Wintervorbereitungen oder die Rache der Unlust


Manchmal rächt sich eine Extraportion Unlust doch schneller, als man es wahrhaben möchte. Das zweite Adventwochenende sollte eigentlich unser Einwinterungswochenende sein. Aber dieses Wochenende war ziemlich norddeutsch, um nicht zu sagen »zu« norddeutsch. Ein nasskalter Winterwind stürmte durch Bremerhaven und hatte in den ungünstigsten Momenten auch noch passend ordentlich Regen dabei. Das einzig Positive war, dass der Regen noch Regen war und die Heizung es tatsächlich schaffte, in der PINCOYA etwas Wärme zu verbreiten. Und weil das bisschen Wärme in einem so krassen Gegensatz zu dem Sch…wetter draußen stand, kam uns selbst das bisschen Wärme schon fast karibisch vor. Aber am Ende hätte es uns auch schlimmer treffen können, denn es hätten auch Frost und Schnee oder gar ein ausgewachsener Blizzard über uns herfallen können. Doch wir hatten Glück, die Temperaturen blieben knapp über dem Gefrierpunkt.

Als es am Samstagvormittag dann tatsächlich nach einer vielversprechenden Regenpause aussah, begannen wir damit, eine zweite Plane über das Vorschiff zu spannen. Immerhin war schon die Hälfte geschafft, als es sich die Regenpause dann doch anders überlegte und dem Regen wieder den Vortritt überließ. Und weil der stürmische Wind auch so seine Freude an der Plane hatte, dauerten die letzten Befestigungsversuche noch etwas länger als erhofft. Der einsetzende Schüttregen machte das Ganze nicht schöner und der Wind riss uns ein ums andere Mal die tropfnasse Plane aus den Händen und schlug sie ums um die Ohren. Am Ende verkrochen wir uns dann genervt, patschnass und vollkommen durchgefroren wieder unter Deck. Aber die zweite Plane saß wenigstens halbwegs vernünftig über dem Vorschiff. Man muss aber auch sagen, dass es gar nicht so einfach ist, handelsübliche rechteckige Planen halbwegs straff und beulenfrei über ein salmiförmiges Schiff zu spannen, wenn ständig der Mast und die Wanten irgendwie im Weg herumstehen.

„Verfrühte Abreise am zweiten Advent.“

„Verfrühte Abreise am zweiten Advent.“

Und am Ende verpasste dann diese Planenaktion unserem Arbeitseifer auch den entscheidenden Tiefschlag, und so hatte die Unlust ein ziemlich leichtes Spiel mit unserer ohnehin schwächlichen Restmotivation.
So passierte an diesem schönen Einwinterungswochenende einfach nichts mehr von dem, was eigentlich hätte passieren sollen. Schließlich gab es ja auch Hoffnung, denn das Wasser hatte noch 6 Grad und Bremerhaven liegt inmitten einer maritimen Klimazone, die eigentlich kaum maritimer sein kann, was einen fiesen Dauerfrost vor Weihnachten nun wirklich sehr unwahrscheinlich macht. Und genau diese Theorie hielt bis Dienstagfrüh, als Astrid auf dem Weg zur Arbeit Wetteronline aufrief und sagte: “Oh, es soll frieren, Freitag, Samstag und Sonntag soll es frieren!”

Nun ja, und das änderte unsere Pläne gleich wieder, bevor davon auch nur irgendetwas ansatzweise bis zur Realität vordringen konnte. Und da das dritte Adventwochenende verplant war, mussten wir den Freitag zum Einwintern freinehmen und brummen nun am Donnerstag gleich nach der Arbeit ungeplant und selbstverschuldet wieder nach Bremerhaven, um das zu machen, was wir eigentlich schon gemacht haben wollten.

Das Wasser hat zwar noch immer 6 Grad und so sind die Seeventile auch immer noch nicht wirklich in Gefahr, aber es gibt eben auch noch die Dusche auf der Badeplattform und die hochliegende Lenzpumpe im Cockpit, die exponiert oberhalb der Wasserlinie liegen und bei Dauerfrost als erstes einfrieren. Und wenn es etwas länger friert, dann kommen gleich danach auch die Wasserleitungen im Schiff. Und wenn der Frost dort erst einmal eingezogen ist, dann macht das auch keine wirklich große Freude.

Die Einwinterungsanforderungen bei einem Schiff, das im Wasser bleibt, sind ja schon etwas anders, als bei einer Überwinterung an Land. Und genau damit sammeln wir nun gerade unsere ersten Erfahrungen. Das ist dann sicher auch einen Extrabeitrag in der Technikecke wert, doch erst einmal müssen wir etwas Erfahrung sammeln und gucken, was sich dann auch überhaupt so bewährt und für uns praxistauglich ist. »Praxistauglich« heißt für uns nämlich auch, dass wir nicht nur einmal einwintern und dann ein leergeräumtes, winterfestes Schiff zurücklassen. »Praxistauglich« heißt für uns, dass wir immer wieder an langen Wochenenden auf der PINCOYA sind und in diesen Zeiten soll natürlich möglichst alles wieder so komfortabel funktionieren, wie sonst auch. D.h., es muss Wasser fließen, wir müssen kochen können, es soll hübsch warm sein und einen Grundstock an Lebensmitteln, das Bettzeug und alle Klamotten wollen wir natürlich auch nicht ständig hin und her schleppen.

