Le Havre


In Le Havre sind wir nun tatsächlich schneller angekommen, als wir das eigentlich gedacht hatten. So schwer wir uns auch auf unseren ersten Schlägen getan haben, so sehr ist es ab IJmuiden (NL) geflutscht. Und nun sind wir schneller hier als gedacht, und nicht wir, sondern unser fünftes Enkelchen braucht noch etwas mehr Zeit. Eigentlich hatten wir befürchtet, dass das genau umgekehrt ist, aber nun ist es so herum.

„Hochwasser“

„Hochwasser“

„Hochwasser und Niedrigwasser“

„Hochwasser und Niedrigwasser“

„Niedrigwasser“

„Niedrigwasser“

„Das Wechselspiel der Gezeiten ist für uns immer noch genauso faszinierend wie am ersten Tag.“

„Das Wechselspiel der Gezeiten ist für uns immer noch genauso faszinierend wie am ersten Tag.“

So haben wir nun Zeit in Le Havre – Zeit und ziemlich traumhaftes Sommerwetter. Der Yachthafen ist groß und alle Steganlagen sind entweder recht neu oder frisch renoviert. Von den am Wochenende ausgebrochenen, französischen Ferien, die ja immerhin bis Anfang September dauern, merken wir (noch) wenig. Es ist ein normales Kommen und Gehen mit einer Spitze am Wochenende. Doch einige Plätze bleiben immer frei, drängeln und im Päckchen liegen muss hier noch niemand. Wie prognostiziert geben sich die Holländer und Belgier hier die Klinke in die Hand, andere Nationen sind nur in homöopathischen Dosen mal dazwischen eingestreut. Auch wir haben auf Anhieb einen prima Liegeplatz bekommen und buchen im Hafenbüro gleich mal für eine Woche. Dass das nicht reichen wird, ist uns klar, denn für die Begrüßungstour zu unserem fünften Enkelchen und für den Austausch der Hydraulikpumpe werden wir wohl eher 2 Wochen brauchen. Aber wir haben ja auch Zeit, niemand drängelt, und alles hier im Hafen macht den Eindruck, dass wir auch ruhig mal einige Tage weg sein können.

„Direktverkauf von Fischkonserven, hier bekommt man auch Photohunger ?“

„Direktverkauf von Fischkonserven, hier bekommt man auch Photohunger ?“

Unsere Enkelchen-Begrüßungstour ist nicht nur ein kleiner Enkelkinderheimaturlaub, es ist für uns auch eine Versorgungstour. Im Augenblick sammeln sich Zuhause die Pakete und Päckchen. Es gibt einiges, das wir vergessen oder auch bewußt aufgeschoben haben, weil wir es einfach nicht geschafft haben, uns noch vorher zu kümmern. Da ist eine fest eingeplante Enkelchen-Begrüßungstour nach den ersten 6 Wochen eines Törns schon eine recht praktische Sache.
Das Wichtigste neben der Pumpe ist mein neuer Photorucksack. Da unsere Photoausrüstung im letzten Winter ja auch Zuwachs bekommen hat, reicht die kleine Phototasche nicht mehr so richtig aus und auf unseren diesjährigen Fahrradtouren geht das mit einer Umhängetasche obendrein schon mal gar nicht.
So haben wir inzwischen neben dem wichtigsten Grund für unseren Heimaturlaub auch schon 11 andere kleine Gründe, um nach Hannover zu fahren. Aber wann, das ist eben die Frage!

