Gestern sind wir von Kolobrzeg, Polen, nach Nexø, Bornholm DK, gefahren. Es war ein heißer Ritt von fast 60 sm, also runden 100 km. Nach langem Hin- und Herüberlegen, Wetterberichtwälzen und Stegberatungen mit anderen Seglern, sind wir am Mittwoch früh aus den Kojen gekrochen und dann losgefahren.
Hier unser Logbucheintrag für diesen Tag….
Um 5 klingelt der Wecker. Kaum ein Lüftchen geht durch den Hafen. Lin schläft weiter, Astrid und ich machen uns fertig. Gut das wir gestern alles schon fertig gemacht haben, so sind wir schnell startbereit. Kurz vor 6 starten wir. Da wir etwas in Świnoujście gelernt haben, setzen wir noch im Hafen die Segel. Inzwischen weht ein kleines Lüftchen und am Horizont ist die angekündigte Front zu sehen. Wir starten ohne Reff und mit ganzer Fock, die wir gestern noch schnell statt der Genua angeschlagen haben. In der Hafeneinfahrt steht die erwartete Welle, aber wir sind ja schon fertig. Ätsch, nochmal gehen wir diesen Einfahrtstücken nicht auf den Leim.
Wir nehmen Kurs Bornholm, Nexø. Noch passt der Wind, hoffentlich läßt er sich etwas Zeit, bis er gemäß Wettervorhersage dreht. Zügig nehmen der Wind und auch die Welle zu. Schnell sind wir bei den angekündigten 5-6 Beaufort. Upps, schon um 7 Uhr am Morgen. Geplant war das erst für späteren Vormittag. Hoffentlich dreht der Wind dann nicht auch schon früher auf Nord.
Lin kommt aus der Koje und wir setzen das erste Reff im Groß. Bei 20 – 22 kn immer eine gute Wahl. Kurz darauf drehen wir zusätzlich die Fock noch etwa 1/3 ein. Man gut, dass wir gestern noch die Fock angeschlagen haben, die große Genua wäre jetzt echter Mist.
So läuft die Dame bestens. Allerdings wird Lin zunehmend etwas Grün im Gesicht. Die Arme, irgendwie hat sich ihre Seefestigkeit mit den Jahren verkrümelt. Ich gehe direkt von Pipi-Klogang zu Reeling und werfe allen unnötigen, restlichen Magenballast über Bord. Auch wenn der nicht ganz über Bord geht, kein Problem, die Wellen sind inzwischen so hoch, dass alles innerhalb weniger Minuten vollständig weggespült wird. Und wir haben erst 3 von den 11 uns bevorstehenden Stunden hinter uns. Im best case 11 Stunden, wenn der Wind nicht dreht und wir nicht zusätzlich noch kreuzen müssen, dann werden bei der Strecke aus den 11 Stunden schnell mal 15 und mehr. Tolle Aussichten. Ich steuere, dann geht’s, Lin dämmert ihrem Schicksal entgegen, doch Astrid hält sich bemerkenswert tapfer.
Dann eine Sekunde Unaufmerksamkeit am Steuer und Lin und ich bekommen einen derartigen Vollduschgang, dass wir aussehen, als ob man uns gerade aus dem Wasser gezogen hat. Astrid sitzt etwas geschützter unter der Sprayhood. Glück gehabt. Diese Mistwelle sollte allerdings nur ein Vorgeschmack auf eine ganze Armada von sich hinterhältig anschleichenden Wellen der nächsten Stunden sein. Mit diesem Tag haben wir dann auch die Mähr begraben, dass unsere PINCOYA ein trockenes Schiff ist. Ab 7 Beaufort und 2 – 3 Meter Ostseewellen, ist Duschen definitiv mit im Programm. Und so geht’s auch weiter. Manchmal können wir uns noch wegducken, oft aber auch nicht. Das alles aber bei strahlendstem Sonnenschein. Ein Trog? Nicht vorhergesagt, sieht aber sehr danach aus. Dann wird es aber auch noch bestimmt etwas rauer werden.
Bis ca. 20 sm vor Bornholm halten wir uns mit dem ersten Reff im Groß und der zu 1/3 weggerollten Fock ganz gut. Teilweise waren die Wellen so hoch und steil, dass wir keine Chance hatten trocken wegzukommen, aber die Dame ist wirklich gutmütig und verhält sich auch unter so ungemütlichen Bedingungen absolut zuverlässig, stabil und solide. Nur die Mannschaft zeigt Schwächen, für das Schiff ist das alles kein Problem. Als der Wind dann lange gar nicht mehr unter 30 kn fällt, binden wir das 2te Reff ins Groß. Das ist ja das erste Mal. Im Winter haben wir es erst reinnähen lassen, weil wir letztes Jahr im Kattegat das Gefühl hatten, dass es gut wäre eine Antwort auf mehr als 7 Beaufort zu haben. Alles klappt und funktioniert wie geplant und ausgedacht, echt prima. Ab 30 kn die richtige Wahl. Immer häufiger haben wir dann echt bissige Böen, so dass wir die Fock letztendlich zur Hälfte einrollen. Obwohl die Wellen noch etwas zulegen und uns teilweise erstaunlich grimmig und steil ins Visier nehmen, hält sich die PINCOYA mit dieser Besegelung absolut fantastisch. Das macht viel Vertrauen.
Lin hält allerdings nur noch die Luv-Winsch etwas lethargisch im Arm und wartet auf den Hafen. Als Alternative würde sie wohl das sofortige Seemannsgrab auch nicht zurückweisen. Hauptsache nicht mehr diese Übelkeit. Alles ist egal. Ich kenne das sehr gut. Ihr geht’s echt schlecht. Astrid ist nun auch schon reichlich angeknabbert und hüpft nicht mehr so munter unter Deck. Ich kann mich nur mit Steuern etwas ablenken, um nicht noch einmal in die Ostsee zu spucken.
Alles in allem haben wir uns aber gestern sehr gut vorbereitet und auch alles, was wir uns bisher so ausgedacht haben, hat sich als genau richtig bewährt. Nichts geht heute auch nur irgendwie schief, so dass wir uns nicht noch um böse Unwegbarkeiten kümmern müssen, sondern die Seekrankheit still genießen können. Ab und an werden wir von erstaunlich hohen überkommenden Wellen geweckt.
Als wir langsam hinter das südöstliche Ende von Bornholm kommen werden die Wellen kleinen, ob wohl an den Segeln immer noch grimmige Böen herumzerren. Je kleiner die Wellen, desto mehr Leben kommt wieder in die Mannschaft. Das ist schon erstaunlich, innerhalb von Minuten ist alles vorbei und man fühlt sich sooooo viel besser und vor allem HUNGRIG!!!!!
In Nexö ist alles voll. Wir gehen in den Fischereihafen. Die Hafenmeisterin sagt uns, dass das alles heute kein Problem sein, heute und morgen sei Sturmtag, da ist alles erlaubt. Einfach festmachen und hierbleiben.
Liebe Grüße
Martin, Astrid & Lin
auf Bornholm in Nexø; 55° 03.638 N, 15° 08.123 E