„Einwinterungen zum dritten Advent.“

„Einwinterungen zum dritten Advent.“

Bis zu den ersten echten Frostperioden haben wir den Motor immer mal wieder laufen lassen und wintern ihn erst jetzt ein, als wirklich Frost droht. Und genau hier bzw. bei den Seeventilen beginnt auch schon das erste ungewohnte Problem für den normalen Landeinwinterer. Bei einer Überwinterung an Land macht man die Seeventile einfach auf, sobald das Schiff an Land steht, das restliche Seewasser läuft ab und gut ist’s. Bleibt man im Wasser, hält die Einwinterung des Motors zwei Probleme für einen bereit. Erstens steht nach der Einwinterung des Motors, die ja bei geschlossenen Seeventilen erfolgt, noch immer Seewasser in den Zulaufschläuchen und zweitens befindet sich auch noch Seewasser in den Kugeln der Kugelkopfventile. Beides kann gefrieren, wobei das Wasser in den Kugeln der Kugelkopfventile wohl das größere Problem darstellt, denn das kann bei strengem Frost das Ventil knacken. Und … das Kugelkopfproblem stellt sich natürlich an allen Kugelkopfventilen, nicht nur am Motor.

Wenn man darüber nachdenkt, wie dieses Problem gelöst werden könnte, stellt man fest, das eine Lösung gar nicht so trivial ist. Einzelne Lösungen liegen jedoch nahe. Z.B. an jedem Waschbecken. – Ablauf zumachen, also Ventil schließen, ins Waschbecken Frostschutz gießen und das Ventil kurz öffnen und gleich wieder schließen. So kommt eine ausreichend frostsichere Mischung in die Kugel des Ventils, was reichen sollte. Aber wie macht man das z.B. bei den Ventilen für den Zulauf der Klospülung und den Ansaugstutzen für das Kühlwasser des Motors?

Als naheliegendste Lösung für dieses Problem versuchen wir erst einmal, das Einfrieren der Seeventile zu verhindern. Um ein Einfrieren zu verhindern, gibt es nämlich Heizdrähte für Dachrinnen und Wasserrohre. Diese Heizdrähte wickeln wir um unsere Seeventile und Schläuche. Dazu haben wir 2 x 8m Heizdraht gekauft, einen für die Pantry und das Bad und einen für den Motorraum. Die sind fertig konfektioniert, laufen mit 220V und haben einen eigenen Sensor, der bei 3°C den Draht einschaltet. Zusätzlich schalten wir die Heizdrähte aber noch über eine Schaltsteckdose mit Temperatursensor. So ein Ding läßt sich besser einstellen und kontrollieren. Die lassen wir nun bei 3° ein- und bei 5° wieder ausschalten, wobei der Sensor »repräsentativ« im Bad zwischen den Seeventilien baumelt. Mal sehen, ob das alles funktioniert. Die Voraussetzung ist natürlich, dass der Landstrom nicht ausfällt.

Sind wir an Bord, ist es dort so warm, dass wir kein Problem mit den Wasserleitungen und dem Wassertank bekommen. Zudem »heizt« der Wasserboiler den Motorraum nicht unerheblich. Gehen wir von Bord, blasen wir die Wasserleitungen mit einem kleinen Kompressor sorgfältig aus. Das müssen wir allerdings jedes Mal machen, wenn wir wieder nach Hause fahren. Am einfachsten geht das über den Duschschlauch auf der Badeplattform. Brause abschrauben, alle Hähne im Schiff aufdrehen, Hahn an Heckdusche auf Mittelstellung drehen und reinblasen.
Um den Frischwassertank nicht jedes Mal entleeren zu müssen und auch den Rest der PINCOYA im Fall der Fälle wenigstens etwas über dem Gefrierpunkt zu halten, stellen wir einen Radiator zum Defrosten in den Salon und lassen ihn, wie auch die Heizdrähte, über die Thermo-Schalt-Steckdose laufen. Auch hierfür darf der Landstrom natürlich nicht ausfallen. Mal sehen wie das nun alles klappt.

„Trotz aller Widrigkeiten …. gerade abends ist es schon schön im Hafen.“

„Trotz aller Widrigkeiten …. gerade abends ist es schon schön im Hafen.“

So schleift sich langsam eine neue Einwinterungsroutine ein und wir werden mal sehen, was sich davon so bewährt. In Bremerhaven sind die Winter ja meist nicht wirklich knackig, aber wenn wir doch mal auf den Lofoten bleiben, dann ist es eben auch ganz schön, wenn wir einiges von unserem Einwinterungsprogramm wenigstens schon mal ausprobiert haben. Und wie gesagt, nach dem Winter sind wir schlauer, und dann gibt es eine Zusammenfassung unserer Erfahrungen in der Tipps- & Technik-Ecke.

„Unser Ausblick. Natürlich nur, wenn wir den Kopf unter der Plane hervor stecken.“

„Unser Ausblick. Natürlich nur, wenn wir den Kopf unter der Plane hervor stecken.“

„Bremerhaven by night.“

„Bremerhaven by night.“

in Bremerhaven im Jaich
53° 32′ 52,6″ N, 08° 34′ 11,6″ E