„Der Strand von Le Havre. Es ist eher wieder so ein Fakir-Strand, die Steine lassen das Sonnenbad zu einer besonderen Entspannung werden.“

„Der Strand von Le Havre. Es ist eher wieder so ein Fakir-Strand, die Steine lassen das Sonnenbad zu einer besonderen Entspannung werden.“

„Nur eine Handvoll Häuser hat das Bombardement überstanden.“

„Nur eine Handvoll Häuser hat das Bombardement überstanden.“

„Saint-Vincent de Paul“

„Saint-Vincent de Paul“

Und da wir selbst noch keine Idee haben, wie unser Zeitplan mit dem Zeitplan unseres Enkelchens zusammenpassen könnte, genießen wir erst einmal das Sommerwetter und bummeln durch die Stadt und am Strand entlang. Was für ein Stadt- und Strandleben! Wir saugen dieses Flair fast ausgehungert in uns auf. Es ist unglaublich! Le Havre liegt fast auf die Minute genau auf demselben Breitengrad wie Mannheim! Und da wir schon einmal in Mannheim waren, fühlt sich hier alles noch mehr anders an, ja irgendwie fast schon mediterran. Es ist fantastisch, was einem alles schon auf Höhe von Mannheim geboten wird ?. Unglaublich!

„Perrets Stadtarchitektur. Unten rechts etwas neuer die Skulptur vor dem Museum of Moder Art.“

„Perrets Stadtarchitektur. Unten rechts etwas neuer die Skulptur vor dem Museum of Moder Art.“

„Bilder aus Le Havre“

„Bilder aus Le Havre“

So langsam fassen wir auch etwas mehr Fuß in Frankreich. Natürlich nicht sprachlich ?, da werden wir unseren sprachlichen Katastrophenstatus noch einige Zeit mit uns herumschleppen müssen. Die Apps auf unseren Handys bemühen sich zwar redlich, daran etwas zu ändern, aber wir sind schwierige Schüler, denen das Französische nicht wirklich zufliegt. Da ist das mit dem Lebensgefühl schon viel einfacher. Das liegt uns und es ist für uns nicht wirklich schwer, sich an die etwas leichtere französisches Lebensart zu gewöhnen. So tingeln wir durch das beeindruckend andere Le Havre, eine Stadt, die von einigen geliebt wird und über die andere nur die Nase rümpfen. Wir sitzen in Straßencafés, tauchen ein, werden etwas französisch gelassener und genießen das schöne Gefühl um 17:00, einfach mal etwas Zeit verstreichen zu lassen. L´apéro rundet dieses Lebensgefühl ganz wunderbar ab. Und das alles auf Höhe von Mannheim! Immer noch der Hammer!!! Wie unterschiedlich kann die Welt nur sein?

„Auf der Stadtseite des Hafens von Le Havre“

„Auf der Stadtseite des Hafens von Le Havre“

„In Le Havre“

„In Le Havre“

Le Havre bzw. die Innenstadt von Le Havre ist seit 2005 Unesco Weltkulturerbe. Was an und für sich schon sehr ungewöhnlich ist, denn Le Havre wurde zum Ende des Zweiten Weltkriegs fast vollkommen zerstört. Wenigstens für uns war ein Unesco Weltkulturerbe bislang immer etwas »total Historisches«. Etwas aus einer weit zurückliegenden Menschheitsepoche, etwas sehr Altes, das bewahrt und geschützt werden muss, um nicht im allgemeinen Menschheitswahnsinn unterzugehen. Aber eben nicht eine vor genau 75 Jahren vollkommen zerstörte Stadt.
Nun ist es auch nicht die vollkommen zerstörte Stadt, die Unesco Weltkulturerbe wurde, sondern deren Wiederaufbau. Und die Innenstadt von Le Havre ist neben Brasília, der Hauptstadt Brasiliens, in der Tat die einzige Stadt aus dem 20 Jahrhundert, die überhaupt Weltkulturerbe ist. Es ist das Stadtensemble des Wiederaufbaus, was so bemerkenswert ist.

