuxhaven 18,1 sm: 53° 52′ 27,0″ N, 08° 42′ 23,1″ E

28.09. Cuxhaven: 53° 52′ 27,0″ N, 08° 42′ 23,1″ E

29.09. Cuxhaven -> Bremerhaven 57,0 sm: 53° 32′ 52,7″ N, 08° 34′ 11,8″ E

30.09. Bremerhaven: 53° 32′ 52,7″ N, 08° 34′ 11,8″ E