Auf Jersey wird klar, dass wir nicht nur ein gutes Versteck brauchen, sondern auch jede Gelegenheit nutzen müssen, um nach Westen voranzukommen. Für Freitag sieht es im ganzen Englischen Kanal ziemlich »rot« aus und es gibt keinen Hinweis, dass die Westwindlage sich in absehbarer Zeit ändert.
Aber bis dahin haben wir ja noch zwei Fahrtage und heute ist erst einmal Einkaufstag. Selten waren wir so abgebrannt wie gerade. Da wir in Cherbourg nur diesen Schrabbel-Supermarkt erreicht haben, es in Alderney nur etwas zum Überleben gab und es auf Guernsey auch irgendwie nicht gepasst hat, müssen wir jetzt auf Jersey wirklich mal wieder etwas Frisches kaufen. Auch Wasser, Käse, Brot und Bier sind aus, ach was, irgendwie ist alles aus.
Im Hafenmeisterbüro bekommen wir die Adresse des one and only (!) Megastore in St. Helier. Also rüsten wir uns mit Sackkarre und Trolley aus und ziehen los. Den Store finden wir auch, aber von »mega« ist der dann doch etwas weiter entfernt, als wir gehofft hatten. Doch wir kriegen eine mittlere Grundversorgung zusammen, damit kommen wir in jedem Fall bis Frankreich, und wenn wir irgendwo vor Anker den Sturm abwettern müssen, werden wir auch nicht verhungern. Es wäre ja für einen Seemann auch irgendwie saublöde, in einem Sturm zu verhungern als heldenhaft zu ersaufen.
Mit unserem vollen Trolley und dem Bier und dem Wasser auf der Sackkarre sorgen wir in der Fußgängerzone zwischen all den schicken Geschäften und ihrer teilweise exklusiven Kundschaft doch für etwas Aufsehen. Und das sind die Momente, in denen ich die Briten liebe. Everything is possible. Man nimmt uns wahr, aber ohne uns wahrzunehmen. Hier könnte ich auch in einem knallengen rosa Teddybär-Kostüm einen Trolley mit Bier hinter mir herziehen. Keiner würde sich umdrehen, nur die Touristen würden sich durch Hinstarren und blöde Bemerkungen outen. Nicht so der Brite, das gibt sein britisches Selbstverständnis einfach nicht her.
St. Helier ist ganz anders als St. Peter Port. Irgendwie weltstädtischer. Auf unserem Weg durch das Centrum zum Supermarkt und zurück, kommen wir nicht durch eine Altstadt, wie wir sie aus St. Peter Port kennen. Es gibt schon alte Gebäude, aber eben nicht eine so dedizierte Altstadt. Zudem ist St. Helier eher Großstadt als St. Peter Port. Man sieht auffallend viele nach Banker aussehende Menschen, diesen Menschenschlag haben wir auf Guernsey gar nicht gesehen. Das Bankenviertel ist klein und fein und in den Pubs trifft man sich zum Afterwork-Beer. Fast wie in London, aber eben nur fast und viel viel kleiner. Insgesamt riecht es auf Jersey aber doch viel mehr nach Geld. Was in Alderney sehr ländlich begonnen hat und sich auf Guernsey steigerte, erreicht auf Jersey seinen Channel Island-Höhepunkt. So zumindest unser Eindruck.
Der Hafen selbst ist mehr als ok. Hier führt zwar auch die Hauptstraße fast direkt an der Kaimauer entlang, aber es ist doch ruhiger. Insgesamt ein nettes Ambiente und auf keinen Fall ein Hafen, den man vermeiden muss.
Als nachmittags das Niedrigwasser kommt, machen wir noch einen Hafen- und Burgspaziergang. Das Elizabeth Castle, um dessen Wellenbrecher und Hafenmole wir gestern bei der Einfahrt schon herumgefahren sind, liegt nun auf dem Trockenen. Aber bevor wir zum Castle gehen, drehen wir noch eine Runde um den Hafen zu den trocken fallenden Hafenbecken. Dort haben wir gestern Abend nur aus dem Augenwinkel genau solche Gestelle zu Trockenfallen gesehen, wie wir sie auch schon in einem Reiseführer für die Ostküste Englands gesehen haben. Da müssen wir natürlich vorher erst einmal hin und gucken.
Danach geht es noch kurz zum Sill des Gasthafens, denn da wollen wir auch mal sehen, wie das so aussieht, wo wir gestern rübergefahren sind. Gezeiten sind schon spannend und für uns immer noch faszinierend.
Dann liegt das Elizabeth Castle trocken vor uns. Zum Castle führt ein Fußweg, zumindest zu Niedrigwasserzeiten. Man kann auch mit einem Amphibien-Bus fahren, aber etwas Bewegung kann ja auch nicht schaden. Am Castle angekommen laufen wir außen halb herum. Es ist schon etwas zu spät, als dass sich der doch recht happige Eintrittspreis von 12 £ lohnen würde.
Auf dem Rückweg vom Castle nehmen wir die Empfehlung unseres englischen Nachbarn vom Wartesteg wahr und probieren das beste Fish & Chips der Kanalinseln. Vom Einkauf und unserer Sightseeingtour richtig hungrig, machen wir den Fehler, die Jumbo-Variante zu bestellen. Die ist lecker, aber danach geht gar nichts mehr und wir rollen zurück auf die PINCOYA.
St. Helier auf Jersey (Channel Islands, UK)
49° 10′ 56,6″ N, 002° 06′ 36,4″ W