Auch diese Saison haben es wieder viele Kleinigkeiten, aber auch einige Großigkeiten geschafft, in unsere Erinnerungsliste zu kommen. Trotzdem gibt es einen gravierenden Unterschied zu all den Jahren davor. Es sind keine Dinge mehr hinzugekommen, die grundsätzlich neu sind, es sind nur noch die »normalen Dinge«, die immer irgendwie an einem Schiff anfallen und gerne auch erledigt werden möchten. Und nach dieser Saison sind wir schon etwas stolz darauf, dass alles, was wir in den letzten Jahren so aus-, um- oder auch angebaut haben, auch in der Biskaya genauso funktioniert hat, wir wir uns das erhofft hatten. Wenn man mal vielleicht von dem Ärger mit dem Facnor-Furler absieht, aber der hat mit dem neuen Dyneema-Gurt ja nun auch schon wieder 700 sm unter teilweise rauen Bedingungen gehalten und so funktioniert, wie wir das eigentlich von ihm erwartet haben.
So nutzen wir nun die uns verbleibende Zeit in Gijón, um schon möglichst viel von unserer Erinnerungsliste abzuarbeiten, damit es nächstes Jahr schnell weitergehen kann. Aber uns beschäftigt ja nicht nur unsere Erinnerungsliste mit all den Dingen, die wir nicht gleich erledigen konnten oder wollten. Auch der Aluschifffranzose, der neben uns lag, hat uns ja mit seinem versauten Ablegemanöver wieder eine besondere Außenborderbasteleinheit verschafft. Inzwischen sind Astrid und ich schon echte Profis und wenn das so weitergeht, können wir den kleinen Honda bald auf Zeit und mit verbundenen Augen zerlegen und wieder zusammensetzen. Wir wissen ja nicht, wie andere Außenborder so drauf sind, aber der kleine Honda ist wirklich hart im Nehmen. Dennoch dauert es immer einen ganzen Tag, bis alles auseinandergenommen, gereinigt und wieder zusammengesetzt ist.
Aber nach so einem Tag Intensivpflege mit anschließendem Ölwechsel, ist er wieder ganz der alte.
Doch nicht nur unser Kleiner braucht etwas Aufmerksamkeit, auch unser großer Motor hat nach all den Jahren ein kleines Inkontinenzproblem entwickelt. Das sei ihm nach 24 Dienstjahren verziehen, aber seit La Rochelle darf er nur noch brummen, wenn er auch eine Pampas um seine Seewasserpumpe trägt. Die Simmerringe auf der Welle sind undicht geworden, das ist zwar nur eine Cent-Reparatur, dennoch füllt auch diese Fummelei ganz locker einen ganzen Tag und etwas mehr.
Danach kommt des Schiffsjungen Lieblingsthema wieder an die Reihe, die Vorstagspannungen am Kutterrigg. Zweimal dachte ich schon, dass ich nun zufrieden bin, aber nein, der Schiffsjunge ist immer noch nicht zufrieden. So gut die Segel von Jan-Segel auch sind, so ungenügend hat er die Kutterriggarbeiten ausgeführt.
Doch nun! Schließlich können wir ja nicht ganz umsonst für Monate in dem Heimatland der Fucknors gewesen sein. So schreit alles förmlich nach einem entscheidenden Durchbruch. In Frankreich trifft man diesen Facnor-Flatdeck-Furler ziemlich häufig an und dort haben wir dann auch gesehen, dass die Sparfüchse von Facnor das ursprünglich abgerundete Maul für den Gurteinlass einfach wegoptimiert haben und der Gurt nun nur noch durch einen nicht wirklich abgerundeten Schlitz geführt wird. Erst dieser Schlitz provoziert oben und unten das Scheuerproblem. In dem abgerundeten Maul, das wie ein länglicher Low-friction-ring aussieht, konnte dieses Scheuerproblem früher gar nicht auftreten. Mal sehen, ob wir so ein Maul hier noch irgendwo auftreiben können. Vielleicht auf dem Schrott bei einer Werft, wir werden mal die Augen offen halten, denn nun wissen wir ja, worauf es ankommt.
