Saint Jean de Luz


So oft wie hier in der Biskaya haben bisher noch nie die Wettervorhersagen falsch gelegen. Standardmäßig sehen wir uns die Vorhersagen von 2 bis 3 Anbietern an und achten auch darauf, dass immer auch verschiedene Modellrechnungen dahinterstehen. Aber kaum eine Vorhersage stimmt auch nur für 2 oder 3 Tage, und meist ist es am nächsten Tag schon wieder alles ganz anders.

„Saint Jean de Luz am Samstagmorgen“

„Saint Jean de Luz am Samstagmorgen“

Als wir gestern Abend hier ankamen, hatten wir 26° und von den Bergen blies es so warm herunter, dass man das Gefühl hatte, irgendwer hat da oben einen riesigen Fön vergessen auszuschalten. Und Samstag und Sonntag sollte uns der Sommer mit einem fast wolkenlosen Himmel und 28° empfangen. Als wir nun aber am samstagfrüh aufwachen, ist es bedeckt und bläst mit 15 – 20 Knoten aus Süd. Ok, die Richtung stimmt zwar, aber 15 bis 20 sind schon etwas mehr als 8 bis 12 und wolkenlos ist nicht grau. Bis zum Mittag legt dann der Wind noch kontinuierlich zu, so dass sogar unser Windrad bei den großen siebener Böen ab und auf Durchzug schaltet. Nur gut, dass der Wind aus Süden kommt. Wir liegen in der nordwestlichen Ecke ganz gut und können beobachten, wie sich ein erstaunlich hoher Antlantikschwell an der Mole der östlichen Einfahrt grollend bricht. Den Atlantikschwell beeindruckt der ablandige Wind nur wenig, er läuft einfach weiter und der Wind haut ihm nur die Kronen seiner brechenden Wellen vom Kopf.

„Ein Lehrbeispiel für Mammatus-Wolken, die hier wohl typischen Fallwindwolken“

„Ein Lehrbeispiel für Mammatus-Wolken, die hier wohl typischen Fallwindwolken“

Was haben wir nur für ein Schwein, dass wir schon hier sind! Schon gleich zu unserer Ankunft hatte es ja begonnen, aus Süd zu wehen. Gegen 3:00 haben dann diese Fallböen eingesetzt, erst recht zurückhaltend, aber dann doch ständig zunehmend. Wären wir später gefahren, hätte uns das alles draußen getroffen. Ein Süd mit 20 Knoten und Böen deutlich darüber hätten Saint Jean de Luz für uns schnell unmöglich gemacht und wir hätten nur versuchen können, die spanische Küste mehr westlich und hart gegenan noch zu erreichen. Das wäre in jedem Fall so unschön geworden, dass wir lieber gar nicht darüber nachdenken wollen.

Es macht kein gutes Gefühl, wenn die Vorhersagen immer wieder so sehr daneben liegen. Je mehr offener Atlantik vor der Tür liegt, desto schwerer scheint eine verlässliche Vorhersage zu sein. Da ist die Ostsee als Vorhersagegebiet schon viel dankbarer, denn wenn es in England »hämmert«, dann kann man ziemlich sicher vorhersagen, dass es auch bald in der Ostsee »klopfen« wird. Die Ostseemeteorologen haben es da echt gut und würden wohl kaum mit ihren französischen und spanischen Kollegen tauschen wollen, die nur eine Glaskugel mit viel Wasser vor sich haben und keine Hilfestellung aus England erwarten können.

„Es schwillt der Schwell“

„Es schwillt der Schwell“

Nun ja, uns ist das Wetter so auch erst einmal recht. Die 39 Stunden von La Rochelle hierher haben uns schon etwas geschafft. Nichtstun und Ruhe funktionieren auch bei Wind und Wolken ganz gut. Warm ist es ja trotzdem, auch wenn die Sonne kaum mal durchkommt. Viel wärmer, als wir das im Juli und August in der Bretagne hatten. Es gab dort zwar auch mal einige Sonnentage, aber wenn Wind aufkam, war der immer kalt. Und das macht hier den großen Unterschied. Der Wind ist warm. Fast ungläubig stecken wir immer mal wieder die Nase hinter der Sprayhood hervor, um zu gucken, ob der Wind immer noch warm ist. Aber er bleibt warm, auch wenn er immer kräftiger wird.

