Lauwersoog und die doppelte Zwangspause


Lauwersoog ist nicht gerade ein spektakulärer Touristenmagnet mit langen weißen Sandstränden, aber wenn man einen sicheren Schutzhafen braucht, ist Lauwersoog definitiv die erste Wahl. Es gibt hier zwei Möglichkeiten zum Liegen, innen und außen. Von dem Innenhafen haben uns bisher alle abgeraten, da sollen die Steganlagen inzwischen doch ziemlich klapperig sein, aber gesehen haben wir das selbst noch nicht.

„Der Außenhafen von Lauwersoog“

„Der Außenhafen von Lauwersoog“

Der Außenhafen ist aber absolut ok, er liegt gleich am Eingang des großen Fischereihafens. Hier liegt man bei allen Windrichtungen wirklich gut geschützt, speziell bei West- und Südwest und genau von dort soll es ja über Pfingstsamstag richtig stürmen. Schön wäre es allerdings doch schon, wenn es an den Stegen auch Wasser geben würde, denn nur an dem Außenponton gibt es eine Wassersäule, dort steht aber “geen drinkwater” dran. Leider ist der Hafen auch etwas verschlickt, was aber eingentlich nur ein Problem ist, wenn man innerhalb von ca. 2,5 Stunden vor und nach Niedrigwasser auslaufen will. Das geht dann nämlich nicht, weil man im Modder feststeckt. Nur die Plätze ganz außen halten einen nicht fest. Zu Niedrigwasserzeiten ist aber nicht alles Wasser weg, doch der Tiefenmesser zeigt dann gar nichts mehr an und man erhebt sich erst wieder mit auflaufendem Wasser langsam und gurgelnd aus dem weichen Schlick. Da wir bei Hochwasser eingelaufen sind und am Innensteg schon zwei noch größere Yachten lagen, haben wir ehrlich gesagt darüber auch gar nicht so richtig nachgedacht. Da müssen wir vielleicht doch noch etwas mehr »Tidenerfahrungsvorsicht« walten lassen, denn bei einem Hochwasserstand von 4,0 m zur Springzeit könnte selbst ein Waldorfschüler ausrechnen, dass das knapp und modderig werden wird. Aber der Modder ist weich und wahrscheinlich auch schön kuschelig, deswegen war unsere mangelnde Umsicht auch gar nicht so schlimm.

„Alles ein Restaurant“

„Alles ein Restaurant“

„Die Bushaltestelle und der Blick aus der Röhre“

„Die Bushaltestelle und der Blick aus der Röhre“

„Bänke zum Ausruhen als Reusen“

„Bänke zum Ausruhen als Reusen“

Aktuell zieht über die Bretagne ein für diese Jahreszeit ungewöhnlich kräftiges Tief heran. Das wird uns ab Freitag ordentlich viel Wind bringen, der mit einem Ostsüdost beginnt, dann aber sehr schnell auf West dreht. Das ablaufende Nachthochwasser könnten wir nutzen, aber die Strecke nach Vlieland ist lang. Da könnte uns der Westdreher durchaus schon draußen erwischen, was dann doch eher ungemütlich und ungünstig enden könnte.
Aber am Ende stellt sich diese Überlegung auch gar nicht, denn Astrid hat sich irgendwann in den letzten Tagen eine Blasenentzündung eingefangen, die sie erst einmal auskurieren muss. Gott sei Dank ist unsere Schiffsapotheke ja seit unserem Estlandtörn 2015 gut gefüllt und wir müssen keinen holländischen Arzt aufsuchen, um etwas Penicillin zu bekommen.

„Abendstimmung ….“

„Abendstimmung ….“

„Nachtstimmung ….“

„Nachtstimmung ….“

So warten wir einfach mal auf das Tief, das da kommen soll. Unser WLAN-Booster leistet derweil allerbeste Dienste, denn das Hafen-WLAN ist absolut schwachbrüstig und so wählen wir uns in irgendein freies WLAN ein, was wahrscheinlich irgendwo aus dem Fischereihafen kommt, absolut performant ist und stabil funktioniert. Tolle Sache!

„Der Spleiß ist heiß!“

„Der Spleiß ist heiß!“

Während sich Astrid auskuriert, beginne ich mit dem Versuch, in unsere beiden neuen Schwimmleinen ein Auge zu spleißen. Es sind T12-Leinen von Seilflechter, also mit 12 Kardeelen. So etwas habe ich noch nie gespleißt und auch im Internet ist keine Anleitung zu finden. Aber ein Vermessungsschiff am Außensteg hat so einen 12-schäftigen Festmacher. Der ist zwar wesentlich dicker, aber exakt genauso geflochten. So fummele ich lange an dem Festmacher herum, hoffe, dass die Mannschaft nicht kommt, denn eine Erklärung für mein Tun fiele auch mir etwas schwer, drehe und wende ihn, soweit das überhaupt geht, und mache mir Photos von dem Spleiß, werde aber am Ende daraus auch nicht so richtig schlau. Auf der PINCOYA versuche ich mich an unserer Schwimmleine, aber irgendwie gelingen mir immer nur »wilde Knäule«, die mit einem Spleiß rein gar keine Ähnlichkeit haben. Im Internet finde ich dann Bilder, die eine gewisse, zopfartige Symmetrie erkennen lassen, aber nicht verraten, wie es zu dieser kommt.
Nun – als Vater von 3 Töchtern hat man sich ja auch schon mal an französischen Zöpfen für seine lieben Töchter versucht. Die Symmetrie des Spleiß sieht ähnlich aus. Und unsere Schwimmleinen sind wesentlich geduldiger als meine Töchter. Die springen nämlich nicht im entscheidenden Flechtmoment zur Seite und schreien: “Au, neee Papa, das ziept!” und alles ist wieder dahin. Aber der französisches Zopf ist die Lösung, geduldig hält die Schwimmleine still, während ich das Muster des französischen Zopfes zu einem ausgewachsenen Spleiß eines 12-schäftigen Festmachers erweitere und sich unter Symmetriegesichtspunkten Schönheit und Haltbarkeit befruchten. Nach nur drei Einflechtungen mache ich einen ersten Festigkeitstest über der Winsch. Alles bestens, das hält schon mal. Schnell sind die restlichen Enden auch verspleißt und wir haben ein formvollendetes Auge in unserer ersten Schwimmleine.