Und in Frankreich haben wir nun auch endgültig herausgefunden, was uns die Montageanleitung von Fucknor die ganze Zeit vorenthalten hat. Nun wissen wir, wie der Facnor-Furler aufgebaut ist und dass sich auch bei uns im dicken Ende des Furlers ein normaler Spanner verbergen muss. Der ist bei uns zwar gar nicht zu sehen, muss aber dort sein, denn so einen Burschen haben wir bei all den anderen ausgemacht, die wir ab und zu heimlich untersucht haben ?. Die ganze Geschichte mit dem Spannen funktioniert also bei Facnor etwas anders als bei Harken oder Seldén, hat aber auch etwas bestechend Einfaches.
Also trocknen wir die Genua an einem der wenigen Sonnentage und nehmen sie runter. Runter muss sie sowieso, denn wenn wir an Land stehen, wollen wir so wenig Windwiderstand wie möglich haben. Mal ganz abgesehen davon, dass uns eine trockene Genua unter Deck auch viel besser gefällt als eine dauernasse auf Deck. Und dann ist es genauso wie vermutet. Der Spanner kommt ganz brav zu Vorschein, als wir die Trommel mitsamt des unteren Aluprofils so lösen, dass wir die ganze Geschichte hochschieben können. Der Rest ist ein Kinderspiel, nur der alte, unter Deck im Ankerkasten montierte Harken-Furler der Starkwindfock macht nun noch das wechselseitige Spannen der Vorstagen etwas schwierig. Es ist einfach zu viel Kette im Ankerkasten, da passt der Schiffsjunge nicht auch noch mit rein. Also muss ich kopfüber abtauchen und mache zum Spannen quasi einen Kopfstand im Ankerkasten. So etwas kann böse enden, wenn man sich vorher gestritten hat, denn ohne den beherzten Zugriff der Capitana am Hosenbund meiner Jeans und an den Beinen, wäre ich da allein nicht wieder rausgekommen. Aber am Ende stimmen die Vorspannungen der beiden Vorstagen, der Schiffsjunge wird befreit und ist zufrieden, die Capitana peilt von unten und vom Steg aus die Maststellung und dann können wir auch dieses Thema endlich mal ad acta legen.
Warum Jan-Segel das nicht gleich auch so gemacht hat, zumal zu diesem Zeitpunkt ja noch nicht 80 m Kette im Ankerkasten waren und dort fast noch gähnende Leere herrschte, können wir überhaupt nicht nachvollziehen. Stattdessen hat er uns immer wieder versucht einzureden, dass wir von Riggspannungen nichts verstehen, und dass das offensichtlich Falsche eigentlich expertenmäßig total toll und richtig ist. Ein klitzekleiner Funken Expertenehre hätte ja ausgereicht und ihm auch noch gleich den ganzen Aufwand erspart, sich immer wieder neue fadenscheinige Expertenerklärungen für zwei schlabbernde Vorstagen auszudenken. Das alles ist absolut ärgerlich und bestärkt wieder einmal nur unsere große Abneigung gegen all diesen Werft- und Expertenfusch, der technisch nicht versierte Segler ausnutzt und am Ende über den Tisch zieht. Die Tatsache, dass der Spanner noch nicht einmal mit Splinten gesichert war, ist da nur noch eine weitere Bestätigung dieses Fuschs, der offensichtlich immer weiter zur Regel erhoben wird.
Zum Entsetzen der Capitana herrscht seit Tagen unter Deck ein formvollendetes Bastelchaos. Anfangs unternimmt Astrid zwar noch den ein oder anderen Aufräumversuch, muss aber spätestens ab der Demontage des Himmels in der Mittelkoje und in der Pantry machtlos mit ansehen, wie das Chaos unbeherrschbar wird. Vielleicht brauchen wir tatsächlich ein größeres Schiff, denn jegliche Notwendigkeit zu basteln verwandelt die PINCOYA im Handumdrehen in ein Schlachtfeld. Und dann gibt es da noch diese gewagte Theorie, dass der Schiffsjunge an der chaotischen Gesamtsituation angeblich nicht ganz unschuldig sein soll ?. Doch diese Theorie ist ebenso gewagt wie umstritten und wartet noch auf ihre abschließende Klärung ?. In jedem Fall verschärft jedoch der Regen ganz unbestritten die Situation, denn dann muss auch all das unter Deck, was sich sonst so wunderbar im Cockpit verteilen lässt. Und der Regen trägt sowieso die Hauptschuld, denn er hat ja schließlich mit allem angefangen. Wäre da nicht dieses kleine Rinnsal an der Wand der Mittelkoje heruntergelaufen, hätte der Schiffsjunge auch gar nicht den Himmel demontieren müssen, um nachzusehen, ob seine Rinnsalherkunftstheorie auch stimmt. Und da sie stimmt, muss auch der Himmel in der Pantry runter. Denn die PINCOYA ist in vielen Dingen ziemlich symmetrisch und wenn es an Backbord rinnsalt, dann ist ein ähnlich feuchtes Elend auf der Steuerbordseite auch nicht eben unwahrscheinlich.