„Cathédrale Notre-Dame, aus den Trümmern wieder aufgebaut.“

„Cathédrale Notre-Dame, aus den Trümmern wieder aufgebaut.“

Nachdem die Deutschen im zweiten Weltkrieg auch Frankreich überfallen und Le Havre eingenommen hatten, wurden Le Havre und der Hafen zu einer Festung ausgebaut. Im Zuge der Rückeroberung durch die Alliierten wurde Le Havre dann Anfang September 1944 vollkommen zerstört.
Das Architekturbüro von Auguste Perret wurde 1945 mit der Planung und Durchführung des Wiederaufbaus beauftragt. Auguste Perret war nicht nur Architekt und Stadtplaner, sondern auch einer der bekanntesten Betonarchitekturpioniere seiner Zeit. Und der Wiederaufbau musste schnell geschehen, um der Bevölkerung von Le Havre wieder ein Dach über dem Kopf zu geben. Das einzige und vor allem auch das schnellste Baumaterial war Beton und die Architekten schufen ein einzigartiges Stadtensemble mit breiten Boulevards, einigen Hochhäusern und vielen flacheren Wohnblocks mit Kolonnaden, Balkonen und einfachen und klaren, aber auch abwechslungsreichen Strukturen. Der Abwechslungsreichtum liegt in den Strukturen und Farben der Betonfassaden und in dem Gesamtarrangement der Häuser und Straßen. Das Baumaterial selbst gewann man aus den Trümmern der alten Stadt Le Havre, wobei das Material nach Farben sortiert wurde, um die verschiedenfarbigen Betonsorten herzustellen. Perret arbeitet bis zu seinem Tod an diesem Projekt, erlebte aber nicht mehr die Fertigstellung und Einweihung der Kirche von St. Josef. Dieser leuchtturmartigen Kirche, die als Mahnmal auch an die Zerstörungen des Krieges erinnern soll. Sie gilt als Perrets Meisterwerk.

„Das Kulturzentrum »Le Volcan«, geschaffen von Oscar Niemeyer“

„Das Kulturzentrum »Le Volcan«, geschaffen von Oscar Niemeyer“

„Vulkan-Ansichten“

„Vulkan-Ansichten“

Viel später, erst Anfang der Siebziger Jahre, entwarf und baute der brasilianische Architekt Oscar Niemeyer das Kulturzentrum »Le Volcan« (Der Vulkan) in und für Le Havre. Und hier schließt sich auch ein klein wenig der Kreis zu der zweiten Stadt, die Unesco Weltkulturerbe ist, zu Brasília. Denn Oscar Niemeyer ist der Architekt der brasilianische Hauptstadt Brasília.

„Vergeblich warten wir an den ältesten Hafenbecken auf die Wasserkunst.“

„Vergeblich warten wir an den ältesten Hafenbecken auf die Wasserkunst.“

„Über die ältesten Hafenbecken spannt sich heute eine Fußgängerbrücke.“

„Über die ältesten Hafenbecken spannt sich heute eine Fußgängerbrücke.“

Uns gefällt Le Havre sehr gut, besonders die Markthalle, der Platz in dem und um das Kulturzentrum herum und die breiten Boulevards mit den Wohnblocks und ihren Kolonnaden. Der große und der kleine »Vulkan« des Kulturzentrum stehen im krassen Gegensatz zu der kubischen Stadtstruktur Perrets. Das hat schon was.
Aber ganz besonders ist St. Josef, speziell am Nachmittag, wenn die Sonne noch hoch genug steht und von Westen durch die unzähligen bunten Glasfenster ins Innere der Kirche und des Turms strahlt, der sich über 100 Meter offen über dem Alter erhebt.

„St. Josef“

„St. Josef“

„Das Licht verzaubert den Beton.“

„Das Licht verzaubert den Beton.“

„Insgesamt 12.700 Glasfenster leuchten. “

„Insgesamt 12.700 Glasfenster leuchten. “

Wir genießen die Tage und fahren auch zum “End of World”, wie uns im Tourist Office gesagt wurde. Dort ist der Strand von Le Havre zu Ende und dort steht eben diese moderne Christophorus Statur. Den begeisternden tieferen Sinn habe wir zwar nicht so richtig erfasst, aber schön war’s ?.

„Steinstrandleben in Le Havre.“

„Steinstrandleben in Le Havre.“

„Der moderne Christophorus und die verwitternden Wellenbrecher am »Ende der Welt Le Havres«.“

„Der moderne Christophorus und die verwitternden Wellenbrecher am »Ende der Welt Le Havres«.“

in Le Havre (F)
49° 29′ 18,2″ N, 000° 05′ 36,0″ E