Segel(n)

Segeleigenschaften

Unser Ziel ist das Fahrtensegeln. Lange Etappen mit wechselnden Bedingungen, die sich manchmal erst während der Etappe entwickeln, ohne dass eine morgendliche Entscheidung im Hafen getroffen werden kann, ob man ausläuft oder nicht. Es kommt wie es kommt, auch wenn man seine Etappen sorgfältig plant. Wir werden vorrangig segeln, auch wenn es mal nur sehr langsam voran geht. Den Motor nutzen wir nur in Ausnahmefällen. Oftmals werden wir den Motor ohnehin nicht sinnvoll nutzen können, weil wir gar nicht genug Diesel an Bord haben. Zudem wollen wir das Gebrumm des Motors auch gar nicht über Tage haben. Unter Segeln brauchen wir keinen Regatta-Highspeed und wir sind nicht versessen darauf, die Schnellsten zu sein. Wir wollen Fahrtensegeln und unser Schiff muss zuverlässig laufen. Nicht unter allen denkbaren Bedingungen, aber unter vielen.

Hierfür müssen die Segeleigenschaften gut und vor allem auch gutmütig sein. Unser Schiff muss Fehler verzeihen und auch grobe Fehler dürfen nicht gleich in einer Katastrophe enden. Wir wollen und können nicht ständig am Ruder stehen oder an den Segeln herumzuppeln. Insbesondere soll unser Schiff unter den zu erwartenden Wetterbedingungen – also auch bei Starkwind und Sturm – gut segeln und sich ohne große Anstrengungen auf Kurs halten lassen. Die Steueraufgabe muss dabei vor allem der Autopilot erledigen und der ist ja manchmal etwas grobmotorisch und nicht so rücksichtsvoll, wie ein aufmerksamer Rudergänder. Und wir müssen all dies problemlos allein, also einhand, managen können, denn gerade auf mehrtägigen Etappen ist in der Regel immer nur einer von uns allein mit der Schiffsführung beschäftigt, während der andere sich ausruht oder schläft.

Die Frage ist: wie soll man das alles bei einem Schiff beurteilen? Ohne ein echtes Probesegeln unter verschiedensten Bedingungen geht das wohl nicht. Genau das haben wir aber mit der PINCOYA nicht gemacht. Das war vielleicht wirklich etwas sehr blauäugig und sollte wohl besser nicht als Vorbild dienen. Bei der PINCOYA, sie ist ja eine Jutlandic 37 DS, kam erschwerend hinzu, dass wir (bis heute) keinerlei Erfahrungsberichte anderer Eigner über dieses Schiff finden konnten. Es gibt nur einen einzigen Vergleichstest in der Yacht 21/1995. Dies ist bei anderen Schiffen ja meist anders. Hier kann man oft auf vielfältige Fahrtenseglererfahrungen zurückgreifen, die einem verraten, ob sich das Schiff unter den verschiedenen Bedingungen so verhält und so bewährt hat, wie man es erwartet und sich wünscht.

Aber wir hatten Glück. Unter allen bisher gesegelten Bedingungen (1 – 8 Bft in der Ost- und Nordsee) verhielt sich unser Schiff so, wie wir es uns vorgestellt hatten. Allerdings tut das die PINCOYA nur, wenn wir ihr die Segelfläche den Wetterbedingungen entsprechend anpassen.

Segelfläche(n)

Wie viel Segelfläche braucht man? Einerseits muss das Schiff ordentlich fahren und andererseits soll es nicht schon bei einer kräftigen Brise so auf der Backe liegen, dass das Leben an Bord ungemütlich wird. Außerdem müssen die einzelnen Segelflächen für jeden von uns allein gut handhabbar sein. Was hilft uns ein Groß, das nur noch der Schiffjunge über die Winsch setzen kann? So relativiert sich die Diskussion um die absolute Segelfläche. Neben dem reinen Vortrieb werden andere Dinge wichtig. Nachts verkleinern wir die Segel aus Sicherheitsüberlegungen sowieso. Segelmanöver bei Nacht müssen nicht sein, dann lieber mit etwas mehr Sicherheitspuffer fahren, auch wenn man dafür langsamer unterwegs ist.

Klar, so können wir gegen keinen der hochgetakelten Performance Cruiser bestehen. Aber wollen wir das überhaupt?

Die 55qm der Jutlandic reichen bei brisigen Winden für 3 – 7kn Reisegeschwindigkeit, wobei nichts aus dem alltäglichen Bordleben auf den nächsten Hafen oder die nächste Ankerbucht verschoben werden muss.

Unabhängig von diesen Überlegungen haben wir den (vielleicht ganz privaten und statistisch nicht belegbaren) Eindruck, dass die Windstärken in den letzten 10 Jahre auch in den Sommermonaten durchaus zugenommen haben. So kommen wir mit unseren “wenigen Quadratmetern” oftmals mehr als gut zurecht und meinen sogar, dass wir heute deutlich häufiger gerefft segeln als noch vor einigen Jahren.

Eine Rollgenua ist für uns unabdingbar. In keinem Fall wollen wir bei zunehmendem Wind auf dem Vorschiff herumturnen, um Segel zu wechseln. In der Planung war von Anfang an auch eine Kutterbesegelung, sofern unser neues Schiff die nicht ohnehin gehabt hätte. Halb eingerollt steht eine Genua eher bescheiden, was wertvollen Vortrieb bei zunehmend unangenehmen Bedingungen kostet. Außerdem hat das leichte Genuatuch nichts im Starkwind verloren. In diesen Situationen wollen wir aus dem Cockpit eine kleine, höher geschnittene Fock aus kräftigem Tuch ausrollen können und der Genua eine Pause gönnen. Eine Kutterbeseglung nimmt aber auch die einfache Wendemöglichkeit der Genua. Das ist hierbei der Pferdefuss. D.h. ein Aufkreuzen mit kurzen Schlägen unter Genua ist nicht mehr möglich oder so nervig, dass man es lieber gleich ganz lässt. Deswegen verabschiedet man sich mit einem Kutterrigg zwangsläufig von der flotten Regattakreuz und wendet sich den langen Fahrtenseglerkreuschlägen zu.

Ein Rollgroß kam und kommt für uns aus zwei Gründen nicht in Frage:

  1. Die ganze Technik scheint uns gegenüber einem normalen Groß mit Bindereff zu diffizil. Ein normales Groß bekommt man immer irgendwie runter, aber wenn die Einrollvorrichtung klemmt, dann wird’s eng.
  2. Ein Rollgroß bedingt einen höheren Mast, um dieselbe Segelfläche trotz des wenig ausgestellten Achterlieks noch zu erreichen.

Daher kommt für uns nur ein klassisches, durchgelattetes Groß mit Bindereff in Frage. Das steht durch die Lattung sauber und erzeugt einen soliden Vortrieb auch in gerefftem Zustand. Wir fahren heute 2 Reffs, die wir uns so “angelegt” haben, das wir beide Reffs vollständig aus dem Cockpit einbinden können. So brauchen wir das Cockpit bei widrigen Bedingungen nicht zu verlassen. Dies ist für uns ein aktiver Sicherheitsaspekt, der auch keinem Kompromiss zum Opfer gefallen wäre.

Eine Ketch-Beseglung finden wir aufgrund der kleineren Segelflächen und der damit einhergehenden, größeren Variabilität sehr gut. Aber die PINCOYA ist eben eine Slup, wäre sie aber eine Ketch, hätten wir sie mindestens ebenso gerne genommen.