„Ein spanisch-französische Regatta zwischen Hondarribia und Saint Jean de Luz hat in der Bucht von SJdL die mittlere Mole zur Wendemarke.“

„Ein spanisch-französische Regatta zwischen Hondarribia und Saint Jean de Luz hat in der Bucht von SJdL die mittlere Mole zur Wendemarke.“

„Ich hatte ja schon geschrieben, dass die Franzosen mit allem segeln, was irgendwie mit Wind Fahrt nach vorn macht…. und nun dies!!!“

„Ich hatte ja schon geschrieben, dass die Franzosen mit allem segeln, was irgendwie mit Wind Fahrt nach vorn macht…. und nun dies!!!“

Die Fallböen aus den Bergen sind teilweise richtig brutal und krachen nur so in die Bucht. Abends wird es dann so arg, dass wir noch weitere 10 m Kette stecken. Der Ankergrund scheint zwar prima zu sein, aber die Nacht wollen wir dann doch lieber vor 50m Kette verbringen. Zumal wir die einzigen Ankerlieger sind und dadurch ein größerer Schwojkreis schlicht egal ist. Wenn uns eine Bö trifft und wir gerade mehr oder weniger mit dem Bug im Wind liegen, sind auch große Böen kein Problem. Trifft sie uns aber von der Seite, krängt die PINCOYA richtig, nimmt Fahrt auf und wird herumgeschleudert. Wenn man bei solch einem Schleuderkurs gerade ein Schwimmerchen am Heck macht, ist die Badeplattform mit ihrer Badeleiter im Handumdrehen weg und man kommt schwimmend nicht hinterher. Auch wenn man eine Bootsrunde schwimmen will, muss man aufpassen, nicht durch den herumschwingenden Rumpf übergemangelt zu werden.

Trotz unseres heftigen Schlingerkurses machen wir nachmittags dann noch einen Ölwechsel an unserem Außenborder. Das Öl ist wieder milchig geworden, der Arme hat wohl wirklich eine ganze Menge Salzwasser geschluckt. So richtig wartungsfreundlich haben die Honda-Ingenieure die Ablassschrauben zwar nicht platziert, aber inzwischen sind Astrid und ich ja geübt und in 20 Minuten ist unser Kleiner wieder startklar. Wir sind gespannt. Ein erstes Gebrumm hat er ja schon ganz wohlwollend in Les Sables d’Olonne von sich gegeben, nun soll er aber mal richtig laufen.

„ER LÄUFT WIEDER!!!!!!“

„ER LÄUFT WIEDER!!!!!!“

Und das tut er auch! Zweimal ziehen und schon brummt er! Super! Ich drehe mehrere Runden um die PINCOYA. Alles bestens. Er läuft wieder! Uns fällt ein Stein vom Herzen, es wäre schon ziemlich blöd gewesen, wenn wir den Kleinen nicht wieder zum Laufen gebracht hätten. Und auch meine Bastelehre hätte eine dicke Schramme behalten, die sicher nie ganz abgeheilt wäre. Aber nun schnurrt er wieder bereitwillig und klaglos. Nach 15 Minuten und vielen kleinen und großen Runden machen wir ihn erst einmal wieder aus. Unserem Ausflug am Sonntag nach Saint Jean de Luz steht nun nichts mehr im Wege.

„Abendstimmung vor Saint Jean de Luz“

„Abendstimmung vor Saint Jean de Luz“

Außerdem begutachten wir noch unseren neuen Genuareffgurt. Der hat ja auf dem Weg hierher ganze Arbeit leisten müssen und nicht nur einmal haben wir gehofft, dass er nun bitte nicht irgendwie aufgibt. Aber er sieht 1a aus. Nicht die kleinsten Scheuerspuren sind zu sehen, alles sieht nickelnagelneu aus. Das beruhigt.

„Abendstimmung II. Irgendwie sind die Regenbögen hier viel halbkreisrunder als weiter im Norden. Das muss wohl am Sonnenwinkel liegen.“

„Abendstimmung II. Irgendwie sind die Regenbögen hier viel halbkreisrunder als weiter im Norden. Das muss wohl am Sonnenwinkel liegen.“


Sonntag ist Ausflugstag. Wir liegen zwar immer noch in der Wasserskizone, aber schon am Samstag sind alle um uns herumgefahren und auch die vielen Surfer, Strandkatamarane, Kiter und was sonst noch alles so herumfährt, haben sich nicht an uns gestört und unsere Ankerboje oder auch uns selbst gerne als Wendemarke genommen. Also machen wir unser Gummiboot klar, tanken den Außenborder noch mal auf und fahren los. Der Salto-Schrecken von der Belle Île steckt uns ja schon noch in den Knochen. So haben wir die zur Anlandung in Frage kommenden Strände vor Socoa durch die Ferngläser etwas beobachtet und uns für ein Stückchen entschieden, dass uns den ruhigsten Eindruck macht. Das volle Photo-Equipment muss natürlich mit, Gott sei Dank haben wir eine große wasserdichte Tasche, in die sogar der ganze Photorucksack zusammen mit dem Stativ passt. Das alles binden wir nun natürlich auch am Gummiboot fest, damit wir im Unglücksfall nicht auch noch Einzelteile wieder aus den Fluten fischen müssen. Aber unsere Anlandung geht gut. Am Strand klappen wir die Dinghy-Räder runter und ziehen alles bis hinter die Hochwassergrenze auf den Strand. Cool!

