Die Frage „neu oder gebraucht?“ war für uns schnell beantwortet. Die Art und Qualität von Schiff, die uns vorschwebte, konnten und können wir uns neu gar nicht leisten. Deswegen kam von vorn herein nur ein Gebrauchtboot in Frage.
Klar war auch, dass nur ein Eignerschiff in Frage kommt. Auf keinen Fall wollten wir ein ehemaliges Charterschiff. Hierzu liegen wir wohl schon zu lange in einem Werfthafen und können Woche für Woche mit ansehen, was dort so über die Saison zur Reparatur gekrant wird.
Wenn man einige Wochen lang die einschlägigen europäischen Gebrauchtbootbörsen durchforstet, dann findet man nach einiger Zeit fast zwangsläufig „seine“ Suchkriterien. Für uns war bald ein Alter von 20 Jahren die Schallgrenze. Nicht weil ein Schiff danach Schrott ist, aber nach 20 Jahren ist der Renovierungsbedarf schon deutlich höher und auch grundlegender als nach 10 oder 15 Jahren. Denn wir wollten nicht nur ein gut erhaltenes Fahrtenschiff zu einem erschwinglichen Preis finden, sondern auch sofort mit unserem neuen Schiff Segelspass haben. Auf keinen Fall durften uns zwingende Renovierungsarbeiten für die nächsten Jahre in die Halle verbannen. Unser neues Schiff musste nicht perfekt sein, aber es sollte wochenend- und urlaubsbereit sein. Alle Renovierungs- und Ausbauarbeiten mussten auf die Wintersaison verschiebbar sein, denn eine Sommersegelsaison ist nicht verschiebbar und endet definitiv im Herbst.
Auch wenn man nicht so große Fahrtensegelpläne hat wie wir, muss man in ein gebrauchtes Schiff investieren. Bei der aktuellen Innovationsgeschwindigkeit kann man eigentlich schon nach 5 – 7 Jahren die gesamte Elektronik zum Schrotthändler bringen. Keines der alten Geräte ist kompatibel zu neuen Komponenten, das Format der alten, elektronischen Seekarten gibt es ohnehin nicht mehr, die Bedienfreundlichkeit des Plotters erinnert an frühe PC-Tage, die man schon lange vergessen glaubte. Außerdem gibt es schlicht und ergreifend Neuerungen, von denen man vor 3 Jahren noch gar nicht zu träumen wagte. Auch bei der Elektrik sieht es sehr ähnlich aus. Die Batterien haben nach unzähligen Ladezyklen nur noch ein „Durchhaltevermögen“ von wenigen Stunden. Das alte Ladegerät passt nicht zu den neuen Batterien. Die alten Solarzellen bringen bei doppelter Größe halbe Leistung und das Windrad produziert mehr Lärm als Strom. Und das Funkgerät, ja das Funkgerät, das kassiert die Bundesnetzagentur, weil es wieder eine neue Verordnung gibt und das alte Gerät nun leider gar nicht mehr auf den neuen Eigner zugelassen werden kann.
D.h. es gibt auf einem Gebrauchtboot etliches, das austauscht, renoviert und erneuert werden muss, egal wie sehr der Verkäufer auch die Großartigkeit und Zuverlässigkeit beschwört. Aber es gibt auch viele Dinge, die gut gepflegt und gewartet noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte funktionieren können und sollten. Hierzu zählt nicht nur die Rumpfsubstanz, sondern auch z.B. der Motor, der Kühlschrank, das Frischwasser- und Fäkaliensystem, die Ruderanlage, die Windfahnensteueranlage, der hydraulische Autopilot, das Rigg, die Segel, die Ankerwinde und das Ankergeschirr und vieles vieles mehr.
Wenn man sich auf ein Gebrauchtschiff einlässt, dann ist die „teure Anschaffungs- und Renovierungsliste“ wahrscheinlich ähnlich lang wie die „Zubehörliste“ beim Kauf eines Neuschiffes, weil der vollständige Standard des brandneuen Schiffes doch noch einige Wünsche offen lässt. Ein Gebrauchtschiff ist, egal wie lang die Zubehörliste des Verkäufers ist, nie vollständig ausgestattet. Dies ist auch allein deswegen schon so, weil die „Generation Verkäufer“ ein ganz anderes Verständnis von „vollständig und notwendig fürs Segeln“ hat, als die „Generation Käufer“, die ihr Wetter und die Grib-Files über das Smartphone lädt und an Bord des Gebrauchtschiffes nur ein UKW-Gerät findet, das zwar Wettermeldungen in vielen Sprachen krächzen, aber mit Grib-Files herzlich wenig anfangen kann.
Deswegen sollte man gerade auch beim Kauf eines Gebrauchtschiffes ein angemessenes Sümmchen zurückbehalten, um hinterher alles so zu renovieren und aktualisieren, wie man es haben möchte.
Für uns war die Suche nach einem Gebrauchtschiff ein Zusammenspiel aus:
- Eignerschiff (ein Muss)
- dem ersten optischen Eindruck (Anzeigen ohne Bilder (! Plural !) fielen gleich raus.)
- dem Schiffstyp (Fahrtenschiff mit Decksalon)
- dem Alter
- dem Preis
- dem Hersteller (kein Hinterhofselbstbau)
- der Einrichtung und Aufteilung
- dem bisherigen Heimatrevier (viel mediterranes UV-Licht lässt nicht nur die Haut altern)
- den Motorstunden
- und auch der Erreichbarkeit zur Besichtigung
Neben dem Ausschlusskriterium „Charterschiff“ gab es noch ein weiteres Kriterium, was uns wenigsten sehr kritisch gemacht hat. Eine Gebrauchtschiff, das schon viele Jahre an Land auf seinen Käufer wartet, hat in der Regel nicht nur ein Preisproblem. Es erfordert sehr viel Sorgfalt und KnowHow, einen Motor, die Tanks, die Elektrik und Elektronik, die Segel und schlussendlich das ganze Schiff wirklich so gut für Jahre „einzuwintern“, dass all das keinen nachhaltigen Schaden nimmt. Wir halten das für sehr schwierig, weil eine „Langzeiteinmottung“ viel anspruchsvoller ist, als der jährlich Gang in das fünfmonatige Winterlager. Deswegen haben wir um solche Schiffe einen Bogen gemacht und uns nur Gebrauchtschiffe näher angesehen, die noch „in use“ waren und nicht schon vor Jahren in die Pflege einer Erbengemeinschaft übergegangen sind.