Da wir auf Norderney einen prima Liegeplatz erwischt haben, fällt es uns nicht schwer, gleich zwei Tage zu bleiben. Am Ende war es gut und wichtig, dass wir Bremerhaven hinter uns gelassen haben und Norderney erreichen konnten. So ein Törn beginnt ja doch erst mit den ersten Seemeilen und nicht mit den letzten Tagen im Absprunghafen.
Das monotone Motoren war zwar nervig, hat uns dann aber doch gleich zwei neue »Sicherheiten« beschert. Der Motor läuft trotz der gravierenden Umbauten bestens und alles um den Tagestank herum funktioniert prima. Und wir haben Radar geübt, was uns dann doch so langsam mit diesem Ding versöhnt, denn etwas schwierig sind Radarbilder ja allemal zu interpretieren. Doch damit wir uns den nächsten Schlag nicht wieder als Motortestfahrt und Radarübungsstunde schönreden müssen, rechnen wir schon jetzt immer mal wieder an den Tidenzeiten und unseren Zielen herum, um in das Ganze zusammen mit dem Wetter etwas Geschick hineinzubekommen. Aber das ist gar nicht so einfach, unser Weg nach Westen bleibt schwierig. Und ehrlich gesagt, haben wir uns das doch schon etwas einfacher vorgestellt. Aber wen kann das schon wirklich wundern? Auf der Ostsee war das ja oft genug schon schwierig genug und dort musste nur der Wind passen. Hier muss aber auch noch die Tide zum Ziel passen und je mehr Parameter es werden, desto schwieriger wird es dann eben auch. Den dritten, eher selbst auferlegten Parameter, dass wir nicht im Dunkeln ins Wattenmeer einfahren wollen, haben wir schon mal gleich ganz gestrichen, sonst würde hier gar nichts mehr gehen.
Doch unsere Schönrechnungsversuche für den nächsten Schlag nach Westen, beschränken wir nun erst mal auf ein Minimum, denn wir sind ja beide zum ersten Mal auf Norderney und so steht natürlich etwas Sightseeing an. Eines fällt uns aber schon im Yachthafen auf, obwohl ich ja nun seit Montag schon einundsechzig Lenze zähle, trage ich durchaus noch zur Senkung des Altersschnitts bei. Zugegeben fällt ein ein einzelner, jugendlicher 60er dabei nicht wirklich ins Gewicht, aber nach unserer ersten Sightseeing-Runde ist klar, dass selbst ein konzertierter Gesamtgruppenausflug aller friesischer Krabbelgruppen nur zu marginalen Korrekturen der Altersstatistik im Nachkommabereich führen würde. Dementsprechend liegt das Aufkommen der Elektrofahrräder bei nahezu 100%, was zu spektakulären Stunts auf den piccolöchen beschleunigten Gruppenfahrten führt. Gut – es sind eben noch keine Schulferien und so ist die Insel fest in der Hand feierlauniger Rentner, und die wenigen Pärchen mit und ohne Kindern, die entweder noch nicht im schulpflichtigen Alter sind oder erst noch gemacht werden wollen, gehen in diesem Trubel unter. Alles in allem erinnert der Trubel in der Stadt Norderney stark an Westerland, allerdings ist auf Norderney alles nicht ganz so mondän und außerhalb der Stadt wird es fast schon wieder normal.
Unsere Suche nach einem netten Restaurant gestaltet sich schwierig. Alles ist rappelvoll. Wir haben keine Idee, was man hier in der Hauptsaison machen will, wenn es so richtig voll wird. Warm werden wir mit dieser Stadt nicht, das ist hier nicht ganz unsere Welt. Am Ende finden wir in einer unscheinbaren Seitengasse ein kleines Restaurant, dass übersichtliche Fischstückchen zu einem durchaus komfortablen, aber noch annehmbaren Preis anbietet. Ganz anders als in dem Restaurant, in dem uns der Ober – ohne uns anzusehen – gleich wieder nach draußen befördert. Ok, zu seiner Entschuldigung muss man sagen, dass er uns sowieso gar nicht sehen konnte, denn dazu hätte er nämlich Augen im Unterkiefer haben müssen, denn der trug seine Nase so hoch, dass er sie bei Regen abdecken muss, damit es nicht reinregnet. Sei’s drum, während wir unsere übersichtlichen Fischstückchen essen, werden wir von einer Damenrunde unterhalten, die mit jeder Runde Schnaps immer schrillere und immer gehörsturzverdächtigere Schreie ausstößt, wobei sich aber Gott sei Dank die gekreischende Freude mit jeder Runde der Grenze des hörbaren Frequenzbereichs normaler Menschen nähert. Kurz bevor die Damenrunde den Frequenzbereich von Hundepfeifen erreicht, gelingt es uns zu zahlen und das Weite zu suchen. Unsere Gedanken fliegen herüber zu den ruhigen Ankerbuchten Schwedens, in denen nur manchmal das brunftige Bäuerchen eines Elchbullen die Ruhe unterbricht, wenn er seiner Elchkuh etwas Liebes in Ohr flötet.
Am Dienstag kommen dann unsere neuen Fahrräder zum ersten Mal richtig zum Einsatz. Wir hatten ja immer schon mal über Fahrräder nachgedacht, den Gedanken aber immer wieder wegen des doch nicht unerheblichen Anschaffungspreises und des zusätzlichen Gewichts verworfen. Nun haben wir aber zwei tolle Klappfahrräder aus zweiter Hand ganz zufällig bekommen und was sollen wir sagen, das ist wirklich toll. Erstens sind die Räder 1a in Schuss und zweitens erweitern sie unseren Radius enorm.
So strampeln wir am Dienstag einmal fast komplett um Norderney herum, genießen die einsamen Ecken der Insel, liegen lange fast mutterseelenallein am Nordoststrand und lassen die Seele baumeln. Es ist wunderbar, das Wetter spielt mit, die Sonne scheint und erst am Strand fällt mir auf, dass ich mein Badehandtuch vergessen habe. Da es für eine Sonnenlufttrocknung am Ende doch noch etwas zu kühl ist, verkneife ich mir ein Schwimmerchen. Schade, denn immerhin hat die Nordsee durchaus schon Anschwimmtemperatur. Nach fast 20 Kilometern, die wie niemals zu Fuß geschafft hätten, sind wir zurück auf der PINCOYA. Morgen soll’s weitergehen und deswegen rechnen wir mit den neuesten Wettervorhersagen mal etwas herum. Üppig wird uns der Wind morgen nicht schieben, aber es besteht Hoffnung.
auf Norderney
53° 42′ 9,3″ N, 07° 9′ 53,7″ E