Gijón -> Gijón Start: 10.11. 22:30 Ende: 11.11. 02:15 Wind: SW 8 – 12 kn Distanz: 10,3 sm Gesamtdistanz: 1.932,5 sm
Bevor der »Warte-Blog« unserer letzten Woche überhaupt fertig ist, muss nun erst einmal der Frust der letzten Nacht raus.
Warten zählt ja schon nicht zu unserer Kernkompetenzen, aber Umkehren noch viel weniger.
Wir haben uns selbst Regeln gegeben, aber dieses Mal brauchte es diese Veto-Regel für einen von uns beiden gar nicht, denn wir beide hatten kein gutes Gefühl mehr, als wir langsam immer weiter hinter den Industriehafen von Gijón kamen.
Der Wind war nicht das Problem, der war eher etwas zu schwächlich. Doch so hohe Wellen sind wird einfach noch nicht gewohnt und schon gar nicht bei Nacht.
Nachdem wir uns am Sonntagmorgen und am Sonntagabend jeweils zu den neuen Wettervorhersagen mit unseren Stegnachbarn zu einer Wetterkonferenz getroffen hatten, haben wir uns entschlossen, dass wir als Erste so gegen 22:30 aufbrechen.
Der Grund für 22:30 ist einfach, denn um 21:30 war Niedrigwasser und wir haben mit der PINCOYA den geringsten Tiefgang. Zudem war der Wind schon abends gut auf Südwest. Wir sollten sozusagen das »Pilotboot« machen. Der Plan war, dass wir an den Untiefentonnen vor dem Industriehafen Gijón den beiden anderen telefonisch Rückmeldung geben, ob und wie es geht. Danach sollten die Holländer dem nun wieder einhändigen Einhandschweden (seine Frau war schon mit dem Bus nach A Coruña gefahren) beim Ablegen helfen, um dann selbst aufzubrechen. Natürlich nur, wenn wir grünes Licht geben. So der Plan.
Der erste kritische Punkt ist die Ausfahrt bei Niedrigwasser. In der Ausfahrt durften wir ja die letzten Tage immer wieder große brechende Wellen beobachten, die erste Frage war also, ob man ohne Brecher rauskommt. Und die zweite Frage war dann, ob es überhaupt geht. Am Cabo Peñas und an der Messboje etwas weiter westlich sind Wellen mit 4 bis 5 m vorhergesagt und dies leider mit einer Frequenz von 8 Sekunden. Verdammt kurz für solche Höhen.
Und dieser Plan funktioniert auch bis zu dem »grünen Licht«, das wir geben sollen, und dem Ablegen des Einhandschweden ganz gut. Obwohl wir bei der Ausfahrt links und rechts des schmalen Hafenfahrwassers Brecher haben, ist es bis zu den Untiefentonnen zwar zunehmend wellig, aber doch machbar. Obwohl solche Brecher neben einer Einfahrt in stockfinsterer Nacht doch schon irgendwie beängstigend sind, speziell wenn sich das alles rechts und links in einem Abstand von 50 bis 100 m abspielt. Und Brecher, die regelmäßig über die Mole gucken, machen besonders nachts einen ziemlich respekteinflößenden Lärm.
Aber nach einigen heftigen Hüpfern sind wir durch, können vor dem Industriehafen die Segel setzen, und los geht’s. Wir hatten den ganzen Nachmittag schon alles doppelt gewissenhaft vorbereitet und merken nun, dass wir tatsächlich nichts vergessen haben. Alles ist perfekt, nur eben die Wellen nicht. An den Untiefentonnen ist es heftig, aber es geht noch und wir kommen voran. Wenn auch langsam. So geben wir also grünes Licht.
Allerdings wissen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht, was uns wenig später erwartet. Hinter den letzten Hafenanlagen nehmen die Wellen stetig zu. Vielleicht ist es gut, dass es so dunkel ist, wahrscheinlich hätten wir das Spektakel vor uns auch gar nicht sehen wollen. Es ist erstaunlich, wie tief wir immer wieder in ein Tal abtauchen und wie mühsam die PINCOYA den nächsten Wellenberg erklimmen muss. Durchschnittliche 4,5 m Wellen erlauben zwischendrin immer mal wieder richtige Wellen. Und die machen uns definitiv kein gutes Gefühl.