Das Problemkind sind die Durchführungen der Fallen und Reffleinen nach achtern. Und hier schlagen gleich zwei Probleme zu. Erstens wird jedes Dichtmaterial mit den Jahren spröde und verdrückt sich zudem klammheimlich, wohin auch immer. Und zweitens ist die Verbindung der Rohrdurchführungen zu den Endstücken eine Fehlkonstruktion und kann gar nicht anders als undicht werden. Das haben wir schon gleich nach dem Kauf der PINCOYA an den beiden achterlichen Verbindungen bemerkt und beseitigt. Und nun stellt sich heraus, dass zu Zeiten des Vorbesitzers dieses Manko über der Pantry auch schon mal genauso beseitigt wurde, wie wir es hinten gemacht haben. Bleibt also »nur noch« die Installation einer wirklich dichten Verbindungslösung in der Mittelkoje und das neue Eindichten der Endstücke auf beiden Seiten. Und diese Reparatur erweitert dann auch gleich noch unseren spanischen Wortschatz, denn bewaffnet mit »abrazadera de la manguera« und einem Muster in der Hosentasche für den unwahrscheinlichen Fall des plötzlichen Verlustes jeglicher Verständigungsmöglichkeiten entern wir ein Pumpenfachgeschäft, um 8 Schlauchschellen zu kaufen. Geduldig hört der nette junge Pumpenfachverkäufer mir zu, während ich meinen spanischen Satz aufsage und in der Aufregung wieder einmal das »por favor« am Ende vergesse. In diesen Momenten stupst Astrid mich immer von der Seite an und sagt schnell mit einem gewinnenden Lächeln für uns beide »por favor«. Der nette junge Pumpenfachverkäufer nickt und antwortet in guten Englisch, dass wir natürlich auch Englisch sprechen können und fragt, wie groß denn die »hose clamps« sein sollen. Gewonnen…äh .. ja .. fast gewonnen, er hat mich zwar verstanden, aber…! Ich frage mich, wie auch schon in der Panadería und am Mostrador de queso im Supermercado, wie zum Teufel der nun wieder gemerkt hat, dass wir nur Ausländisch sprechen. Und ich antworte »sixtien tu twäntifeif wud bi fein«, das auch noch auf Spanisch zu sagen, traue ich mich nicht mehr.
Auf dem Rückweg beginnt es wieder zu regnen. Der Regen, der bis eben noch nur vom Horizont herübergegrüßt hatte, ist nun da. Gut, dass wir im Angesicht dieser Drohkulisse unserem Optimismus eine Absage erteilt haben und alles gleich wieder abgeklebt haben. So lässt die abschließende und eben auch abdichtende Reparatur noch etwas auf sich warten, denn es möchten erst noch zwei Tiefdruckgebiete mit ihren Ausläufern, viel Wind und ebensoviel Regen durchziehen. Dann aber kommt unsere Chance in einem unerwarteten Sonnenmoment. Und nach einigen Stunden Abdichtarbeit und nach vielen Stunden Aufräumarbeit ist nun alles wieder dicht und das hoffentlich für die Ewigkeit.
Und auch die Ordnung, die sich zwischenzeitlich vollkommen verschüchtert irgendwo verdrückt hatte, macht sich in der PINCOYA wieder breit. Bis zum nächsten Mal, bis wieder eine dieser Kleinigkeiten unter Deck wieder so ein unsägliches Chaos anrichtet.
Xixón, wir sind immer noch da, aber nun auf Asturisch
43° 32′ 43,9″ N, 005° 39′ 59,8″ W