„An diesem Picknick-Tisch kann man problemlos krümeln und kleckern!!! “

„An diesem Picknick-Tisch kann man problemlos krümeln und kleckern!!! “

„Der Schiffsjunge muss erst etwas nachdenken, was man mit dieser Kunst machen kann!“

„Der Schiffsjunge muss erst etwas nachdenken, was man mit dieser Kunst machen kann!“

„… und dann war es doch nicht ganz einfach!“

„… und dann war es doch nicht ganz einfach!“

Während das Tief näher rückt, zeigt sich das Wetter in Lauwersoog noch von seiner freundlichen Seite. So mache ich erst einige Spaziergänge allein und Freitag gehen wir dann zusammen zum weithin ausgeschilderten Supermarkt von Lauwersoog. Die weitläufige Ausschilderung beflügelt unsere Erwartungen und wir werden von dem kleinen Campingplatz-Supermarkt auch nicht enttäuscht, wir bekommen Brot und auch sonst bietet er alles, was Skipper und Camper zum Überleben brauchen. Einer echten Verproviantierung würde der kleine Supermarkt allerdings nicht standhalten, das macht aber auch nichts, denn das Brot und 10 Eier reichen uns ja völlig aus.

Beflügelt von diesem Erfolg beschließen wir, noch bei Hochwasser umzulegen. Mit jedem Niedrigwasser sitzen wir richtig tief im Modder und wir befürchten, dass der Sturm am Samstag das Wasser noch etwas weiter aus dem Hafen drückt. Ein Deutscher, der weiter außen liegt, versichert uns, dass er dort die ganze Zeit wunderbar schwimmt und der Modder höchsten mal an seinem Kiel etwas kitzelt. Also umlegen! Aber inzwischen bläst es schon ganz ordentlich aus Ost und wenn der Ost auf Süd dreht, sitzen wir schon wieder fest. Also jetzt! Die neuen 35 m Schwimmleinen sind super, damit gehen wir halbschräg auf einen weit entfernten Fingersteg, um uns herumzuziehen, denn der Wind drückt uns kräftig auf unseren Steg. Als wir aber rückwärts in unsere angepeilte Ablegeposition gehen, rutschen die Fender hoch und eine aus dem Steg herausstehende Schraube kratzt uns eine Schramme in den Rumpf ?. Ich könnte schreien, so ein Mist, ich war auf dem Steg, habe aber die Schraube übersehen und nicht rechtzeitig bemerkt, dass alle Fender sich nach oben verabschieden. Gegen den Wind gelingt uns dann aber doch mit der tatkräftigen Hilfe des Deutschen und eines Franzosen die Ablegeaktion. Allerdings bleibt unsere Aktion vollkommen sinn- und erfolglos, denn bei der Einfahrt auf unseren neuen Liegeplatz fällt die Tiefe ab dem Liegeplatz des Deutschen innerhalb von wenigen Metern von 5 auf 3 Meter, so dass wir am Ende bei Niedrigwasser wieder genauso im Modder stecken, wie vorher. All die Aktion umsonst, nur eine tiefe Schramme haben wir uns in die Seite gefahren. Tolle Ausbeute! ???!

„Starkwind bis Sturm mit waagerechtem Regen.“

„Starkwind bis Sturm mit waagerechtem Regen.“

Der Sturm kommt wie angekündigt. Obwohl die verschiedensten Gerüchte durch den Hafen schwappen, bleibt die mittlere Windgeschwindigkeit unter 30 Knoten, nur in Böen liegen wir deutlich darüber. Ein zwei Böen knabbern sogar an der 40, aber das ist auch schon das Maximum. Das liegt aber auch an unserem geschützten Liegeplatz in Lauwersoog. Als ich in einer Regenpause die Nase auf den Deich rausstecke, haut es mich fast um. Der Regen fällt teilweise sintflutartig und platscht mit den Böen krachend gegen die Scheiben unseres Decksalons. Erst am späten Samstagabend kehrt langsam wieder etwas Ruhe ein.

Am Sonntag kommt dann sogar die Sonne durch, aber es weht immer noch aus Südwest. Erst in der Nacht zum Montag soll es über Nord auf Ost drehen und dann kommt unsere Stunde mit dem Morgenhochwasser, um nach Vlieland zu entkommen.

Keep fingers crossed en duimen voor!

„Sonntagsspaziergang … “

„Sonntagsspaziergang … “

„Schiermonnikoog in Sichtweite“

„Schiermonnikoog in Sichtweite“

„Ein Blick in den Innenhafen und unten die Ausfahrt, die wir hoffentlich morgen auch nehmen.“

„Ein Blick in den Innenhafen und unten die Ausfahrt, die wir hoffentlich morgen auch nehmen.“


in Lauwersoog (NL)
53° 24′ 30,0″ N, 06° 12′ 1,3″ E