„Ausflug nach Socoa. Socoa hört sich schon echt südsee-mäßig an und die Temperatur passt heute auch wieder dazu ?“

„Ausflug nach Socoa. Socoa hört sich schon echt südsee-mäßig an und die Temperatur passt heute auch wieder dazu ?“

Da wir im westlichen Teil der Bucht von Saint Jean de Luz liegen, fahren wir zunächst nach Socoa mit seiner Burgruine und der langen Mole, über der sich bei Hochwasser der Atlantikschwell immer so schön bricht. Leider sind wir etwas spät und die Mole ist schon wieder gesperrt. Das Tor wird nur zu Niedrigwasser geöffnet und auch nur, wenn es »moderat« ist. Die Fallböen sandstrahlen auch heute wieder die Badegäste an den Stränden und die ein oder andere Bö versucht uns, von den Mauern der Burg zu blasen. Erstaunlich, aber heute bekommen wir das alles auch mit Sonne.

„Die Festung von Socoa“

„Die Festung von Socoa“

„Gesteinsschichtungen der Küste“

„Gesteinsschichtungen der Küste“

„Wellenspiele im Gegenwind“

„Wellenspiele im Gegenwind“

Eigentlich wollten wir von Socoa um die Bucht herum zu Fuß nach Saint Jean de Luz laufen. Von der Burgruine aus betrachtet, sieht das allerdings wirklich weit aus. Zu weit, um echte Freude in uns aufkommen zu lassen. Spontan entschließen wir uns, uns auf ein weiteres Ab- und Anlandungsmanöver einzulassen und unseren kleinen Außenborder mal richtig zu testen. So fahren wir mit dem Gummiboot quer über die ganze Bucht nach Saint Jean de Luz. Das Ab- und Anlanden geht auch diesmal echt profimäßig, so langsam wird das mit uns was. Aber die siebener Fallböen machen dem Gummiboot und dem kleinen Motor schon ordentlich zu schaffen. Irgendwann sitzen wir zwar so, dass wir nur noch ab und zu eine Welle abbekommen, aber wenn uns eine Bö erwischt, dann ist es schwierig, den Bug des dicken Gummiboots überhaupt im Wind zu halten. Viel mehr darf da nicht kommen.

„Der Strand vor Saint Jean de Luz“

„Der Strand vor Saint Jean de Luz“

Saint Jean de Luz ist zauberhaft. Anders kann man es nicht sagen. Die baskische Fachwerkarchitektur ist zwar etwas gewöhnungsbedürftig und man hat unwillkürlich das Gefühl, in Bayern oder im Ländle zu sein, aber der Rest ist südfranzösisch bzw. nordspanisch.

„Der Baustil ist schon cool, vielleicht etwas bayrisch angehaucht.“

„Der Baustil ist schon cool, vielleicht etwas bayrisch angehaucht.“

„Der Marktplatz mit unserem Pausen-Bistro.“

„Der Marktplatz mit unserem Pausen-Bistro.“

Die Kirche Saint-Jean Baptiste im Zentrum von Saint Jean de Luz ist der absolute Oberhammer. Außen ein graues Entlein und innen bleibt einem die Spucke weg. Ein echter Gegensatz zu den Kathedralen Frankreichs.

„Die Kirche Saint-Jean Baptiste I“

„Die Kirche Saint-Jean Baptiste I“

„Die Kirche Saint-Jean Baptiste II“

„Die Kirche Saint-Jean Baptiste II“

Lange laufen wir durch die vollen Gassen. Es ist Sonntag und alles scheint hier auf den Beinen und draußen zu sein. In einem Straßencafé machen wir Pause, bestellen uns ein Bier und sitzen in der Sonne. Herrlich!!! Es ist wirklich warm, die Franzosen und Spanier haben ihren Herbstpullover ausgezogen und wir Norddeutschen finden es HEISS! Inzwischen sind wir 10 Breitengrade nach Süden gesegelt und nun scheinen wir tatsächlich doch noch einige Reste von dem Hitzesommer gefunden zu haben.

„Stadtansichten von Saint Jean de Luz“

„Stadtansichten von Saint Jean de Luz“

„Hafenansichten von Saint Jean de Luz“

„Hafenansichten von Saint Jean de Luz“

Es ist toll und wir genießen das Sommerfeeling in vollen Zügen. Und nur kurz denken wir an eine kleine Grillaktion am Heck, doch dazu ist es wirklich etwas zu stürmisch. Da müssten wir die Schnitzel irgendwie festklemmen und auch die Grillkohle wäre im Handumdrehen verglüht.

Saint Jean de Luz
43° 23′ 34,2″ N, 001° 40′ 35,0″ W