Wir glotzen uns die Augen aus dem Kopf, um eventuelle Brecher vor uns zu erkennen. Die Frequenz ist kurz und die Wellen sind steil. Puuuh! Auf AIS sehen wir unseren Einhandschweden aus dem Hafen kommen. Die Holländer sind noch drin. Wir sind uns beide unsicher, ob die ganze Geschichte, die wir hier gerade beginnen, wirklich gut ist. Vor uns liegen noch rund 90 Seemeilen und das Kap, dass wir noch lange nicht erreicht haben. Eines nagt besonders an uns. Bei diesem Wetter sind es eigentlich 90 alternativlose Seemeilen, die wir schaffen müssen, ohne einen wirklichen Alternativhafen zu haben. Auf 3/4 der Strecke liegt zwar Ribadeo, aber die südöstlich laufenden Wellen, stehen dort bei diesen Bedingungen mit 4,5 m genau auf der Einfahrt. Desgleichen bei Avilés, was gleich hinter dem Cabo Peñas liegt. Beide Häfen sind also nur theoretisch ansteuerbare Häfen und keine wirklichen Zufluchtsorte. Eine blöde Situation. Mangelnde Erfahrung mit solchen Wellen, alles mehr oder weniger gegenan, eine Front, die zum Morgen mit 25+ Knoten vorbeischauen möchte, stockfinstere Nacht und wahrscheinlich mehr als 24 Stunden bis Viveiro. Und dann noch der Winddreher zurück auf West in der Nacht von Montag auf Dienstag. Der sitzt uns zum Schlussspurt im Nacken. In der Summe eigentlich nur schwierig bis unschön. Und es sind Schwierigkeiten, die drohen sich aufzusummieren, weil wir einfach nicht schnell genug vorankommen.
Ich schreibe die SMS an die Holländer und den Einhandschweden, dass wir abbrechen. Die Holländer sind immer noch im Hafen noch drin, der Schwede schon außerhalb der Marina. Dann frage ich Astrid, ob ich sie abschicken sollte. Ein kurzes »Ja«, ein Klick und die Entscheidung ist gefallen. Wir rollen das Vorsegel ein und drehen in der Hoffnung um, dass uns keiner dieser dicken Burschen im falschen Moment trifft. Sehen können wir sie nicht. Und wenn wir sie sehen, dann ist es zu spät.
Während wir zurückgehen, telefoniere ich mit P-E, dem Schweden. Er will weiter gehen und mal schauen. Irgendwann passieren wir uns und winken in die Dunkelheit. Obwohl wir ziemlich nah sind, sehen wir oft nur das Top seines Segels. Die Wellen sind wirklich nicht gerade klein. Einige Wellen surfen wir herunter. Ein blödes Gefühl, ins Tal zu gucken und downhill zu beschleunigen. Es rauscht, dann ist die Welle durch. Uff. Aber die PINCOYA ist gutmütig, anders kann man es nicht sagen.
Bevor wir wieder durch die Einfahrt gehen, machen wir einen Schlenker hinter die Molen des Industriehafens, um Fender und Festmacher vorzubereiten. Am Ponton erwarten uns die Holländer und nehmen unsere Leinen an. Nun sind wir zurück. Ein blödes und irgendwie hilfloses Gefühl macht sich breit. Sind wir zu blöde oder nur zu feige? Der gesunde Menschenverstand sagt etwas anderes, aber das Gefühl bleibt gespalten.
Mitten in der Nacht gibt P-E die Meldung, dass er das Cabo hat und weitergeht. Für ihn ist die Sache ok. Zwei abgeschlossene Circumnavigations machen wohl einen großen Unterschied. Uns fehlt die Erfahrung.
Morgens versuchen es auch die Holländer. P-E ist inzwischen weit hinter dem Cabo, aber vor ihm liegen immer noch 60 Seemeilen. 2 1/2 Stunden später sind die Holländer mit ihrem Versuch, ums Kap zu kommen, zurück. No way in diesen Wellen. Mit ihrem schweren 14 m Kahn sind sie immer wieder so hart in die Wellen gestochen, dass es die Beplankung aus dem Bugspriet gerissen hat. Erstaunt sehen wir den Schaden und hören die Geschichte. Wir hätten niemals für möglich gehalten, dass man solch einem Bug so tief in die Wellen stecken kann. Obwohl auch wir recht schwer sind, ist die PINCOYA klaglos durch die Wellen gegangen, alles war ok, nur die mangelnde Erfahrung, die Nacht und die Aussichten haben uns umkehren lassen.
Und nun sitzen wir wieder hier in Gijón und überlegen uns Alternativen. Einfach hier bleiben und das war dann das Ende unseres diesjährigen Törns? Wenn ja, an Land oder im Hafen? Gibt es noch ein Wetterfenster? Und wann gibt es das? Ist dann noch genug Zeit, um alles für den Winter vorzubereiten und einen Rückflug zu buchen?
Wir wissen es nicht, aber bald müssen wir auch hierzu eine Entscheidung treffen. Was für ein Finale!